«Tina Turner war eine Botschafterin für unser Dorf»

Erstellt von Daniel J. Schüz |
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Gemeindepräsident Markus Ernst erinnert sich an seine berühmteste Mitbürgerin in Küsnacht: Tina Turner, die vor einer Woche im Alter von 83 Jahren starb, wohnte mit ­ihrem Ehemann Erwin Bach 25 Jahre lang im «Château Algonquin» an der Seestrasse.

Markus Enrst, was fällt Ihnen zuerst ein, wenn Sie an Tina Turner denken?

Markus Ernst: Die «Tina»! So heisst unser Seerettungsschiff. Es wurde am 6. April 2013 in Dienst gestellt. Tina Turner war bei der Schiffstaufe die Patin – und ich sollte als frisch gewählter Gemeindepräsident die passenden Worte dazu finden.

Was haben Sie denn gesagt?

Wörtlich weiss ich das nicht mehr, ist ja auch schon zehn Jahre her; zweifellos habe ich meine Freude darüber ausgedrückt, dass ein Weltstar wie Tina Turner ein Schiff tauft, das Menschen in Seenot retten wird.

Wie haben Sie Tina Turner damals wahrgenommen?

Sehr unkompliziert, sehr nahbar, humorvoll und bescheiden – ohne jegliche Starallüren. Sie spazierte nach dem Anlass Arm in Arm mit ihrem Ehemann am See entlang nach Hause.

In jener Zeit hat sich die gebürtige Amerikanerin in Küsnacht einbürgern lassen und das Schweizer Bürgerrecht erhalten. Ist sie als prominenteste Küsnachterin bevorzugt behandelt worden?

Keineswegs! Die Kommission, der ich im Übrigen nicht angehörte, hat bei Tina Turner das übliche Verfahren angewendet, dem sich jeder und jede andere Einbürgerungswillige unterziehen muss. 

Haben Sie sie auch privat im Schloss ­Algonquin besucht?

Zum ersten Mal war das ein Jahr später, als sie der Gemeinde eine neue Weihnachtsbeleuchtung stiften wollte. Sie hat uns eingeladen, um die Einzelheiten dieses Projektes zu besprechen und aus verschiedenen Varianten die passende auszuwählen. Zwei Jahre später, an ihrem 75. Geburtstag, hat sie die Beleuchtung an der Seestrasse erstrahlen lassen.

Das Geburtstagskind beschert seiner Wohngemeinde ein 250  000-Franken-Geschenk. Was wollte sie uns wohl sagen mit achtzig leuchtenden Kränzen, die an ihren Titelsong im James-Bond-Film «Golden Eye» erinnern?

Ich denke, sie wollte ihre Dankbarkeit zum Ausdruck bringen. Sie hat sich sehr wohl gefühlt in unserer Gemeinde, konnte sich im öffentlichen Raum bewegen, ohne um Selfies oder Autogramme angegangen zu werden. Wie viele Prominente war sie froh, dass in der Schweiz kein Personenkult betrieben wird. Vor allem hat sie bei jeder Gelegenheit betont, dass sie nicht nur eine Schweizerin geworden sei, sondern mit Leib und Seele auch eine Küsnachterin – das war ihr offenbar wichtig. 

In der «Schweizer Illustrierten» ist zu lesen, dass die Gemeinde Tina Turner ehren will, indem die «goldenen Augen» für einmal nicht zur Adventszeit, sondern mitten im Frühling leuchten sollen. Wir hatten am Donnerstag die Idee, zumindest auf Höhe Ihres Zuhauses die Lichter für sie leuchten zu lassen.

Wäre es jetzt nicht angebracht, dass die Gemeinde eine Umbenennung vornimmt und erwägt, wo künftig ein Weg, eine Strasse oder ein Platz ihren Tina Turners Namen tragen wird?

In dieser Zeit der Trauer stehen solche Überlegungen nicht an erster Stelle. Ob eine Strasse oder ein Platz oder eine Konzertveranstaltung künftig nach ihr benannt werden oder ihrem Gedenken gewidmet sein soll, werden wir zu gegebener Zeit mit den Angehörigen besprechen.

Wissen Sie, was Ines Kaindl-Benes, die VR-Präsidentin der Swiss Krono Group und Besitzerin des Schlosses Algonquin, nun mit dem Anwesen vorhat?

Zu Privatangelegenheiten äussere ich mich nicht.

Die Rede ist von der Errichtung eines Tina-Turner-Museums. Dazu wäre aber wohl eine Umzonung erforderlich ...

Auch Gerüchte kommentiere ich nicht.

Was bedeutet es für die Gemeinde, dass mit Tina Turners Tod die wichtigste Steuerquelle versiegt?

Ich weiss nicht, wer in Küsnacht wie viele Steuern bezahlt. Ich weiss aber, dass das Steuersubstrat unserer Gemeinde nicht von einzelnen Personen abhängt – und die Bedeutung von Tina Turner als prägende Künstlerin und Inspiration in vielerlei Hinsicht ist so gross, dass sie über ihren Tod hinaus eine Botschafterin für unsere Gemeinde bleibt. Finanzielle Aspekte standen nie im Vordergrund.

Was bedeutet Tina Turners Tod für Sie ganz persönlich?

Betroffenheit –  es ist ein Verlust, für mich ebenso wie für unzählige Menschen auf der Welt. Ihre Musik hat mich seit meiner Jugend durchs Leben begleitet; ich werde ihre Lieder künftig mit anderen Gefühlen hören – und mit der Zeit wird das Gefühl der Dankbarkeit helfen, die Trauer zu überwinden. Ihre Stimme hat sie unsterblich gemacht.