Die Schule und den Ball im Auge

Erstellt von Manuela Moser |
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Fast drei Wochen ist es her, seit Henry von der Schulenburg bei den Tennis-Interclubspielen den Meisterschaftspokal für GC holte. Nun ist der junge Mann aus Küsnacht bereits wieder abreisebereit – am Sonntag geht es zurück nach Amerika.

Man sollte bei der Beschreibung einer Person nicht mit Adjektiven um sich werfen, aber hier liegen sie auf der Hand: jung, erfolgreich, sportlich. Und Henry von der Schulenburg legt gleich selbst ein weiteres nach, «clever» – damit wolle er überhaupt nicht arrogant klingen, sagt er. «Ich weiss, dass es viel sportlichere und schlauere Menschen gibt als mich.» Aber was er meint, ist: «Lieber sportlich und clever als nur sportlich.» Diese Lebenshaltung ist auch der Grund, warum das begabte Nachwuchstalent aus Küsnacht nebst dem Tennis genauso auf eine solide Ausbildung baut. Und solide heisst in Henry von der Schulenburgs Fall: Harvard, die Eliteschule von Boston.

Warum Amerika, warum Harvard, ist schnell erklärt: «In Amerika ist es viel ­einfacher, den Sport und die Schule zu vereinen.» Aus wenigen – drei Nachwuchstennisspieler waren es in seinem Semester, die in Harvard aufgenommen wurden – ist der Küsnachter ausgewählt worden. «Die Talentscouts von Harvard entdecken viele gute Tennisspieler, aber viele müssen sie auch ablehnen, weil die Noten nicht stimmen», weiss er.

Stolz auf den Pokal

Heute sitzt der junge Mann auf dem ­Zürcher Opernhaus-Platz, bestellt im «Collana» einen Eiskaffee und muss sich der Bedienung kurz erklären: Eiskaffee ist in der Schweiz etwas anderes als in Amerika. Er will den kalten Kaffee mit Eis im grossen Glas, mit etwas Milch. Gerade kommt von der Schulenburg vom Training in seinem Club, wenn er in der Schweiz ist, den Grasshoppers, die nahe der Stadtgrenze Richtung Bahnhof Tiefenbrunnen ihre Trainingsplätze haben. Mit GC hat er vor drei Wochen in Winterthur das erste Mal seit 18 Jahren den Pokal für das schweizweit beste Tennisteam geholt.

«Es war ein überwältigendes Erlebnis», schwärmt von der Schulenburg. Er habe eben den Pokal wieder gesehen, fotografiert und in den Gruppenchat gestellt. Ein Team zu haben, sei für einen Tennisspieler nicht der Alltag. «Tennis ist ein sehr einsamer Sport, man steht immer alleine auf dem Platz, und alles hängt von einem selber ab.» Deshalb geniesst er es, ab und zu auch im Doppel zu spielen.

«Tennis ist mental sehr anspruchsvoll», so von der Schulenburg weiter, «ein einziger Fehler kann dich innert kürzester Zeit alles kosten.» Besonders wenn wie bei den Interclub-Meisterschaften bei Gleichstand nach zwei Sätzen der sogenannte Match-Tie-Break gespielt wird, ein ­eigentlicher Minisatz, bei dem jeder Punkt als eine Eins zählt, und wer als Erster zehn Punkte erreicht, gewinnt. Ausser – nun aber ohne zu sehr auf die gewöhnungsbedürftige Zählerei des Tennisspiels einzugehen – wenn es 9:9 steht. In jenem Fall würde so lange weitergespielt, bis ein Spieler zwei Punkte Vorsprung hat.

Von der Schulenburg mag diese besondere mentale Anspannung im Tennis, weil er – wie er ohne Überheblichkeit meint – mental stark sei. «Solid», nennt er es, «und oft bin ich positiv.» Zudem komme ihm zugute, dass er die letzten vier Match-Tie-Breaks gewonnen habe. «Das schenkt mir Selbstvertrauen.»

Erst das Studium beenden

Wie weit von der Schulenburg mit seinem Talent kommt und letztlich auch kommen will, weiss er noch nicht. Vorerst wird er sein Wirtschaftsstudium in Amerika in zwei Jahren abschliessen. «Wenn mein Körper bis dahin mitmacht und ich weiterhin Freude am Tennis habe, kann ich mir eine Profikarriere vorstellen.»

Und da ist sonst auch noch der kleine Bruder Jeffrey von der Schulenburg (20). Auch er ein Tennistalent, auch er in Amerika an einer guten Schule (University of Virginia), auch er mit Henry Seite an Seite in Winterthur kürzlich am GC-Triumph beteiligt. «Jeffrey ist der quirligere von uns beiden», so der Ältere über den Jüngeren. Jeffrey habe bei seiner Schulwahl mehr auf den Schwerpunkt Tennis gesetzt, sei extrovertierter und gesprächiger. Verstehen tun sich die beiden Brüder trotzdem sehr gut.

«Bei uns zu Hause herrscht eine gesunde Konkurrenz, nicht nur beim Tennis, sondern auch beim Kartenspiel», schmunzelt von der Schulenburg. Schon als Kinder habe man sich aneinander gemessen. Überhaupt: Der Wettkampf liegt in der Familie. So betreiben die ältere Schwester Ella und die Jüngste Alexa beide Rudersport. Ella hätte es letztes Jahr bis nach Tokio an die Olympiade geschafft, wenn nicht Tage vor den Spielen eine Ruderin im Natiteam Corona bekommen hätte. Inzwischen hat sie den Sport quittiert. Die Jüngste hingegen reist dieser Tage nach Amerika, nach Yale, und verstärkt dort das Ruderteam.

Der Tag in Winterthur war der einzige, an dem sich die ganze Familie von der Schulenburg gesehen hat. Sonst war immer jemand weg. «Das nächste Mal kommen wir wieder an Weihnachten zusammen, da gehen wir immer in unser Haus in den Bergen», sagt Henry von der Schulenburg. Klar, vermisse er seine Geschwister, aber daran hat er sich gewöhnt.

Vorbild Federer, Nadal – und Blake

Geduldig steht von der Schulenburg am Schluss noch für ein Selfie zur Verfügung, bei besonders brütender Hitze an diesem Tag – vielleicht, man weiss es ja nie, ist man soeben dem nächsten Roger Federer begegnet. Natürlich sei Federer auch für ihn ein Vorbild, sagt der Küsnachter, wie auch Nadal. Eindruck macht ihm zudem der 19-jährige Spanier Carlos Alcaraz, der aufgrund seines Alters schon einige Rekorde gebrochen hat. Heute könne man aber auch im späteren Alter gut Tennis spielen, findet von der Schulenburg – auf der ATP-Weltrangliste müsse man es nicht mehr bis spätestens 20-jährig unter die Top 100 schaffen. «Heute achtet jeder Sportler so gut auf seinen Körper und feilt mit dem Alter an seiner Technik, dass ein Sieg, wie ihn Boris Becker damals mit 18 Jahren in Wimbledon erzielt hat, gar nicht mehr unbedingt möglich ist», findet der Küsnachter.

Und dann erwähnt von der Schulenburg noch ein Vorbild, das einen grossen persönlichen Eindruck hinterlassen hat: US-Spieler James Blake, ehemalige Nummer 4 der Weltrangliste, der wie Henry in Harvard promoviert hat. Ihn hält die Eliteschule noch heute hoch, ihn durfte Henry von der Schulenburg auch persönlich kennen lernen und mit ihm sogar Tennis spielen.

Was bei Blake gilt, gilt auch für von der Schulenburg: sportlich und clever. Nun muss der junge Küsnachter nur noch  «besondere Waffen» finden – «denn», so Henry von der Schulenburg, «alle in der Interclub-Nationalliga A sind gute Spieler». Um sich dann um dieses Bisschen ­abzuheben, müsse man den Unterschied machen: einen unglaublichen Aufschlag, einen besseren Return, eine flinkere ­Bewegung auf den Beinen. «Und alles, was es dann noch zu tun gibt, ist, seinem eigenen Spiel zu vertrauen.»