Andenken an den berühmten Baum

Erstellt von Monika Abdel Meseh |
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Im Sommer musste der Küsnachter Dorfbaum vor dem Gemeindehaus nach einem Sturm entsorgt werden. Mit einem Kunstwettbewerb soll dem Wahrzeichen jetzt die letzte Ehre erwiesen werden. Künstlerin Lioh Möller ruft dazu auf.

Das Ereignis war markant: In der Nacht auf den 18. August hatte ein starkes Gewitter den prächtigen Kastanienbaum auf dem Küsnachter Dorfplatz beschädigt, Zweige brachen ab, die halbe Baumkrone wurde gespalten. Der Einschlag veränderte die gesamte Statik des Baumes. Von einem Moment auf den andern war das Wahrzeichen vor dem Gemeindehaus nicht mehr «standsicher», und dies nach über 70 Jahren. Um die Passanten, den Verkehr, die Restaurantterrassen und die umliegenden Bauwerke zu schützen, fällte die Gemeinde den Baum. 

Wahrzeichen und Seele 

«Das wurde von den Menschen hier natürlich nicht so gut aufgenommen. Es gab viel Wut und erhitzte Gemüter», beschreibt Lioh Möller die Situation, während sie Zucker in ihren Cappuccino mit Hafermilch rührt. Es sei eine schwierige Situation, denn Schuld am Ereignis habe  ja keiner. Doch die Emotionen der Menschen seien verständlich. «So ein Baum ist ja nicht nur das Wahrzeichen eines Ortes, sondern auch seine Seele und sein Herz.» Beim Baum vor dem Dorfbrunnen fanden schliesslich viele Anlässe statt, Fotos ­wurden geschossen – unter anderem tradi­tionsgemäss auch das Bild des neu gewählten Gemeinderats.

«Der alte Baum diente nicht nur als Treffpunkt oder als Schattenspender, ­sondern als Möglichkeit des Austausches zwischen allen möglichen Menschengruppen», so Möller. Die Rotblühende Rosskastanie – dies die genaue Bezeichnung – hatte zweifelsohne einen besonderen emotionalen Wert für die Küsnachterinnen und Küsnachter. Deshalb soll der Baum noch in diesem Winter ersetzt werden. Welche Baumart, sei derzeit noch offen, heisst es auf Anfrage bei der Gemeindeverwaltung. «Dieser junge Baum, der jetzt kommt, muss von der Bevölkerung erst eine Seele bekommen. Es ist für mich mit einem Generationswechsel zu vergleichen», meint die Küsnachterin Lioh Möller dazu und nimmt einen Schluck von ihrem Cappuccino. 

«Wo ich bin, da ist meine Kunst» 

Mit dem aktuellen Wettbewerb möchte Lioh Möller dem Ort, dem sie sehr viel zu verdanken habe, etwas zurückgeben. «Ich habe meine Wurzeln hier in Küsnacht gefunden, und egal, wo ich hinreise, ich komme immer gerne hierher zurück», erzählt sie mit glänzenden Augen. Beruflich angefangen hat sie an der ETH im ­Bereich Informatik, dort gestaltete sie mit künstlicher Intelligenz künstlerische Werke. Heute ist sie eine international agierende Künstlerin, bekannt für ihre zeitgenössische Kunst, die sich oftmals mit gesellschaftlichen und politischen Themen auseinandersetzt. Dabei setzt die Küsnachterin unterschiedlichste Materialien wie Papier, Folie, Holz, Metall und Plastik ein. Sie beschränke sich nicht nur auf sogenannte Wall Art, sondern sei auch performativ tätig, erzählt Möller, während sie durch ihre Kunstwebsite auf dem Handy stöbert und verschiedene Kunstwerke zeigt.

«Das hier ist zum Beispiel ein Werk mit dem Namen ‹Rescue Boat›. Hier habe ich die Thematik der Flüchtlinge aufgegriffen.» Der Künstlerin ist bewusst, dass nicht jeder ihre Kunst versteht oder mag. «Für manche kann es sogar abschreckend wirken, doch das ist einfach das Faszinierende an der Kunst», sagt die Küsnachterin entschlossen. Ihre Ursprünge fand Möller im Bereich der Street Art. «Davon habe ich mich aber weiterentwickelt, weil es ja auch ein bisschen destruktiv ist», ­erläutert sie. Heute frage sie immer zuerst an, bevor sie ihre Werke irgendwo zur Schau stelle, damit diese auch längere Zeit dort stehen bleiben dürfen. 

Die Künstlerin hat zudem fast schon überall gearbeitet, unter anderem in New York, Berlin, Madrid und Barcelona. Wohin es sie zieht, ist abhängig von der ­Ausstellung oder dem Projekt, an dem sie arbeitet. «Wo ich bin, da ist auch meine Kunst», sagt sie stolz. «Es ist oftmals unmöglich, die Kunst von dem Künstler zu trennen, und so ist es auch bei mir», erklärt Lioh Möller. Schon seit 20 Jahren macht die Küsnachterin eigene Kunst und arbeitet sowohl mit Künstlern als auch mit Menschen ohne künstlerischen Beruf zusammen. «Meine Kunst ist ein Ausdruck meiner Gefühlslage und ist häufig bedingt durch einen aktuellen Bezug oder durch gesellschaftliche Relevanz. Deshalb ist es mir wichtig, jedem die Chance zu geben, sich da involvieren zu können», betont die Künstlerin. 

Kunst für den Baum

Deshalb nun auch die aktuelle Idee. «Für mein jetziges Projekt möchte ich gerne die Bevölkerung von Küsnacht aktiv einbeziehen», erklärt die Künstlerin. Im Andenken an die vielen Jahre, in denen der Baum ein fester Bestandteil des Ortes war, möchte sie einen Kunstwettbewerb ausrufen. Die Aufgabe ist es, kreative Mal- sowie Bastelarbeiten, die sich thematisch mit dem Baum auseinandersetzen, zu ­erschaffen und sie bei der Künstlerin ­einzureichen (siehe Box). 

Der Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt. Es werde jegliche Art von Kunst akzeptiert, so Möller. Der Wettbewerb ist für alle Interessierten von Jung bis Alt. «Besonders über Werke von Schulklassen oder von Altersheimen würde ich mich freuen», meint Lioh Möller lächelnd. Pro Person ist jedoch nur ein Werk erlaubt. «Ich werde mir die Gewinner auch nicht aussuchen, sondern die Namen ­ziehen, weil ich die Werke nicht nach bestimmten Kriterien bewerte und so ihren Wert vermindern will», sagt die Kunstschaffende. 

Einreichen kann man die Kunstwerke bis Ende November bei Lioh Möller. Unter allen Einsendungen werden Gutscheine von lokalen Gewerben verlost, wie der ­Papeterie Köhler, dem Pip Squeak Toy Shop oder der Buchhandlung Wolf. Diese Gewinne werden von der Küsnachterin selbst finanziert. «Somit bleibe ich unabhängig, was mir sehr wichtig ist», erklärt sie. Die Gewinner werden Anfang Dezember auf ihrer Homepage «artart.ch» sowie im «Küsnachter» bekannt gegeben.  

Die Künstlerin Lioh Möller vor dem leeren Platz, wo früher der Dorfbaum stand. Nun ruft sie die Bevölkerung zu einem Wettbewerb auf.Bild AM

Offener Wettbewerb 

Die Mal- und Bastelarbeiten zum ­gefällten Küsnachter Kastanienbaum können bis Ende November direkt bei Lioh Möller, Seestrasse 89, 8700 Küsnacht, eingereicht werden. Teilnahmeberechtigt sind alle Interessierten, willkommen auch Schulklassen oder ältere Menschen.