Petra Ivanov gewinnt den Krimipreis

Erstellt von Karin Steiner |
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Es geht um häusliche Gewalt, eine Entführung und schliesslich um einen Mordfall: Zum zweiten Mal durfte Petra Ivanov für ihren Krimi «Stumme Schreie» den mit 3000 Franken dotierten Zürcher Krimipreis in Empfang nehmen. Der Preis wurde zum 12. Mal vergeben.

Die Kultbuchhandlung und Bar «sphères» in Zürich West waren bis auf den letzten Platz gefüllt. Auf der Bühne sassen für einmal ausschliesslich Krimiautorinnen: Die zehnköpfige Jury des Zürcher Krimipreises hatte ihre Werke als die spannendsten, am besten geschriebenen und das Zürcher Lokal­kolorit am meisten widerspiegelnde auserkoren. Moderiert wurde der Anlass von Marco Caduff und untermalt von Livemusik. Verschiedene Ausschnitte aus den ­nominierten Büchern trug die Schauspielerin Heidi Ulfig vor.

Historische und aktuelle Themen

Im Rennen waren Gabriela Kasperski mit «Zürcher Filz», Eva Ashinze mit «Winterthur 1937» und Petra Ivanov mit «Stumme Schreie». Die Themen, mit denen sich die drei Autorinnen befassten, hätten unterschiedlicher nicht sein können: Eva Ashinze setzte sich akribisch mit der Stadt Winterthur im Jahr 1937 auseinander, mit der Vorkriegszeit, als die nazitreuen Frontisten noch selbstverständlich im Gemeinderat sassen. Gabriela Kasperski deckte Skandale im Zürcher Wohnungsfilz auf und ging der Frage nach, wie weit Menschen gehen können, um zu ihrer Traumwohnung zu gelangen, und Petra Ivanov setzte sich mit häuslicher Gewalt und der Frage nach der Rolle, welche die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Kesb dabei spielt, auseinander.

Ein Leben mit Cavalli und Flint

In «Stumme Schreie» schickt Petra Ivanov ihr Ermittlerpaar Bruno Cavalli und Regina Flint zum neunten Mal auf Täter­suche. Ein Junge aus der Kita von Flints Tochter ist verschwunden. Die Mutter ist nicht aufzufinden, der gewalttätige Vater wettert von Kindesentführung. Zwei Menschen verschwinden, es gibt einen Mordfall und die Kesb wird eingeschaltet. «Ich wollte die Arbeit der Behörden objektiv darstellen, wollte nicht werten, ob sie gut oder schlecht ist», sagt Petra Ivanov, die für das Buch wie gewohnt akribisch recherchiert und auch der Kesb über die Schulter geblickt hat.

Die Autorin ist bekannt dafür, dass in ihren Büchern alles bis ins letzte Detail stimmt. «Ich schreibe aus der Sicht von Figuren, deren Beruf ich nicht kenne. Weil ich für mich den Anspruch habe, dass die Abläufe der Realität entsprechen, nehme ich an Anlässen der Staatsanwaltschaft und der Polizei teil und bekomme stets grosse Unterstützung.» Petra Ivanov schreibt seit 2005 Kriminalromane und Jugendbücher und hat schon zahlreiche Preise gewonnen. 2005 ist der erste Krimi aus der Cavalli und Flint-Reihe «Fremde Hände» erschienen. Seitdem ist das Ermittlerpaar zu einem Teil ihres Lebens geworden. «Ich kenne die beiden inzwischen sehr gut», sagt sie schmunzelnd. «Sie sind immer da, sie entwickeln sich und ihr Leben verändert sich. Durch das Schreiben kann ich in ­andere Welten und Themen eintauchen, die Geschichte entwickelt sich dann selbstständig», sagt sie.

Nach einer musikalischen Einlage wurde es mäuschenstill im «sphères», als Moderator Marco Caduff zum Umschlag griff und den Namen der Siegerin verkündete. Und gross war die Freude von Petra Ivanov über ihren zweiten Sieg. Ihre Konkurrentin Gabriela Kasperski, die selber nicht zum ersten Mal zu den Nominierten gehörte, mochte ihr den Sieg ehrlich gönnen, denn schliesslich sind die beiden Autorinnen auch privat befreundet.

«Es regt zum Nachdenken an»

«Von den 17 Krimis, die wir gelesen haben, waren die drei Nominierten schnell ermittelt», sagte Jurymitglied Thom Linder, der die Laudatio hielt. «Aber mit der Siegerin taten wir uns schwerer. Der Kriminalroman von Petra Ivanov ist ein komplexer Fall mit Kindesentführung und Behördenarbeit, es steckt sehr viel Fachwissen darin. Man spürt, dass die Autorin in der Geschichte lebt, es treten auch ­Figuren aus früheren Fällen auf. Sie wertet nicht, sie beschreibt die Hintergründe. Das Buch ist hervorragend geschrieben und regt zum Nachdenken an.»

«Ich möchte den Menschen in meinen Büchern ein Gesicht geben», sagte Petra Ivanov in ihrer Dankesrede. «Auf den Fall kam ich durch eine Freundin, die bei der Kesb arbeitet und der ich über die Schulter schauen durfte. Diese Arbeit ist nicht einfach – rückblickend beurteilt man manches anders als im Augenblick des Geschehens.» Inzwischen ist «Stumme Schreie» für die Autorin längst Vergangenheit, bereits ist sie in einen neuen Kriminalfall von Cavalli und Flint verstrickt.

Zürcher Krimipreis zum 12.

Der Zürcher Krimipreis wurde dieses Jahr zum 12. Mal vergeben. Er entstand damals aus der Lesereihe «Krimi am Fluss» in Wipkingen, einer Coproduktion des Gemeinschaftszentrums und des Quartiervereins Wipkingen. Der Verein «Zürcher Krimipreis» gewährleistet die Durchführung des Anlasses. Die nächste Preisverleihung findet in zwei Jahren statt.