Wenn das Gartenidyll gestört wird

Erstellt von Céline Geneviève Sallustio |
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Die Erlibacher Volksbühne setzt mit «Verschrobeni Gärte» ein Stück helvetische Tradition in Szene. Ein Mikrokosmos, in dem festgefahrene Regeln und innigste Träume aufeinandertreffen. Mit von der Partie ist auch Lia Flückiger, die erst zehnjährige Schülerin aus Erlenbach.

Schrebergärten prägen die Schweizer Identität wie Schokolade, Käse und Ski fahren. Idyllisch reihen sich die begrünten Parzellen am Rande der hiesigen Städte aneinander. Doch was passiert, wenn die konventionellen Regeln und Ordnungen der Kleingartenidylle infrage gestellt werden? 

Dieser Frage geht das neue Stück «Verschrobeni Gärte» der Erlibacher Volksbühne nach: Die Kleingartensiedlung «Abigfriede» ist eine Schrebergartensiedlung, wie sie mancherorts in der Schweiz zu finden ist. Doch die vermeintliche Harmonie im Garten Eden wird gestört, als «eine alte schrullige Frau dem Schrebergarten beitritt», sagt die Regisseurin Nathalie Portmann im Saal des «Erlibacherhofs» am Abend vor der Probe. 

«Störenfried» Martha Adler

Der Störenfried heisst Martha Adler und wird von Gisela Butenberg gespielt. «Mit ihrem Alter und der einhergehenden Lebenserfahrung hat Martha Narrenfreiheit und bringt somit frischen Wind in die festgefahrene Gärtner-Gesellschaft», sagt die 46-Jährige weiter. Mit ihrer ungewöhnlichen Art ecke sie bei den anderen an. Aber nicht nur: «Sie ermutigt die Gärtner-Gesellschaft auch, sich aus ihrem engen und steifen Korsett zu befreien und sich zu fragen: Was will ich eigentlich? Was ist mein innigster Wunsch?» 

Die grossen Fragen nach den eigenen Träumen und Sehnsüchten spielen sich im Mikrokosmos Schrebergarten ab. Diese Fragen sollen auch das Publikum erreichen, hofft Portmann: «Mit dem Stück möchte ich einen Raum schaffen, in dem sich das Publikum mit seinen eigenen Bedürfnissen und der inneren Freiheit auseinandersetzt.» 

Ein neues junges Gesicht

Beim neuesten Werk der Erlibacher Volksbühne spielen 16 Personen mit – darunter auch alteingesessene Mitglieder. Doch das Publikum darf sich ebenfalls auf ein neues Gesicht freuen: Lia Flückiger ist zehn Jahre alt und steht mit dem Stück «Verschrobeni Gärte» zum ersten Mal auf der Bühne. 

«Als ich das Theater das erste Mal gesehen habe, habe ich mir gedacht, da möchte ich auch mal mitspielen», sagt Lia nach der Probe. Und wie gefällt es ihr? «Super! Es ist wie eine Familie auf der Bühne.» Man helfe sich beim Text lernen, beim Proben und spreche sich gegenseitig Mut zu. Für ihre Rolle als Emma Hueber, eine eigensinnige Tochter, hat Lia ein Halstuch um die Stirn gebunden. Diese Rolle findet Lia super: «Es ist megacool, Emma zu spielen, weil sie sich nicht an die Regeln hält.» Emmas Eltern fände Lia eher anstrengend, «aber», meint sie schmunzelnd, «das finde ich meine eigenen ja teilweise auch.» 

Die Idee für das Stück sucht die Regisseurin jeweils ab April. Im Juli und August befasse sie sich dann mit dem Personenbeschrieb. Nicht nur die Idee, sondern auch die Texte stammen aus ihrer Feder. Dass Lia bei diesem Stück mitmache, habe den Schreibprozess verschönert: «Ein Kind kann eine ehrlichere und tiefere Wahrheit vermitteln als ein Erwachsener – sowohl auf als auch neben der Bühne.» 

Jedem sein Gärtchen

Die Vereinspräsidentin Johanna Vogt-Stierli vergleicht ihr neues Werk mit einer üppigen englischen Staudenrabatte: klar strukturiert wie die fein säuberlich eingezäunten Gärtchen im Schrebergarten und doch so kunterbunt wie die Persönlichkeiten der jeweiligen Besitzer. Für das Bühnenbild ist die 55-Jährige ebenfalls verantwortlich. Mit ihrem handwerklichen Geschick gestaltet sie das Bühnenbild aktiv mit. Schwer herstellbare ­Kulissen werden vom Repertoire eines Theaterfundus geliefert oder von diesem eigens für die Produktion erstellt. Von der Skizze zum Bühnenbild: diesen Prozess mitzuerleben findet die gelernte Gärtnerin fantastisch. 

Aber sie schwärmt auch von dem guten Team der Erlibacher Volksbühne, der tollen Zusammenarbeit und der Wertschätzung. «Jeder bei uns wird herzlich aufgenommen.» Das ist auch ihre erhoffte Botschaft vom aktuellen Stück: «Jeder soll den anderen Leben lassen – auch wenn man noch so verschieden ist.»

Premiere «Verschrobeni Gärte» im «Erlibacherhof»: Samstag, 21. Januar, Vorstellung um 20 Uhr; Theaterbistro zwei Stunden vor Vorstellungsbeginn geöffnet. Ort: Seestrasse 83, 8703 Erlenbach. Weitere Details und Spieldaten auf erlibacher-volksbuehne.ch/auffuehrung/