300 Plakate mit provokativem Potenzial

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50 Jahre nach 1968 – Auftakt weltweiter Rebellion – zeigt das Museum für Gestaltung im Toni-Areal rund 300 internationale Protest-Plakate.

Emotional eindringlich oder rational aufklärerisch begleitet das Protestplakat seit den 1920er-Jahren bis heute das Zeitgeschehen und verleiht dem Widerstand visuellen Ausdruck. Die Plakatsammlung des Museums für Gestaltung gehört weltweit zu den umfangreichsten und bedeutendsten Archiven dieser Art. Sie enthält 330 000 Poster, welche die schweizerische und internationale Geschichte des Plakats von ihren Anfängen bis in die Gegenwart dokumentieren. Die Sammlung umfasst politische, kulturelle und kommerzielle Poster.

Empörung und Aufklärung

In der Ausstellung sind rund 300 internationale Protestplakate zu sehen: von Käthe Kollwitz über Klaus Staeck und Vincent Perrottet bis zu zeitgenössischen politischen Manifesten. Die Schau gliedert sich in fünf Kapitel, die unterschiedliche Bildaussagen von Protestplakaten beleuchten. Sie ist weder eine chronologische Abfolge weltpolitischer Ereignisse, noch will sie einzelne Themen isoliert behandeln, sondern das Widerstandsplakat als Empörung und Aufklärung, Idol und Feindbild, als Aufruf, Zeichen und Symbol zeigen. Die Plakate wollen zu Solidarität und Mitgefühl auffordern. Sie prangern Unrecht an oder geben Zukunftsvisionen ein Gesicht.

John Heartfield (1891–1968), Pionier der Fotomontage, ist berühmt für seine satirischen Protestplakate. Die Botschaften seiner politischen Kunstwerke sind heute so aktuell wie die, die er während des Zweiten Weltkrieges in Deutschland erstellte. Klaus Staeck, Grafiker im Bereich der Politsatire, ist der Tradition John
Heartfields verbunden. Mit Botschaften wie «Ich stelle bloss, ich stelle fest, ich stelle richtig» oder «In jedem Urlaub werden Millionen Deutsche zu Ausländern» ist Staeck in der Plakatschau gleich mehrmals vertreten.

Das französische Grafiker-Kollektiv Grapus macht 1962 Picassos Friedenstaube Beine, und das studentische Pariser Atelier Populaire prangert im heissen Mai 1968 den Einfluss der Medien auf die Gesellschaft an: «On vous intoxique!» («Man vergiftet Sie»), heisst die Warnung.

Einfache Drucke und grossformatige Poster wollen mit ihren Provokationen das jeweils aktuelle Zeitgeschehen beeinflussen, nennen «Ross und Reiter» beim Namen: «Die Bank gewinnt immer», «Rettet den Stauffacher», «Stopp Minarett», «Victory 1945», «Schach der Apartheid», «Es reicht», «Terror – Error» oder «Just say no». Raymond Naef, Tomi Ungerer, Shigeo Fukuda, David Tataover, Steff Geissbühler, Asela Maria Pérez, Luis Veiga, James Victore und viele andere bekommen in der bemerkenswerten Gesamtschau eine Plattform.

Jukebox und Fotowand

Die Plakate werden von Diashows und Websites begleitet. Protestsongs ertönen aus einer Jukebox, auch Videos wichtiger Demonstrationen sind zu sehen. Zudem lädt eine Fotowand Besucherinnen und Besucher dazu ein, offenen Auges durch den öffentlichen Raum zu gehen, dabei Protestäusserungen fotografisch zu dokumentieren und die Aufnahmen für diese Wand einzusenden.
Das «Hüpfspiel» auf der Zeitachse 1920 über die 68er Jahre bis zum Heute zeigt, dass der Kampf zwischen Arm und Reich, Krieg und Frieden, konservativer und liberaler Gesinnung in jeder Generation andauert. Er ändert lediglich den Namen. Die sorgfältig inszenierte Ausstellung ist aktuell, eindrücklich – macht nachdenklich. (E.B. / Foto: zvg.)