Ein Winzling geht voran

Erstellt von Lisa Maire |
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Der Kinderroman «Mückebär und die Suche nach dem geraubten Winter» der Zürcher Autorin Anne-Friederike Heinrich macht Kinder mit den Auswirkungen der Klimaerwärmung vertraut.

Mückebär heisst Mückebär, weil er aus Bärensicht «klein wie eine Mücke» ist. Sein Zuhause hat der winzige Eisbär im Kreis der Polartiere. Doch diese Heimat am Nordpol ist bedroht: Die Tiere hungern, leiden, sterben, weil ihr Jagdgrund, das Polareis, dahinschmilzt. Sie wissen, woher ihr Elend stammt: Die «Herrscherin ewige Eisblume» hat ihnen den Winter unter den Pfoten weggestohlen. In ihrem Schloss am kältesten Ort des verbliebenen Eises hält sie Abermilliarden von Eiskristallen gefangen. Auf einem Wintervorrat für Tausende von Jahren sitzend, denkt sie nur an sich. Die Tiere sind ihr völlig egal.

Elend und Empörung bei den Polartieren sind gross. Doch sie zieren sich, ihre Zukunft in die eigenen Pfoten zu nehmen. Lieber wird in Ratsversammlungen palavert und gejammert. Warum haben wir den Schnee nicht schon längst zurückgeholt? Wie kann die Eiskönigin nur so grausam sein? Warum kann man das Eis nicht einfach untereinander aufteilen und gemeinsam in Frieden leben? Doch Mückebär hat genug gehört: Der winzige Eisbär läuft einfach los – wild entschlossen, zu handeln. Denn er und seine Begleiterin, die alte Eismöwe Edla, haben begriffen: Die einzige Überlebenschance der Polartiere besteht darin, den geraubten Winter zurückzuholen. Und zwar schnell! Mutig, unbeirrt-kämpferisch machen sich die ungleichen Freunde auf eine weite, abenteuerliche Reise. Dabei müssen sie sich gegenseitig immer wieder aus gefährlichen Situationen retten. Gelingt es Mückebär, den geraubten Winter zu den Polartieren zurückzubringen? Eines sei verraten: So winzig der Eisbär, so gross die Kräfte, die er auf seinem hindernisreichen Weg entwickelt. Manchmal wächst er sogar über sich hinaus.

«Mückebär und die Suche nach dem geraubten Winter» ist ein Kinderroman, der auf Tatsachen – der Klimaerwärmung und ihren Folgen – beruht. Lebendig und spannend geschrieben, mit witzigen Dialogen und vielen hübschen Sprachbildern. «Das Eis ist zurückgewichen, als hätte jemand am anderen Ende der Erde daran gezogen», heisst es da zum Beispiel. Aber es gibt auch drastischere Beschreibungen. So ist die Heimat von Mückebär durchsetzt von riesigen Pfützen aus dahingeschmolzenen Eisbergen, von Grasbüscheln «wie plattgetretene Igel» und einem stinkig-braunen Morast, in dem manche Tiere jämmerlich stecken bleiben. Und die Figur, die am ganzen Elend schuld ist, steckt – oh Schreck – in einem Gewand aus lauter Fellen und Pelzen von Polartieren.

In den Beschreibungen schimmern durchaus Parallelen zur real existierenden Umweltdiskussion durch – inklusive der Widerstände aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, der Klimaerwärmung entschieden und einmütig Einhalt zu gebieten.

Moralisierend kommt das Buch von Anne-Friederike Heinrich trotzdem nicht daher. Die Autorin aus dem Zürcher Quartier Witikon, lange im journalistischen Bereich tätig und Mutter zweier Söhne im Primarschulalter, hat sich mit «Mückebär» einen Traum erfüllt: Gedichte und Geschichten für Kinder zu schreiben. In dem Buch stecke viel Herzblut, erzählt sie auf Anfrage. Umso mehr freut sie sich, wenn Kinder beim Lesen zur Überzeugung gelangen: «Wir müssen dem Mückebär helfen.» In der Klimadiskussion habe die junge Generation einen «grossen Impact, etwa auf die Eltern», so die Autorin. «Kinder nehmen das Thema sehr ernst.» Umso dringender sei es, dass auch Erwachsene es ernst nehmen. Nicht zuletzt deshalb enthält «Mückebär» – neben erklärenden Fakten in Randspalten neben dem Romantext – einen Anhang mit Klimaschutz-Tipps für den Alltag. Der letzte lautet: «Geh den Grossen auf die Nerven!» Und bring (zum Beispiel) dem Grossvater bei, zum Einkaufen von Obst und Gemüse ein Stoffsäckli mitzunehmen.

Anne-Friederike Heinrich, Mückebär und die Suche nach dem geraubten Winter, BoD 2020; 164 Seiten mit S/W-Illustrationen von Anna Markfort, 17 × 22 cm, ISBN 978-3-752-61135-9. Das Buch eignet sich für Kinder ab 6 bis ca.12 Jahre. Es kann in Buchhandlungen oder online bestellt werden. www.kinderbuch-afheinrich.com/neu