Auf geschichtsträchtigem Boden der besonderen Art gebaut ist das Max-Frisch-Bad in Albisrieden: Wo heute im Sommer gesonnt, geplanscht, geschwommen wird, befand sich bis ins 19. Jahrhundert der Stadtzürcher «Galgenhügel».
Im alten Zürich war die Rechtsprechung erbarmungslos und unerbittlich. Selbst kleine Delikte wurden hart bestraft. Die Urteile lauteten: Folter, Auspeitschung, öffentliche Anprangerung, Landesverweis oder Todesstrafe. Dagegen ist der heutige Justizvollzug ein gemütlicher Spaziergang.
24 Stunden Galgenfrist
Der «Wellenberg» galt als ausbruchsicheres Gefängnis. Er stand bis 1887 zwischen der heutigen Münster- und der Quaibrücke in der Limmat und war nur mit einem Boot erreichbar. Im Untergeschoss befanden sich zwei dunkle Löcher ohne Tageslicht, in denen der Gefangene kaum aufrecht stehen konnte. Verpflegung: Wasser und Brot. Das Gericht tagte jeden Mittwoch im Rathaus. Lautete das Urteil auf Hinrichtung durch Ertränken, Verbrennen, Erhängen oder Enthaupten, hatte der Delinquent eine «Galgenfrist» von 24 Stunden, um von seiner Familie Abschied zu nehmen und sich auf seinen letzten Gang vorzubereiten.
Für die «Henkersmahlzeit» zahlte die Stadt Zürich jeweils einen beträchtlichen Betrag. Der Verurteilte zelebrierte zusammen mit Verwandten, Freunden, dem Henker und seinen Richtern sein letztes Mahl, um dann sein Schicksal bereitwillig auf sich zu nehmen. Am Tag der Vollstreckung wurde der Todeskandidat auf einem Karren vom Rathaus über die Gemüsebrücke, Strehlgasse, Rennweg zur Sihlbrücke und weiter zur Richtstätte vor den Toren der Stadt geführt. Beim Rennwegtor reichte man ihm einen letzten «Trunk» – manchmal auch zwei. Das machte den Weg leichter. In der Nacht vor einer Hinrichtung strömten die Schaulustigen bereits zur Hinrichtungsstätte. Wenn uns heute ein «Tatort» am TV Nervenkitzel beschert, war es für die Bürger von anno dazumal eine Live-Exekution. Nach jeder Hinrichtung eilte man stante pede in die Wirtshäuser, wo gezecht, getrunken und gespielt wurde.
Auf dem Schindanger verscharrt
Der Galgen vor den Toren der Stadt beim Letzigraben ist seit dem 14. Jahrhundert dokumentiert. Rund 270 Exekutionen durch den Strang haben dort stattgefunden. Die gehängten Sünder wurden zum Teil erst nach Wochen wieder vom Galgen genommen. Da ihnen ein christliches Begräbnis auf einem Friedhof verwehrt war, verscharrte man sie kurzerhand an Ort und Stelle.
Der letzte Gauner, der am Zürcher Galgen aufgeknüpft wurde, war 1810 der heimatlose Melchior Dürr, Mitglied einer Gaunerbande. Als Warnung an das Volk soll er ganze drei Monate gut sichtbar oben auf dem Moränenhügel von Albisrieden am Galgen gehangen haben.
Vom Galgen zum Pulvermagazin
Der Galgen wurde 1831 im Auftrag der Obrigkeit in einer Nacht-und-Nebel-Aktion durch Sträflinge des Zuchthauses Oetenbach abgebrochen. Wenige Jahre später entstand an seiner Stelle das städtische Pulvermagazin, dessen Mauern wiederum für den Bau des Freibads Letzigraben vor genau 70 Jahren abgebrochen wurden. Davor hatte es längere Zeit leer gestanden. Der Galgen am Letzigraben in Albisrieden war der letzte in der Zürcher Geschichte. Bereits nach der Reformation abgebaut worden war der Galgen des reich begüterten Grossmünsters, der in Fluntern bei der Kreuzung Zürichberg-/Freiestrasse gestanden hatte. Seit 1363 besassen die Chorherren in den ihnen untergebenen Dörfern jeweils «Stock und Galgen», das heisst, sie konnten über Hals und Haupt der Bürger richten. Was sie auch taten. (Elke Baumann)
Wechselhafte Geschichte
Der Hügel, auf dem Architekt und Schriftsteller Max Frisch 1947 das Freibad Letzigraben errichtete, ist seit langem als archäologische Fundstelle bekannt. Bereits 1838 wurden hier Mauerreste einer römischen Villa gefunden.
Bei Grabungen anlässlich der Renovation der denkmalgeschützten Badeanlage 2006 und 2007 stiessen Archäologen auch auf Spuren des einstigen Stadtzürcher Galgens. Zu den Funden – gerade mal einen halben Meter unter der Liegewiese – gehörten die Skelette dreier junger, vermutlich durch den Strang zu Tode gekommener Männer.
Als Wasenplatz (Schindanger) diente der Ort ab 1689 zusätzlich für die Beseitigung von verendeten Tieren. So kamen bei der Grabung auch die Skelette von acht Pferden, einem Maultier und einem Hund zum Vorschein. (mai.)