Mit klarem Blick durch die Welt

Erstellt von Isabella Seemann |
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Auch mit bald 85 Jahren sind die Kreativität und die Neugier von Hannelore Fischer Knuth ungebrochen. Am Montag liest die Schauspielerin und Autorin in der Bibliothek Küsnacht aus ihrem neuen Buch «Zwischen Wien und Sils Maria».

Ein kleines Mädchen hockte in Wien zwischen den Trümmern und träumte von Buttertorte. Von den Grossen hatte es gehört, es gäbe ein Land mit Bergen und Seen, ohne Krieg. Dort wollte es leben. Und einen Schweizer heiraten. Die Träume gingen in einen grossen Wunschpott.

Rund achtzig Jahre später sitzt Hannelore Fischer in der legendären Zürcher Kronenhalle bei Tee und Griesschöpfli zum Interview anlässlich der Publikation ihres neuen Geschichtenbands «Zwischen Wien und Sils Maria», das sie in der Bibliothek Küsnacht vorstellen wird. Ist man wunschlos, wenn die Lebenswünsche in Erfüllung gegangen sind? «Hat Sehnsucht mit Wünschen zu tun?», fragt sie zurück. Auch nach fast sechs Jahrzehnten in der Schweiz, davon die meiste Zeit in Küsnacht, sagt sie: «Im Herzen bin ich Wienerin geblieben – bei allem Abgründigen, das Wien ausmacht». Die Schweiz sei für sie ein Sanatorium. «Hier wurde ich geheilt.» Zwischen ihren Heimaten Österreich und Schweiz, zwischen Erhabenem und Abgründigem, zwischen Humor und Melancholie – in diesen Spannungsfeldern sind auch ihre Erzählungen entstanden, die sie in ihrem neuen Buch sammelt. Zum Schreiben aber hat sie erst spät gefunden.

Traum vom Schauspielern

Hannelore Fischer, im August 1938 in Wien geboren als Tochter eines hohen Beamten und einer Hausfrau, wollte als junges Mädchen nur eines: schauspielern, wie ihr Onkel Otto, O. W. Fischer, in der Nachkriegszeit einer der berühmtesten Kinostars des deutschsprachigen Films, der mit seinem österreichischen Charme ein Millionenpublikum eroberte. «Auch ich habe ihn bewundert», sagt sie und fügt halb schalkhaft, halb selbstreflektierend dazu, «vielleicht rührte mein Wunsch, Schauspielerin zu werden daher, selber bewundert werden zu wollen.» 

Das Theater habe sie magisch angezogen, zugleich ahnte sie bereits, was der Erfolg mit einem Menschen machen könnte. Eine arrogante und unnahbare Bühnendiva wollte sie nie werden. Als sie nach der Schule mit ihrem Berufswunsch ernst machte, hiess es, sie solle zuerst «etwas Sicheres» lernen. Also lernte sie Kindergärtnerin und bewarb sich heimlich, mit der gefälschten Unterschrift der Mutter, auf einen der wenigen und heiss begehrten Plätze am Max-Reinhardt-Seminar. Sie bewies nicht nur Eigenwilligkeit und gute Nerven, sondern auch Talent. Prompt wurde sie aufgenommen. «Es war ein Triumph für mich!», erinnert sie sich – und schliesslich war auch die Familie stolz drauf.

Schicksalhafte Begegnung

An der renommierten Wiener Schauspielschule wurde sie nicht nur zusammen mit zukünftigen Theaterstars von den Besten des Fachs unterrichtet, sie lernte dort auch Klaus Knuth kennen, der als Sohn des Volksschauspielers Gustav Knuth in Küsnacht aufgewachsen war. «Klaus war anders, bescheiden und nahbar, das gefiel mir.» Klaus Knuth wurde ihr Ehemann, mit dem sie bis zu seinem Tod vor elf Jahren zusammenblieb. Ein Abschied, der sie immer noch schmerzt.

Zusammen begannen sie eine vagabundierende Bühnenkarriere, die sie an nahezu jedes namhafte deutschsprachige Theater und letztlich beide ins Ensemble des Schauspielhauses Zürich führte. Kaum eine Frauenrolle, die für Lorli Fischer, so ihr Bühnenname, zu klein oder zu gross gewesen wäre. Geträumt hatte sie zwar von den tragischen Frauenrollen wie der «Julia», «aber man attestierte mir Begabung vor allem in der Komödie», lacht sie. In den heiteren Stücken von Shakespeare wie «Viel Lärm um nichts», spielte sie, ebenso in der Uraufführung der Komödie «Meteor» von Friedrich Dürrenmatt, über den sie, unter seinem Bild in der Kronenhalle sitzend, amüsante Anekdoten zu erzählen weiss.

Nachdem ihre Tochter Nicole zur Welt gekommen war, die heute – kaum verwunderlich als Spross zweier Schauspielerfamilien – ebenfalls als Schauspielerin, Regisseurin und Theatererfinderin tätig ist, beschloss Hannelore Fischer, das Ensemble des Schauspielhauses Zürich zu verlassen und als Künstlerin eigene Wege zu gehen. «Eine Unlust hatte sich in mir breit gemacht», erklärt sie. «Ich wollte andere Seiten von mir kennen lernen, selber schöpferisch tätig sein.» 

Sie eröffnete in Küsnacht eine Galerie, blieb dem Theaterspiel aber verbunden, indem sie an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich «Burghölzli» mit den Patienten Theater spielte. Eine intensive Erfahrung, die sie nicht missen möchte. «Und so viel anders als bei der Konkurrenz am Pfauen war es da auch nicht», sagt sie und schmunzelt über die Eitelkeit des Menschen. Theaterarbeit macht sie weiterhin, heute mit ukrainischen Flüchtlingen in Küsnacht. Doch entwickelte sie auch eigene Theaterprojekte und fand über die Theaterimprovisationen schliesslich zum Schreiben. 

Neun Bücher, Kurzgeschichten, Dramolette und sogar einen Theaterthriller, hat sie mittlerweile veröffentlicht. Der Weg zur eigenen Kreativität lag aber durchaus nicht wie ein ausgerollter roter Teppich vor ihr, den sie bloss zu überschreiten hatte. 

Dem Leben mutig und neugierig entgegenzutreten, sich Ängsten zu stellen, dazu brauche man manchmal Unterstützung. «Die Begegnung mit der Psychoanalyse hat mir geholfen, verschlossene Türen zu öffnen», sagt Hannelore Fischer offen und ehrlich, auch um «diesen spannenden Weg» zu enttabuisieren. Der inneren Reise widmet sich die Autorin, so viel verrät sie schon mal, auch ihrem nächsten literarischen Projekt.

 

Buchvorstellung «Zwischen Wien und Sils Maria» mit Hannelore Fischer Knuth und Marie-Helen Lüchinger: Montag, 3. April, 15.30 Uhr, in der Bibliothek Küsnacht, Seestrasse 123, 8700 Küsnacht, Telefon 044 910 80 36, bibliothek@kuesnacht.ch. Anschliessend Kaffee und Kuchen mit Wiener Kaffeehaus-Musik, gespielt von Vlad Havruk (Geige).