Werweissen rund ums Globus-Provisorium

Erstellt von Lorenz Steinmann |
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«Fehlplanung mit Langzeitwirkung», ­titelte die Architekturzeitschrift «Hochparterre» schon vor 18 Jahren. «Um die ­Zukunft des Papierwerd-Areals an der Zürcher Bahnhofbrücke wird seit Jahrzehnten gerungen. Einst wollte das Volk die ‹Freie Limmat›. Doch als die Bauten aus dem Fluss geräumt waren, entpuppte sich dies als Fehler», heisst es in einem lesenswerten Artikel, der die Chronologie gut wiedergibt.

Nun will die Stadt, nach einem politischen Vorstoss der GLP von 2013, endlich vorwärtsmachen. Im Frühling 2022 soll dazu ein Dialogverfahren starten. Es nennt sich «Forum Papierwerd». Die interessierte Öffentlichkeit kann sich an der Zukunftsplanung beteiligen, die Anmeldefrist wurde bis kommenden Sonntag verlängert (siehe «Nachgefragt»). Damit will die Stadt Zürich für die Zukunft des Papierwerd-Areals mit dem heutigen ­Globus-Provisorium eine grundlegende Auslegeordnung vornehmen. Die Vorbereitungs- und Konzeptionsphasen sind fast abgeschlossen. Damit startet im Frühling 2022 das Dialogverfahren «Forum ­Papierwerd», der eigentliche Kern des Prozesses.  Im «Forum Papierwerd» diskutieren Fachpersonen aus verschiedenen ­Disziplinen, Vertretungen von Politik, ­Vereinen, Organisationen und Verbänden sowie Bewohnerinnen und Bewohner von Zürich in mehreren Veranstaltungen ­Fragen zur künftigen Bedeutung und ­Nutzung des Papierwerd-Areals. Geprüft werden sollen verschiedene Szenarien von Erhalt, Neubau, Platz oder Kombinationen davon. Die Ergebnisse des Forums bilden die Grundlage für die Strategie des Stadtrats für diesen Ort. Zurzeit werden die rund sechzig Teilnehmenden von der Stadt Zürich eingeladen. Für die Gruppe «Bewohnerinnen und Bewohner» können sich interessierte Person wie erwähnt via Webseite noch bis am 16. Januar 2022 bewerben.

Paralleler Masterplan HB/Central

Im Gebiet rund um den Hauptbahnhof und das Central entwickelt die Stadt ­Zürich unter der Federführung des Tiefbauamts einen Masterplan HB/Central, ein Zukunftsbild für verkehrliche und stadträumliche Planungen. Die Ansätze aus dieser übergeordneten Betrachtung werden in die Diskussionen im «Forum Papierwerd» einfliessen. Sie stellen aber keine Vorwegnahme der Beratungen des Forums dar, wie es in einer Medienmit­teilung heisst.

Jahrhundertelang genutzt

Am 15. Mai 1320 wird erstmals der «Werdsteg» urkundlich erwähnt, der als niederer Mühlesteg das rechte Limmatufer (Limmatquai) mit den ehemaligen fünf Mühlen auf der Flussinsel verband. Auf dieser waren auch Papiermühlen angesiedelt, wie bereits auf dem Murerplan (1576) zu erkennen ist. 1948 nahmen die Stimm­bürger der Stadt den Kredit für die Neugestaltung von Bahnhofplatz, Bahnhofbrücke und Leonhardplatz, dem späteren Central, an. 1950 wurde das Globus-Warenhaus abgebrochen sowie der trockengelegte Limmatarm zur Strassenunterführung umgebaut. Diese Arbeiten waren Voraussetzung für den Neubau der Bahnhofbrücke Zürich. 1951 wurde ein geplanter Neubau des Globus-Warenhauses, um einen freien Limmatraum zu gewinnen, in einer Volksabstimmung abgelehnt. Stattdessen erfolgte der Bau eines Provisoriums. (pd.)

Das Papierwerd-Areal im Jahr 1950. Wenige Jahre später wurde der Limmatseitenarm zu einer Strasse umfunktioniert. Bild Baugeschichtliches Archiv

Nachgefragt

«Die uns vorliegenden Bewerbungen deckten nur gewisse Gruppen ab»

Meret Peter*, war das Interesse bisher so klein, dass die Frist fürs Mitmachen durch die Bevölkerung verlängert wurde? Oder war die Personengruppe nicht ausgewogen genug wie gewünscht?

Wir hatten genügend Bewerbungen erhalten, um die 9 Plätze zu füllen. Es geht bei der Besetzung des Forums Papierwerd bei allen Gruppen, auch derjenigen der Bevölkerung, darum, dass wir eine möglichst breite Repräsentation von verschiedenen Bürgerinnen und Bürgern abbilden können. Die uns bis Dezember vorliegenden Bewerbungen deckten aber nur gewisse Gruppen ab, weshalb wir die Aufforderung zur Bewerbung nochmals breiter streuen wollten und deshalb die Frist bis Mitte Januar verlängert haben.

Wird der Planungsprozess intern geleitet oder wird ein externes Büro beigezogen? Wenn ja, welches?

Für die Durchführung des Prozesses ­werden zwei Fachbüros beigezogen. ­Einerseits zur Verfahrens- und Prozessunterstützung sowie Moderation und andererseits zur Plan- und Modellbearbeitung bzw. grafischen Umsetzung und Aufbereitung der Ergebnisse. Die Auslegeordnung zur Zukunft des Papierwerd-Areals entwerfen aber die rund 60 Teilnehmenden im Forum Papierwerd.

Wie hoch ist das Budget dieses Prozesses?

Gerne verweisen wir auf die Weisung des Stadtrats vom 4. März 2020, die vom Gemeinderat am 30. September 2020 angenommen wurde. Darin sind die veranschlagten Kosten für den Prozess ersichtlich (insgesamt Fr. 540 000.–).

Als wie wichtig erachtet es das Amt für Städtebau, dass der Bau einer Stadtautobahn anstelle des Limmatseitenarms in den 1950er-Jahren redimensioniert wird?

Der Prozess des Forums Papierwerd hat zum Ziel, mit rund 60 Teilnehmenden, aufgeteilt in sechs Gruppen, alle baulichen Varianten für die Zukunft des ­Papierwerd-Areals zu diskutieren und eine Auslegeordnung zu erstellen. Die-ser Prozess ist ergebnisoffen, weshalb das Amt für Städtebau keine vorgefasste Meinung dazu hat. Es gilt aber selbstverständlich gewisse Rahmenbedingungen bei der Diskussion zu berücksichtigen.

Worum geht es denn hauptsächlich?

Vor allem um die baukünstlerische und gesellschaftliche Bedeutung des Globusprovisoriums, den Bauzustand des Gebäudes, zeitliche Abhängigkeiten (aufgrund bestehender Raumnutzungen) und das Thema Gewässerschutz. Die Ergebnisse des Forums werden anschliessend in einem Bericht mit Handlungsempfehlungen zusammengestellt und dem Stadtrat vorgelegt. Der Bericht bildet die Grundlage für eine gesamtheitliche Interessenabwägung und einen breit abgestützten Entscheid des Stadtrats über die Zukunft des Areals. (ls.)

* Meret Peter ist Leiterin Kommunikation des federführenden Amts für Städtebau. Das Interview wurde schriftlich geführt.

Die Aufnahme von etwa 1910 zeigt, wie intensiv das Gebiet früher genutzt wurde. Im mittleren Haus war der Globus domiziliert.Bild ETH-Foto-Archiv