Zum 111-jährigen Bestehen öffnet der Seerettungsdienst Küsnacht-Erlenbach am letzten Juni-Wochenende seine Tore. Obmann Manuel Häusermann blickt zurück auf frühere Zeiten, erzählt, was heute undenkbar wäre und wie er die Diskussion rund um Erlenbach erlebt hat.
«Tina ZH 355» liegt allein im Bootshaus. Das Rolltor ist geschlossen. Der Raum ist still. Nur einzelne Tropfen perlen vom Einsatzboot auf den Betonboden. Im Hintergrund hängen eine Elektropumpe, Rettungsringe, Wurf- und Abschleppseile, und ein Suchscheinwerfer ruht in der Halterung – bereit für Einsätze bei Nacht oder schlechter Sicht. «Alles perfekt geordnet, damit es griffbereit ist im Notfall», sagt Manuel Häusermann. Er ist mehr als 16 Jahren beim Seerettungsdienst Küsnacht-Erlenbach und seit knapp zweienhalb Jahren Obmann der Mannschaft.
Auf Tina ist er besonders stolz. Das rund zwölf Meter lange Einsatzboot bietet Platz für bis zu 20 Personen und erreicht eine Geschwindigkeit von bis zu 40 Kilometern pro Stunde. «Das Boot wurde 2013 höchstpersönlich von Tina Turner getauft – deshalb haben wir ihm den Namen ‹Tina› gegeben», sagt Häusermann und lacht.
«Nur ehrenwerte Herren»
Während Tina im ruhigen Wasser des Bootshauses liegt, ist das zweite Einsatzboot, Nepta, draussen auf dem See – unterwegs zur Fahrschule. Auch Ausbildung gehört zum Alltag der Milizorganisation. Der Seerettungsdienst Küsnacht-Erlenbach (SRD) wurde 1914 gegründet — damals als reine Männerorganisation. «Nur ehrenwerte Herren» durften damals mitmachen. Heute ist die Mannschaft offen für alle. «Wir haben seit Jahren kein Nachwuchsproblem – das freut mich sehr. Auch der Anteil an Frauen nimmt zu. Wichtig ist nicht, dass jemand besondere Fähigkeiten mitbringt, sondern dass die Person ins Team passt und sich engagiert», sagt Häusermann.
Dieser Moment bleibt in Erinnerung
Inhaltlich und organisatorisch hat sich die Arbeit stark verändert. Die Einsätze sind koordinierter, die Abläufe strukturierter, das Verhalten professioneller. «Früher war man vielleicht am Pickett und hat zum Spass mal einen Wasserski gezogen — heute wäre das unvorstellbar», sagt Häusermann. Die Anforderungen seien gestiegen, so der Obmann.
Rund 30 bis 40 Einsätze pro Jahr zählt der SRD — von gekenterten Booten und medizinischen Notfällen bis zu technischen Hilfeleistungen und gemeinsamen Suchaktionen mit der Polizei. Die Alarmierung erfolgt über die Notrufnummern 118 oder 144. Wer verfügbar ist, rückt aus. «Wichtig ist, dass man schnell auf dem Wasser ist und dass alle wissen, was sie zu tun haben», so der Küsnachter.
Ein Moment, der Häusermann besonders in Erinnerung geblieben ist, war der Einsatz im August 2024, als ein Auto in Küsnacht in den Zürichsee stürzte. Die Mannschaft rückte mit Tauchern aus, der Fahrer wurde geborgen und reanimiert. «Was mir geblieben ist, ist nicht nur der Einsatz selbst, sondern wie wir danach als Team damit umgegangen sind», sagt er. Die Nachbesprechung, das gemeinsame Verarbeiten — all das habe gezeigt, wie wichtig das Miteinander sei
Der Obmann betont: «Das Team ist mir das Allerwichtigste. Man kann noch so gute Fähigkeiten haben, wenn man nicht ins Team passt, funktioniert es nicht.» Der Austausch, die Verlässlichkeit untereinander, das Verständnis für Belastungen sei entscheidend, gerade bei Freiwilligen, die Einsätze in ihrer Freizeit leisten, so der Häusermann Beim Rundgang durch das vor zwei Jahren renovierte Bootshaus zeigt Häusermann die Garderobenräume. Auf der einen Seite hängen die Tücher und Ausrüstungen der Tauchgruppe, auf der anderen jene der Bootsbesatzung. In den Fächern: Neoprenanzüge für wärmere Bedingungen, Trockentauchanzüge für kaltes Wasser, Tauchflaschen, Signal- und Rettungswesten, Einsatzoveralls, Regenjacken, isolierte Handschuhe und wasserdichte Stiefel. «Gerade bei Kälte, Wind oder Dunkelheit ist die richtige Ausrüstung entscheidend», sagt Häusermann.
Dank zweier interner Tauchinstruktoren kann der SRD nicht nur eigene Mitglieder ausbilden, sondern hat zuletzt auch Taucherinnen und Taucher aus Zollikon geschult.
Erlenbacher wollte nicht mehr
Im vergangenen Jahr hatte ein Entscheid der Gemeinde Erlenbach für Unruhe gesorgt: Nach 90 Jahren gemeinsamer Zusammenarbeit kündigte sie an, künftig nicht mehr Teil des Seerettungsverbunds mit Küsnacht sein zu wollen. Als Grund wurden damals insbesondere finanzielle Überlegungen und mehr Mitsprache genannt. Doch der geplante Wechsel zum Seerettungsdienst Horgen scheiterte Anfang Jahr am Veto der Gemeinde Thalwil.
Daraufhin liess Erlenbach verlauten, dass man in den Verbund mit Küsnacht zurückkehren möchte. Seit Anfang Jahr sind die Küsnachter Seeretter wieder für den Seerettungsdienst auf Erlenbacher Gebiet zuständig, ob bereits eine definitive Einigung erzielt wurde, bleibt jedoch offen. Die Gemeinde Erlenbach teilt mit, dass der aktuelle Stand der Dinge derzeit nicht kommuniziert werden könne. Die Gemeinde Küsnacht erklärt auf Anfrage, dass aktuell Vertragsgespräche laufen. «Eine öffentliche Mitteilung ist zu gegebener Zeit vorgesehen», heisst es aus dem Gemeindehaus.
Für Obmann Manuel Häusermann war es eine unruhige Zeit – doch für ihn zählt vor allem eins: «Hauptsache, wir sind im Einsatz.»
Tag der offenen Türe
Nun öffnet der Seerettungsdienst anlässlich seines 111-jährigen Bestehens seine Tore für die Öffentlichkeit. Gezeigt werden Boote, Ausrüstung und das renovierte Bootshaus. Mitfahrten auf den Einsatzschiffen sind möglich – besonders für Kinder ein Erlebnis. Auch eine Festwirtschaft ist vorgesehen. Für Häusermann ist das Jubiläum mehr als eine Rückschau. Es ist auch eine Einladung. Neue Gesichter sind willkommen. Was es braucht? Häusermann: «Engagement, Zuverlässigkeit und den Wunsch, anderen zu helfen, wenn’s drauf ankommt.»
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111 Jahre SRD Küsnacht-Erlenbach
Tag der offenen Tür und Einweihung Bootshaus
Freitag, 27. Juni, ab 17 Uhr, Samstag, 28. Juni, ab 11 Uhr, Hornweg, 8700 Küsnacht