Muggel spielen den Zauberer-Sport Quidditch auch in Zürich

Erstellt von Anna-Sofia Schaller |
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Der Zauberer-Sport Quidditch erlangte im Zuge der Harry-Potter-Serie weltweite Bekanntheit – und wird auch von Zürcher Muggeln gespielt. Nächste Woche finden die Europameisterschaften statt. Lokalinfo hat die Zürcher Quidditch-Mannschaft Turicum Thunderbirds beim Training besucht.

Expelliarmus! So lautet der aus dem Harry-Potter-Universum bekannte Entwaffnungszauber. Entwaffnend dürfte für so manchen «Potterhead», wie Fans von Harry Potter mitunter genannt werden, auch der Kinostart von «Phantastische Tierwesen: Dumbledores Geheimnisse» in der vergangenen Woche gewesen sein. Der neue Film ist ein Prequel zur seit über zwanzig Jahren weltweit Wellen schlagenden Harry-Potter-Serie. Für hiesige Potter-Fans gibt es dieser Tage aber noch mehr Grund zur Freude.

Am 23. und 24. April wird die stadteigene Quidditch-Mannschaft, die «Turicum Thunderbirds», an der achten Quidditch-Europameisterschaft in der norditalienischen Stadt Brescia teilnehmen. Die Turicum Thunderbirds sind eines von sechs schweizerischen Quidditch-Teams und derzeit amtierende Schweizermeister. Seit 2018 sind die Thunderbirds als offizieller Verein registriert und betreiben den Zauberer-Sport mit grossem Einsatz. Ursprünglich ist die Zauberersportart Quidditch eine Erfindung der Bestsellerautorin J. K. Rowling. In den Harry-Potter-Büchern flitzen Harry und Co. auf Besen durchs Stadion und jagen eigens zu ­Spielzwecken verhexte Bälle über das Spielfeld, um sowohl Tore als auch den match­entscheidenden «Schnatz»-Fang zu erzielen. Eine Umsetzung der Sportart für «Muggel», also für Menschen, die keine magischen Fähigkeiten besitzen, scheint auf den ersten Blick undenkbar. Doch dem ist nicht so.

Quidditch für Muggel

Ausgehend von den USA wird der Fantasy-Sport seit 2005 immer weiter vorangetrieben, unterdessen wird Quidditch in 40 Ländern gespielt und ist weltweit institutionalisiert worden. In einem über 200 Seiten langen Regelwerk fasst die International Quidditch Association (IQA) die Spielregeln der Muggel-Version zusammen. Diese ist stark an Rowlings ­Variante angelehnt, nur wenige Aspekte sind zwecks besserer Spielbarkeit angepasst worden.

So wurde Muggel-Quidditch in seinen Anfängen noch in wallenden Zauberer-Umhängen gespielt. Da es sich bei Quidditch jedoch um eine Vollkontaktsportart handelt, gefährdeten diese die Sicherheit der Spieler und wurden durch ein praxistauglicheres Sporttenue ersetzt. Der augenscheinlichste Unterschied zum Zauberer-Sport ist, dass Muggel-Quidditch nicht auf fliegenden Besen in der Luft, sondern auf langen Plastikstäben am Boden gespielt wird. Sollte man während des Spiels den Kontakt zum Plastikbesen, dem «Broom», verlieren, ist man «off broom» und vorübergehend ausser Gefecht. «Die sportliche Herausforderung im Quidditch sind die Brooms. So wie man im Fussball den Ball nur mit dem Fuss berühren darf, ist es bei uns der Broom, der die Sportart anspruchsvoll zu spielen macht», erklärt Jannis Grimm, Präsident des Stadtzürcher Quidditch-Vereins «Turicum Thunderbirds» und Internationaler Delegierter des Schweizerischen Quidditchverbands, gegenüber Lokalinfo.

Achtung vor den Klatschern

«Quidditch ist eine Vollkontaktsportart und hat taktisch viel zu bieten», so Grimm weiter. «Es ist, als würden drei unterschiedliche Sportarten parallel gespielt werden, wobei diese aber zusammenarbeiten müssen, damit es funktioniert.» Laut Grimm weist Muggel-Quidditch gewisse Parallelen zu den Muggel-Sportarten Handball, Völkerball und Rugby auf. Auf dem Spielfeld spielen pro Team jeweils sieben Spielerinnen und Spieler, wobei es vier verschiedenen Spielfeldposi­tionen gibt. Die drei Jäger versuchen die Quaffel durch die «Hoops», die an Plastikstangen angebrachten Torringe, zu befördern. Dabei müssen sie am Hüter vorbeikommen, der für die Bewachung der Hoops zuständig ist. Dabei spielt es keine Rolle, von welcher Seite her der Quaffel durch die Torringe fliegt. Ein Tor gibt 10 Punkte.

Parallel zum Spiel der Jäger versuchen die Treiber, die gegnerischen Spieler mit dem Klatscher zu treffen und somit «off broom» zu setzen. Um wieder mitspielen zu dürfen, muss der vom Klatscher getroffene Spieler zu den Ringen der eigenen Mannschaft rennen und diese kurz berühren. Nebst Jäger, Hüter und Treiber gibt es pro Mannschaft zudem einen Sucher. Seine Aufgabe besteht darin, den Schnatz zu fangen. In der Harry-Potter-­Serie handelt es sich dabei um einen goldenen Ball mit silbernen Flügeln, der durch die Luft flattert. Beim Muggel-Quidditch wird mit einem in eine Socke gestopften Tennisball gespielt, der an der Hose eines unabhängigen Spielers, des sogenannten Schnatz-Läufers (Snitch Runner), befestigt ist. Somit ist der Schnatz im Muggel-Quidditch deutlich einfacher zu fangen, weshalb ein Schnatz-Fang auch nur 30 Punkte statt wie bei Harry Potter 150 Punkte gibt. Ist der Schnatz gefangen, ist das Spiel vorbei. Die Mannschaft, die den Schnatz gefangen hat, ist aber nicht zwangsläufig der Sieger. Gewonnen hat die Mannschaft mit den meisten Punkten. Da alleine der Schnatz-Fang über das Spielende entscheidet, gibt es bei einem Quidditch-Match keine fixe Spieldauer.

Da der Schnatz-Läufer das Spielfeld erst nach 18 Minuten betritt, ist eine Spieldauer von weniger als 18 Minuten ausgeschlossen. Im Durchschnitt dauert ein Match etwas länger als 30 Minuten. Thunderbirds-Präsident Grimm betont, dass diese taktischen Besonderheiten die Sportart über den Harry-Potter-Horizont aus erweiterten und darum auch viele Sportbegeisterte ohne Bezug zur Fantasy­-Reihe fasziniere.

Quidditch steht auch für Inklusion

Ein weiterer Grund für die wachsende Resonanz auf die Sportart ist auch ihr Fokus auf Gleichstellung. «Inklusion ist ein zentraler Wert der International Quidditch Association (IQA) und des Sports Quidditch», heisst es in einem Dokument der IQA. Handfest gemacht wird die Absicht insbesondere an der «Gender Rule». Die Geschlechterrichtlinie gibt vor, dass pro Team maximal vier Personen des gleichen Geschlechts mitspielen dürfen. Ausschlaggebend ist dabei das selbstidentifizierte Geschlecht.

Laut Grimm ist Quidditch als eine geschlechterdurchmischte Vollkontaktsportart weltweit einzigartig. Dadurch spricht der von Muggeln betriebene Zauberer-Sport insbesondere auch Sportlerinnen und Sportler an, die aufgrund ihrer Sexualität und Geschlechtsidentität in anderen Sportarten Diskriminierung erfahren haben. Zumal Inklusion ein nicht verhandelbarer Quidditch-Wert ist, wird aktuell die Debatte geführt, ob sich Quidditch zu einem eigenständigen Sport emanzipieren soll. Auch eine Namensänderung wird in Erwägung gezogen. Grund für die mögliche Distanzierung von Harry Potter sind die transfeindlichen Äusserungen, mit welchen J. K. Rowling 2020 auf Twitter für Furore gesorgt hat. «Dies stimmt mit unseren Quidditch-Werten gar nicht überein», sagt Thunderbirds-Präsident Grimm. Rowling erntete damals auch von den Harry-Potter-Darstellern Daniel Radcliffe und Emma Watson scharfe Kritik.

Zauberer-Sport im Aufschwung

Das Zürcher Muggel-Quidditch-Team der Turicum Thunderbirds hat Grosses vor. Langfristig verfolgen sie das Ziel, sportlich noch weiter zuzulegen, um in Europa kompetitiv mithalten zu können. Noch erhoffen sie sich laut Grimm am dies­jährigen European Quidditch Cup keine Spitzenplatzierung. Am Turnier werden voraussichtlich insbesondere englische, französische und belgische Teams den Ton angeben. Unter anderem hält England, Harry Potters Heimat, mit besonders harten Gegnern Einzug in die Meisterschaften. An vergangenen Cups haben auch französische und belgische Teams eine bemerkenswert souveräne Leistung gezeigt. Viele europäische Quidditch-Vereine seien den hiesigen Thunderbirds sportlich noch ein Stück weit überlegen, schweizweit gehören sie dennoch zu den Besten.

Zweifelsohne befindet sich die Sportart im Aufschwung, was sich auch inZürich an den Turicum Thunderbirds ­beobachten lässt. Quidditch scheint ein globaler Trend zu sein. Ob sich die Sportart aber gänzlich von der inspirations­gebenden Harry-Potter-Serie loslösen wird, bleibt abzuwarten.

 

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