Mehr bieten, aber zu welchem Preis?

Erstellt von Dennis Baumann |
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Ein Jahr ist vergangen, seitdem das Kafi Carl in Küsnacht Kulturanlässe anbieten kann. Trotz inkonstanter Besucherzahlen glauben die Betreibenden weiterhin an ihr Konzept.

«Mehr als nur ein Café sein», so lautete die Devise von Matthias Schmutz und Chantal Wiebach, den Gastgebern des Kafi Carl in Küsnacht. Mit verschiedenen kulturellen Darbietungen über das Jahr verteilt wollte sich das Café von der Konkurrenz abheben. Auf den ersten Blick scheint das bislang problemlos zu klappen. Der Veranstaltungskalender füllt sich und die Anlässe werden besucht. Allerdings schwanken die Besucherzahlen von Veranstaltung zu Veranstaltung, sodass das Konzept rein wirtschaftlich noch nicht rentiert. 

Emotionaler Gewinn

Nun ist es ein Jahr her, seitdem das Kafi Carl nach den ersten Lockerungen bei den Coronamassnahmen sein Kulturprogramm aufnehmen konnte. Auf einen erfolgreichen Start in die Herbst- und Wintersaison folgte ein durchwachsener Jahreswechsel. Ein Vortrag des Moderators und Buchautors Patrick Rohr mit 40 ausverkauften Plätzen bildete den bisherigen Höhepunkt für die Veranstalter.

Doch gegen Frühling und Sommer 2022 wechselte das Bild. Viele Anlässe empfingen nur eine Handvoll Gäste. Ein für die Veranstalter enttäuschendes Beispiel war etwa der Auftritt des Kommunikationswissenschaftlers Marko Kovic. «Da schafften wir es, eine TV-Persönlichkeit zu bringen, und am Ende kamen nur acht Gäste. Zu Beginn war das schon sehr ernüchternd», sagt Chantal Wiebach. Aus finanzieller Sicht ist das ein Problem. Die Kulturschaffenden werden mit einer Gage entlöhnt. Diese finanziert sich aus den Ticketverkäufen. 

Bisher musste das Café allerdings des Öfteren aus der eigenen Tasche dazuzahlen, um die Veranstaltungen durchführen zu können. Bei knapp der Hälfte aller 17 Anlässe konnten Schmutz und Wiebach auf die Unterstützung zweier Stiftungen zählen. «Das ist nicht selbstverständlich. Wir sind sehr dankbar dafür», so die beiden Café-Betreiber. 

Schmutz und Wiebach ziehen aber auch Positives aus dieser Situation. «Weil so wenige Leute anwesend sind, kommt eine viel intimere Atmosphäre zustande. Es entstehen spannende und vertiefte Diskussionen. Das lässt sich in Geld nicht messen», sagt Matthias Schmutz. Ehefrau und Mitbetreiberin Chantal Wiebach geht mit ihm einig: «Monetär ist es ein Verlust, aber emotional klar ein Gewinn.»

Mehr Einnahmen dank Kollekte

So halten die beiden Wirte an ihrer Idee, Kulturanlässe anzubieten, weiterhin fest. Einige Anpassungen fallen dennoch an. Um die wirtschaftliche Situation zu verbessern, finanzieren die Betreiber ihre Anlässe von nun an lediglich mit einer Kollekte. Gleichzeitig fallen die Eintrittsgelder für die Gäste weg. Das Modell wurde bereits ausgetestet. Bei einem Konzert im letzten Jahr kam diese Idee sowohl bei den Musikern wie auch bei den Besucherinnen und Besuchern gut an. 

«Es hat sich auch herausgestellt, dass über die Kollekte mehr Geld zusammenkommt, als wenn wir Eintritt verlangen», sagt Wiebach. Schwierig werde es jedoch, auf prominentere Persönlichkeiten zurückzugreifen, erklärt sie weiter: «Wir haben es noch nicht probiert. Je nachdem müssen wir auch Mischlösungen finden, etwa Gage und Kollekte miteinander kombinieren.» 

Die Vielfalt an Darbietungen möchten die Gastgeber aufrechterhalten, auch wenn es heisst, dass die Besucherzahlen inkonstant bleiben. Inzwischen haben Schmutz und Wiebach in Erfahrung gebracht, was besser funktioniert und was nicht. «Uns ist klar, dass für einen Vortrag weniger Leute bereit sind, spontan vorbeizukommen als bei einem Konzert. Vielleicht wird es in Zukunft etwas mehr Musik geben, aber die Abwechslung wollen wir nicht aufgeben», so Schmutz. 

Als Kulturstandort etabliert

Als Schmutz und Wiebach mit dem Café vor mehr als einem Jahr starteten, war die Gastronomiebranche für sie Neuland. Im Zuge der Pandemie war mangelnde Planbarkeit eine Hauptsorge der Betreiber. Obwohl die beiden Gastgeber in dieser Zeit einiges dazugelernt haben, sei der Alltag nach wie vor unberechenbar, sagt Matthias Schmutz: «Die Planung fällt uns immer noch schwer. An einem Tag verkaufen wir 15 Menüs, am nächsten nicht einmal die Hälfte.» Gleichzeitig steigen die Kosten überall an, für das Café etwa bei den Lieferanten, den Energie- und Personalkosten.

Trotz vieler Sorgen schauen Schmutz und Wiebach positiv in die Zukunft. Vereins-, Geburtstags- und Weihnachtsessen gehören seit Neuem auch zum Geschäft. Weiter etabliert sich das Café langsam zu einer Bühne, die bei den Kulturschaffenden bekannter wird. Im Juni erhielten die Veranstalter zum ersten Mal eine Anfrage für einen Auftritt. «Seither sind immer mehr Personen auf uns zugekommen. Deswegen glauben wir, dass wir uns trotz allem immer noch auf dem richtigen Weg befinden», so Schmutz und Wiebach.