«Es ist eine komplexe Vorlage»

Erstellt von Manuela Moser |
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Die Alters- und Gesundheitsversorgung der Gemeinde Küsnacht soll in eine gemeinnützige AG überführt werden. Abgestimmt wird im Frühling 2023. Gemeinderätin Susanna Schubiger (GLP) ist zurzeit auf grosser Erklärungstour.

Das Gesundheitsnetz Küsnacht – also die gesamte Alters- und Gesundheitsversorgung der Gemeinde sowie die Spitex – soll in eine gemeinnützige AG überführt werden. Dazu haben Sie als Gesundheitsvorsteherin kürzlich diverse Dialogabende bestritten. Wer wurde dazu eingeladen?

Die ganze Bevölkerung. Einmal kamen 32 Leute ins reformierte Kirchgemeindehaus, das andere Mal 30 ins Gesundheitszentrum Tägerhalde nach Itschnach. Am dritten Abend wurden die Ergebnisse der Inputs 70 Anwesenden vorgestellt.

Warum ist für Sie die gemeinnützige AG die richtige Organisationsform?

Wir haben alle möglichen Organisationsformen überprüft – die gemeinnützige Aktiengesellschaft kurz gemeinnützige AG – bietet am meisten Beweglichkeit und belässt die Kontrolle über die Aktien zu 100 Prozent im Besitz der Gemeinde. Es ist übrigens auch die häufigste Form der Verselbstständigung bei anderen Gemeinden, die sich im gleichen Veränderungsprozess befinden wie wir.

Welche Veränderungen meinen Sie?

Die Leute bleiben immer länger zu Hause und wollen ambulante Pflege in Anspruch nehmen. War das Eintrittsalter ins Altersheim früher um die 75, so ist es heute um die 90. So verwandeln sich die gängigen Altersheime immer mehr in Pflegeheime. Gleichzeitig leben in 30 Jahren in Küsnacht rund doppelt so viele ältere Menschen wie heute. All das bedingt, dass wir neue Angebote aufbauen und viel Neues entwickeln müssen, damit die älteren Menschen zu Hause bleiben können. Daher ist es sinnvoll, das Gesundheitsnetz aus dem öffentlichen Recht – dem Besitz der Gemeinde – in eine privatrechtliche Organisationsform – eben die gemeinnützige AG – zu bringen. 

... weil?

Weil nur so können wir selber aktiv auf dem Markt werden und das zukünftig nötige Angebot mitgestalten. Als Organisation der Gemeinde sind uns unternehmerische Grenzen gesetzt, weil sie im Gegensatz zur gemeinnützigen AG mit Steuergeldern operiert.

In der Bevölkerung gibt es aber viel Unbehagen, das widerspiegelt sich auch in den Einsendungen an diese Zeitung. Die Vorlage habe ein paar «klumpige Pferdefüsse» – stimmt das?

Ich ärgere mich über die Falschaussagen in einem konkreten Leserbrief – da steht, Küsnacht führe keine Altersheime mehr. Das ist ein grosses Missverständnis. Was ich sagte, war, dass die Menschen schon heute im frühen Rentenalter nicht mehr in ein Altersheim gehen, sondern so lange wie möglich zu Hause bleiben möchten. Daraus ergibt sich der Bedarf nach Pflegeheimen anstatt Altersheimen. Das ist in der ganzen Schweiz der Fall. An den Dialogabenden durften alle ihr Unbehagen äussern, darum ging es ja. Wir haben zugehört und suchen nun nach Kompromissen. Wir sind mitten in diesem Prozess. 

Die grösste Sorge scheint die verlorene Mitbestimmung bei einer Rechtsform wie der gemeinnützigen AG zu sein. Darauf reagieren Sie nun laut neuster Medienmitteilung mit einem Beirat aus der Bevölkerung, der ein Mitspracherecht erhalten soll. Wie sieht das genau aus?

Der Beirat würde aus zirka zehn Mitgliedern bestehen, darunter Vertreter aus Altersorganisationen wie Pro Senectute, Senioren für Senioren oder der Kirche. Zweitens aus Bewohnerinnen oder Bewohnern von Alters- beziehungsweise Pflegeheimen und aus interessierten Leuten aus der Bevölkerung. 

Hätte der Beirat auch etwas zu sagen? 

Ja, an den Beiratssitzungen nehmen auch der Geschäftsführer und ein Verwaltungsratsmitglied teil. Es fliessen Informationen auf beiden Seiten, man kann Ideen und Feedbacks einbringen. Der Beirat hat ein Antragsrecht an den Verwaltungsrat. 

Bleibt auch das demokratische Recht der Bevölkerung gewährleistet, bei allen wichtigen Geschäften wie zum Beispiel Statutenänderungen, Kreditaufnahmen oder sehr grossen Ausgaben mitzubestimmen?

Das sind wir nun am erörtern, rechtlich und auch unternehmerisch. Besonders die Parteien haben auf diese Frage ein Augenmerk gelegt, bis Ende August konnte man sich ja bei der Gemeinde zur Vorlage äussern. Kritisch liess sich vor allem die SP vernehmen, positiv waren die FDP, GLP, EVP und die Grünen, letztere haben sich schliesslich für die Stimmfreigabe entschieden. Die SVP sowie das Bürgerforum sprachen sich ebenfalls für eine gemeinnützige AG aus, allerdings eben mit diesem Aber, dass die demokratischen Rechte gewährleistet bleiben. Wir werden jetzt alles abklären und mit den Parteien im Dialog bleiben – etwas aufpassen müssen wir allerdings schon, dass die gemeinnützige AG kein Knebelvertrag wird. Sie soll ja agil und produktiv bleiben. 

Behält die RPK weiterhin Einblick in die Buchhaltung des Gesundheitsnetzes?

Wenn sie vorige Zeit hat, gern. Nein im Ernst: Es geht auch darum, Doppelspurigkeiten zu verhindern. Die Zahlen im Gesundheitswesen sind sehr komplex. In ­einer gemeinnützigen AG braucht es so oder so eine externe Revisionsstelle mit speziellem Know-how in der Pflegefinanzierung. Wir verschliessen uns aber sicher nicht unserer internen RPK und suchen auch mit ihr nach sinnvollen Lösungen. 

Offen ist auch, ob die Gemeinde das Land und die Gebäude – vorwiegend das Gesundheitszentrum Tägerhalde und die geplanten Wohnungen mit Service im Wangensbach und Tägermoos – selbst in der Hand behält und nur im Baurecht an die AG abgibt. Das wäre, wie Sie selber festgestellt haben, für viele Küsnachterinnen und Küsnachter wichtig.

Ja, diese Sorge haben wir tatsächlich an den Dialogabenden oft gehört und wollen ihr Rechnung tragen. Wir werden dem Gemeinderat wohl vorschlagen, zwei Varianten zur Abstimmung zu bringen: Einmal ein Ja oder Nein zur gemeinnützigen AG, und dann ein Ja oder Nein zur vollen Übertragung der Liegenschaften oder eben im Baurecht. Man muss einfach aufpassen, dass die Vorlage noch verständlich bleibt.

Wer sitzt dereinst im Verwaltungsrat?

Auch hier waren viele Ängste spürbar bei den Feedbackrunden mit der Bevölkerung, beispielsweise dass es zu Machtspielen der Politik im Verwaltungsrat kommt. Wir haben nun den Kriterienkatalog ausgearbeitet: Es wird fünf Verwaltungsräte geben. Vier aus je einem Fachbereich von Medizin/Pflege, Baubereich, Finanzbereich und Unternehmertum sowie einem delegierten Gemeinderat oder einer Gemeinderätin. Neben dem Verwaltungsrat gibt es eine delegierte weitere Gemeinderätin oder einen Gemeinderat für die Aktionärsvertretung mit einer Kontrollfunktion an der Generalversammlung.

Wird die AG denn Gewinne ausschütten?

Eben nicht! Eine gemeinnützige AG darf gar keinen Gewinn erwirtschaften und ist gleichzeitig auch von einer Steuerabgabe befreit. Was allenfalls als kleines Plus eingenommen wird, muss reinvestiert werden in die Qualität des Altersangebots oder Deckung vorhergehender Defizite.Der Verwaltungsrat hat dafür eine Sorgfaltspflicht mit hoher Verantwortung. Sollten trotzdem Gewinne erwirtschaftet werden, wird die gemeinnützige AG mit hohen Nachsteuern abgestraft. Der Anreiz steht deshalb für die Erwirtschaftung von hoher Pflege- und Betreuungsqualität und nicht für Gewinne.

Wird die Gesundheitsbetreuung teurer? 

Sie sollte nicht teurer werden, denn wir können von vielen Synergien profitieren. Beispielsweise wird es nur noch ein Informatiksystem für alle geben, nur noch eine Geschäftsleitung, eine Buchhaltung und so weiter. Dass aber das Gesundheitswesen allgemein teurer wird – nicht nur in Küsnacht, ob mit oder ohne Gesundheitsnetz –, das liegt auf der Hand. Man beachte nur die zurzeit rasant steigenden Löhne in der Branche. 

Werden künftig noch alle Küsnachterinen und Küsnachter, die in ein Altersheim wollen, aufgenommen?

Selbstverständlich. Das Gesundheitsnetz unterhält mit der Gemeinde eine Leistungsvereinbarung und hält sich an ihre Aufnahmepflicht. Wichtig ist zu wissen: Das Gesundheitsnetz muss für alle betagten Menschen in Küsnacht erschwinglich sein. Alle werden aufgenommen. Es soll also allen älteren Menschen in Küsnacht möglich sein, in Küsnacht zu bleiben und auf professionelle Pflege- und Betreuung zählen zu können. Für Ergänzungsleistungsbezüger sind aktuell neue bezahlbare Wohnungen mit Dienstleistung im Wangensbach und Tägermoos geplant. 

Sie bemühen sich um den Dialog, stehen für persönliche Sprechstunden zur Verfügung. Ein Werbevideo erklärt das Vorhaben online. Will man in Sachen Kommunikation nun alles richtig machen?

Wir wissen, dass es sich um eine komplexe Vorlage handelt und es deshalb ­einen anderen Ansatz an Kommunikation braucht. Deshalb arbeiten wir dieses Mal auch sehr partizipierend. Wir bleiben mit den Parteien im Gespräch, und es wird auch noch mehr Informationen für die Bevölkerung Anfang Jahr geben, bevor es im März 2023 an die Urne geht.

Demnächst soll von den Gegnern der Vorlage eine Gegeninitiative eingereicht werden (Anm. der Redaktion: gestern Mittwoch nach Redaktionsschluss, Bericht im nächsten «Küsnachter»). Es sollen auch Paralleldiskussionsabende zu den Ihren stattgefunden haben. Was wissen Sie darüber? 

Ich habe von der Initiative gehört. Da die Initiative aber noch nicht offiziell eingereicht wurde, halte ich mich noch zurück. 

Was, falls Ihre Vorlage abgelehnt wird, gibt es für Alternativen?

Es gibt keine Alternativen. Diese Vorlage ist nun das Beste, was wir ausarbeiten konnten, und entspricht dem State of the Art. Markus Leser, Geschäftsleiter von Curaviva, sagte an unserem politischen Themenabend, die Verselbstständigung der Altersversorgung sei keine Innovation mehr, sondern einfach eine Notwendigkeit. Ohne wird es nicht möglich sein, den wachsenden Anforderungen mit kreativen Lösungen entgegenzutreten und vor allem proaktiv vorausschauend handeln zu können. Nach proaktivem kommt eben reaktives Handeln, nachhaltige Politik sollte diesen Zustand verhindern.

Die aktuelle Medienmitteilung «Ergebnisse der Dialogabende mit der Bevölkerung bekannt» ist auf der Website der Gemeinde Küsnacht abrufbar.