GV segnet «Am Marktplatz» ab

Erstellt von Manuela Moser |
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Die Küsnachterinnen und Küsnachter haben entschieden: Die Gemeinde verkauft ihre beiden kleinen Parzellen an die Noldin Immobilien AG. Damit kann das alte Postgebäude beim Bahnhof umgebaut und vergrössert werden.

249 Stimmberechtigte sassen am Montag in der Küsnachter Heslihalle, um über drei Geschäfte zu bestimmen. Man hätte meinen können, dass vor allem Punkt 3 – der private Gestaltungsplan «Am Marktplatz» der Firma Noldin Immobilien AG – für breite Diskussionen sorgen würde. Tat er dann auch – aber genauso lange wurde über das Budget 2024 beziehungsweise über die beantragte Steuersenkung um 2 Prozentpunkte auf 73 Prozent diskutiert.

Steuern senken um 2 Prozent

Gemeindepräsident und Finanzvorsteher a.  i., Markus Ernst (FDP), präsentierte eine «kerngesunde Bilanz», wie er ausführte, welche aus 188 Millionen Franken Eigenkapital besteht und keine langfristig verzinsliche Schulden aufweist. Hohe Investitionen stünden in den nächsten Jahren an mit dem Bau einer neuen Dreifachturnhalle (mit 15 Millionen Franken budgetiert), dann diverse Neubauprojekte für das Gesundheitsnetz Küsnacht (14,8 Millionen Franken) sowie eine Gesamtsanierung des Schulhauses Itschnach (10,4 Millionen Franken). 

«Unsere finanzpolitischen Ziele können wir auch mit 73 Prozent Steuer­punkten erreichen», versicherte im anschliessenden Votum der Präsident der Rechnungsprüfungskommission (RPK), Tim Dührkoop. Mit Blick auf die guten Rechnungsabschlüsse der vergangenen Jahre plädierte er gegen «Steuern auf Vorrat» und meinte vertrauensschaffend: «Die Steuersenkung können wir uns problemlos leisten.» Vorweg nahm er die Bedenken, die in den Leserbriefen in den Lokalzeitungen geäussert worden waren: «Wir ziehen damit auch keine Reiche an, denn wegen 2 Prozent weniger zieht man nicht nach Küsnacht, sondern immer noch nach Wollerau oder Zug.» Küsnacht sei ein toller Ort zum Wohnen, nicht vorwiegend wegen der Steuern, sondern weil es «ein tolles Dorf mit einem Zusammenhalt» sei. «Wir gehen hier gemeinsam und respektvoll in politische Prozesse hinein.» Zum Schluss ermahnte Dührkoop dann aber doch, die Kosten stets im Auge zu behalten. «Nicht ohne Risiken» sei es nämlich, dass die Kosten gerade im Altersbereich steigen, «wo sie jetzt aber weniger sichtbar sind», weil ausgelagert in die ­Gesundheitsnetz AG. Aber auch die Schule bliebe ein wichtiger, aber schwer plan­barer Budgetposten.

Die Versammlung folgte dem Antrag der Gemeinde schliesslich mit zwei ­Gegenstimmen und zwei Enthaltungen. Zuvor waren aber einige Votanten ans Rednerpult geschritten und hatten entweder ihren Zuspruch oder ihre Bedenken geäussert. Zu Letzteren zählte Rosa Hess von der Vereinigung Rotgrünplus. Sie ­monierte, es sei jetzt schon die zweite Steuersenkung innert zwei Jahren. «Dabei profitieren nur wenige Reiche davon», so Hess, und man könnte das Geld besser beispielsweise in Solarprojekte investieren. «Das Geld sollte in die Gemeinde in­vestiert werden», forderte sie. Anderer Meinung war Peter Klauser von der Mitte-Partei: «Keine Steuern auf Vorrat», war sein Schlagwort. Gleichzeitig meldete sich eine junge Küsnachterin zu Wort, gerade mal 18-jährig, und plädierte dafür, dass Steuerpolitik nie ein Sparprogramm sein dürfe.

Traktandum 2: Abfall

Die neue Abfallverordnung schliesslich wurde von Claudio Durisch (parteilos) vorgestellt, der als neuer Tiefbau- und ­Sicherheitsvorsteher vor der versammelten Gemeinde seine Premiere hatte. «Die Totalrevision ist nötig, weil das Reglement bereits 23-jährig ist», erklärte er plausibel.  Und wies auf die augenfälligste Veränderung hin: Neu werden Abfallsünder mit einer Busse von 150 Franken zur Kasse ­gebeten. Drei Anträge der SVP Küsnacht, vorgetragen von Vorstandsmitglied York Peter Meyer, wurden jedoch abgelehnt. Es ging bei den Anträgen vorwiegend um juristische Ausdrücke und deren sprachliche Präzisierung.

«Am Marktplatz» kommt

Schliesslich präsentierte Hochbauvorstand Gauthier Rüegg (FDP) den privaten Gestaltungsplan «Am Marktplatz» der Noldin Immobilien AG. Diese will ausserhalb des Regelbaus – deshalb braucht es den privaten Gestaltungsplan – das alte Postgebäude beim Bahnhof um drei Stockwerte erweitern und einen Neubau erstellen. Angepasst und erweitert um die Informationen, die am äusserst kontroversen Themenabend von vor drei Wochen aus der Bevölkerung aufgekommen waren, sprach Rüegg nun vor versammelter Gemeinde gleich direkt die heiklen Punkt an: Ja, die Gemeinde wird zwei Parzellen an die Noldin AG verkaufen («es sind aber die zwei kleinsten, die dritte und grösste gehört der Noldin AG»), und ja, der Verkaufspreis beträgt «nur» 280 000 Franken (was einen geringen Landpreis ausmacht, «aber die Gemeinde verkauft nicht zu billig», sondern sie könne mit ihren zwei kleinen Parzellen  von lediglich 39 und 155 Quadratmetern selber nichts anfangen und nun dank des Dienstbarkeitsvertrags immerhin die Trafostation der eigenen Netzanstalt im Untergeschoss platzieren, alles auf Kosten der Noldin AG. Und, so Rüegg: «Wir haben ausgehandelt, dass das Erdgeschoss von 144 Quadratmetern ausschliesslich Gewerbefläche bleibt.»  Der Hochbauvor­steher betonte auch, dass zusätzlich zum Verkaufspreis ein Betrag von 350 000 Franken ausgehandelt wurde, der von der Noldin AG an die Gemeinde fliesst. Die Abgabe werde diese in die Aufwertung der Um­gebung einsetzen, so Rüegg weiter.

«Keine Autos, nur glückliche Spaziergänger», meinte Votant Reinhard Wolf mit spitzer Zunge, als er schliesslich ­gegen das Geschäft ans Rednerpult trat. «Dabei lappt auf der Visualisierung der Architekten der Marktstand rechts direkt auf die Strasse und auf der andern Seite in die Unterführung.» Ihm kann man an dem Ort tatsächlich nichts vormachen: «Ich kenne das Gebäude sehr gut», meinte Wolf. Schliesslich war er es, der damals das alte Postgebäude von der PTT übernommen und 2000 seine Papeterie an den nächsten Mieter, an Köhler, übergeben hatte. 

Abstimmung recht knapp: 119 zu 88

Andreas Wolf schritt nach seinem Bruder vor die Versammlung und brauchte deutliche Worte zum Weisungstext der Gemeinde: «Er ist inhaltlich ungenügend», kritisierte er scharf. So werde mit keinem Wort erwähnt, dass die Ladefläche im Erdgeschoss nach dem Umbau nur noch knapp die Hälfte betrage (einer der Gründe, warum es fraglich ist, ob die Papeterie Köhler bleiben kann, braucht sie doch ein grosses Lager). Auch seien die «erheblichen Vorteile für die Bevölkerung» nicht ersichtlich. «Braucht die Bevölkerung an zentraler Lage wirklich Wohnraum?», frage er in die Runde und schloss mit den Worten: «Der Inhalt der Weisung ist nicht wahrheitsgetreu, sondern sie wurde als Propagandainstument für die Noldin AG missbraucht. Das hat mit Sachpolitik nichts zu tun.» 

Die Versammlung stimmte dem pri­vaten Gestaltungsplan schliesslich mit 119 zu 88 Stimmen zu.