«Wir konnten Vorteile einhandeln»

Erstellt von Manuela Moser |
Zurück

Die Noldin Immoblien AG will das alte Postgebäude beim Bahnhof umbauen. Der private Gestaltungsplan kommt am Montag vor die Gemeindeversammlung. Was haben die Küsnachterinnen und Küsnachter vom Geschäft? 

Am kürzlichen politischen Themenabend war – nebst drei weiteren – auch dieses Geschäft heiss diskutiert: die Genehmigung des Privaten Gestaltungsplans «Am Marktplatz». Kurz erklärt: Das ehemalige Postgebäude, in dem heute die Papeterie Köhler daheim ist, soll um drei Geschosse mit sechs Wohnungen im oberen Preissegment aufgestockt werden. Zusätzlich will die Eigentümerin des Grundstücks, die Zürcher Noldin Immobilien AG, einen Neubau an der Poststrasse mit drei Wohneinheiten erstellen; die Gemeinde würde ihr hierfür ihre Parzellen abtreten. Ein privater Gestaltungsplan war deshalb erforderlich, weil das Vorhaben der Noldin AG nicht konform ist in Bezug auf die Bau- und Zonenordnung. Unter dem Strich wäre für das Gewerbe aber weniger Platz im neuen Haus, dafür wird der Vorplatz – auf dem jeweils von März bis Anfang Dezember der kleine Gemüse- und Früchtemarkt stattfindet – aufgewertet. 

Die Frage, ob die Papeterie Köhler, die gut verankert ist im Dorf, unter diesen engeren Platzverhältnissen bleiben kann, war am Themenabend noch offen. Wir haben kurz vor der Versammlung nochmals bei Hochbauvorsteher Gauthier Rüegg (FDP) nachgefragt. Die Ortsparteien haben inzwischen alle ihre Parolen gefasst. Für die Genehmigung des privaten Gestaltungsplans sind SVP, FDP, GLP, EVP und die Mitte-Partei; Grüne und SP setzen auf Stimmfreigabe, und keine Empfehlung gibt das Bürgerforum ab. 

Gauthier Rüegg, die Frage interessiert im Dorf am meisten: Kann die Papeterie Köhler bleiben? 

Neues gibt es dazu nicht, die Noldin Immobilien AG als Grundeigentümerin und Vermieterin ist mit der Papeterie Köhler als Mieterin weiter im Gespräch. Die Gemeinde übernimmt dabei eine Vermittlerrolle und setzt sich klar für den Verbleib der Papeterie Köhler im Zentrum Küsnachts ein. Das Mietverhältnis ist jedoch eine Angelegenheit zwischen den beiden Parteien. Der Gemeinderat hat dank des Sondernutzungsplans in den Bestimmungen des Gestaltungsplans aber einfordern beziehungsweise erreichen können, dass das Erdgeschoss nicht für Wohnungen genutzt werden darf, sondern weiterhin dem Gewerbe zur Verfügung steht. Diese Bedingung hätte ohne Gestaltungsplan nicht eingefordert werden können.

Am Themenabend wurde kritisiert, dass der Kaufpreis von 280   000 Franken für das Land, welches die Noldin Immobilien AG der Gemeinde abkauft, zu tief sei. 

Die Noldin Immobilien AG hat mit der Netzanstalt Küsnacht einen Kauf- und Dienstbarkeitsvertrag über die beiden Grundstücke mit einer Fläche von 39 Quadratmetern beziehungsweise 155 Quadratmetern abgeschlossen. Die Noldin AG bezahlt der Netzanstalt netto rund 280 000 Franken. Zusätzlich räumt sie ihr eine Dienstbarkeit auf dem Grundstück ein über 60 000 Franken und kommt für die Abbruchkosten auf im Wert von rund 40 000 Franken. Sie erstellt zudem auf eigene Kosten den neuen Traforaum im Wert von rund 200 000 Franken. Die Netzanstalt hat für die Berechnungen einen Landwert von 2200 Franken pro Quadratmeter eingesetzt. 

Das ist aber deutlich weniger als der übliche Landpreis, der sonst im teuren Immobilienmarkt von Küsnacht gilt.

Ja, aber diesem tieferen Wert liegt der Umstand zugrunde, dass die Netzanstalt aufgrund der geltenden Bauordnung, insbesondere der Grenzabstände, auf den kleinen Grundstücken selber keine zusätzliche Baute realisieren kann. 

An der GV soll Hans-Peter Amrein, ehemaliger SVP-Präsident und Kantonsrat, einen Rückweisungsantrag planen. 

Der Gemeindeversammlung ist es verwehrt, einen privaten Gestaltungsplan zum Beispiel zur Überarbeitung zurückzuweisen. Die Gemeindeversammlung kann den privaten Gestaltungsplan entweder als Ganzes annehmen oder ablehnen. Änderungsanträge sind nicht möglich.

Welche Chancen räumen Sie dem Geschäft ein? 

Das wird sich an der Gemeindeversammlung zeigen. Wenn die Versammlung den privaten Gestaltungsplan ablehnt, gelten weiterhin die gängigen Spielregeln und Bestimmungen der geltenden Bau- und Zonenordnung, und die Noldin Immobilien AG könnte beispielsweise nach der Regelbauweise ein Bauprojekt ausarbeiten und zur Bewilligung einreichen oder einen angepassten privaten Gestaltungsplan erarbeiten lassen. Letztlich entscheidet die Eigentümerschaft beziehungsweise der Bauherr über das weitere planungs- und baurechtliche Vorgehen.

Wenn das Geschäft angenommen wird: Baustart wäre im April 2026, Bezug Ende August 2028. Richtig?

Das ist der vorgesehene und optimale Zeitplan, unter der Voraussetzung, dass weder zum privaten Gestaltungsplan noch zum baurechtlichen Entscheid ein Rechtsmittel ergriffen wird.

Wie stellt sich die Gemeinde dazu, dass Investor Benjamin Noldin am Themenabend betonte, dass Wohnungen im oberen Preissegment entstehen? 

Die Gemeinde kann nur mittels Ablehnung des privaten Gestaltungsplans auf die Wohnpolitik des privaten Bauherrn Einfluss nehmen. Nach Regelbauweise könnte der private Bauherr aber dennoch Wohnungen im oberen Preissegment anbieten. Die Gemeinde hat kein Mittel, um einem privaten Bauherrn die Mietpreise vorzuschreiben. Eine aktive Wohnpolitik verfolgt die Gemeinde über das eigene Immobilienportfolio. 

Zum Schluss: Können Sie nochmals sagen, worin die Vorteile für die Gemeinde bei diesem Geschäft liegen? 

Mit dem privaten Gestaltungsplan konnte die Gemeinde etliche Vorteile einfordern, so zum Beispiel die Sicherung der Gewerbefläche an der Bahnhofstrasse. Diese wäre einerseits nach Regelbauweise nicht möglich gewesen, und andererseits bot sich die Chance, aktiv an zentraler Lage einen Mehrwert zugunsten der Öffentlichkeit zu schaffen. So werden der Marktplatz und die Poststrasse aufgewertet. Zudem leistet die Bauherrschaft gegenüber der Gemeinde eine zusätzliche Abgabe von 350 000 Franken, welche zweckgebunden für im öffentlichen Interesse liegende Aufwertungen in der Umgebung genutzt werden soll. 

Sie meinen damit den Masterplan «Historisches Küsnacht», der schon länger in der Schublade liegt und die Planungsziele für die nächsten 20 Jahre festlegt?

Genau. Wichtige Stichworte sind hier: ein schöner Marktplatz und die historische Achse Bahnhof-Schiffsstation wiederbeleben. Wir bleiben auf jeden Fall dran, dass unser Zentrum auch in Zukunft attraktiv bleibt für uns Küsnachterinnen und Küsnachter und damit für unser Gewerbe.