Nach über 60 Jahren schliessen sich die Curlingvereine auf dem Dolder zusammen. Stolz ist man nicht nur auf die einmalige Lage, sondern auch auf die eigene Steinspielmaschine.
Curling Club Dolder Zürich (CCDZ), das klingt nach Zigarren rauchenden Herren und Damen, die teuren Schmuck tragen. Doch die Curlingbahn auf dem Dolder ist viel weniger elitär, als man denkt. Die Zeiten, in denen man von sogenannten «Göttis» empfohlen wurde und sich an der Generalversammlung persönlich vorstellen musste, sind schon lange vorbei: «Bei uns ist jeder willkommen», sagt Max Gergey. Er ist Präsident des vor kurzem fusionierten CCDZ. Die Leidenschaft für den Mannschaftssport hat er erst spät entdeckt. «Das ist jetzt elf Jahre her», sagt der 49- Jährige nach kurzem Überlegen. Auch Roli Sieg trat dem Verein erst mit knapp 40 Jahren bei. Heute, 15 Jahre später, ist er Hallenchef und verantwortlich für die Eventplanung.
Aus vier mache eins
Bis anhin teilten sich der «Curling Club Züriberg», der «Curling Club Dolder» und der «Curling Club Dolder Turicum» zusammen mit dem Dachverein «Verein Dolder Curlingbahnen » die Curlinghalle auf dem Adlisberg. Da der administrative Aufwand von vier Vereinen unverhältnismässig wurde, haben die vier Vereine fusioniert. Sieg erklärt: «Wollte ein Club einen neuen Fernseher kaufen, musste der Antrag erst in der eigenen Generalversammlung genehmigt und anschliessend noch dem Dachverein vorgelegt werden. Bis die Zusage erfolgte, war die Olympiade bereits Geschichte.» Die Fusion geschah nicht über Nacht, erzählt Gergey: «Ich habe die Aufgabe anfangs etwas unterschätzt. Die Recherche über die rechtlichen Grundlagen benötigte mehr Zeit als gedacht.» Eineinhalb Jahre dauerte die Vorbereitung schliesslich. «Die Zeit war reif für den Zusammenschluss, und die Mitglieder gaben den nötigen Rückhalt», stellt Sieg fest. Durch die Fusion rückt der Verein mit insgesamt 150 Mitgliedern nun näher zusammen. Obschon Curling seit 1998 olympisch ist und die Schweiz seit Beginn vorne mitmischt, gilt der Hallensport noch heute als Randsportart. «Für den Sport ist es ein grosser Vorteil, dass Curling olympisch ist. Wenn die Spiele im Fernsehen gezeigt werden, steigen die Anfragen deutlich», sagt Sieg und bricht gleich eine Lanze für den Eissport: «Curling ist eine der wenigen Wintersportarten, die wetterunabhängig sind, und ich kenne keine andere Teamsportart, bei der man mit 40 problemlos einsteigen kann und die noch dazu gemischt gespielt wird.»
Zielen und auf einem Bein stehen
Dass hinter Curling viel mehr steckt, als nur einen Stein über das Eis gleiten zu lassen, daran lassen die Männer keinen Zweifel: «Beim Curling geht es um Konzentration, Technik, Kondition, Taktik und für das Wischen braucht es etwas Kraft», so der Präsident. «Es ist ein Sport, den jeder ausüben kann. Voraussetzung ist vielleicht, dass man auf einem Bein stehen und einigermassen zielen kann», ergänzt Sieg.
Junge Mitglieder für eine Randsportart wie Curling zu begeistern, ist nicht leicht: «Das Angebot für Kinder und Jugendliche in der Stadt Zürich ist riesig», so Gergey. Nichtsdestotrotz veranstaltet der Club in den Sportferien Kurse speziell für Schulkinder. Ein wichtiges Standbein für den Club sind neben den Curling-Turnieren die Plausch-Curling-Events, welche für Firmen und Privatpersonen angeboten werden: Von Google bis hin zur Zürcher Südkurve, die Dolder-Curlingbahn ist bekannt. Rund 3000 Personen besuchen die Bahn pro Saison.
Einzigartige Lage
Dass der Name Dolder in den Köpfen der Leute eher ein Bild von edlen Oxfordern als bequemen Sportschuhen hervorruft, damit sieht sich der Club immer wieder konfrontiert: «Die Marke Dolder wird automatisch mit kostspielig gleichgestellt. Es ist ein Privileg, diesen Namen tragen zu dürfen, aber die Leute lassen sich dadurch auch etwas verunsichern», erklärt Gergey. Begründet sind diese Vorurteile jedoch nicht: «Unsere Saisonmitgliedschaft beträgt gerade mal 500 Franken», versichert Sieg.
Die Curlinghalle über Zürich wurde in den frühen Sechzigern gebaut und über die Jahre erneuert und erweitert. Aus einer Curlingbahn wurden vier und die zu Beginn noch offene Seite wurde durch eine Fensterfront Richtung Eisfeld hin geschlossen: «Auf dem Eisfeld fanden schon Eishockey-Weltmeisterschaften statt», sagt Sieg nicht ganz ohne Stolz. «Unsere Lage ist einzigartig», sind sich die Männer einig. Die Saison des CCDZ dauert von Oktober bis März und ist somit etwas kürzer als üblich: «Das liegt daran, dass die Kühlanlage an das offene Eisfeld draussen gekoppelt ist. Sobald die Temperaturen zu warm werden, um draussen das Eisfeld zu betreiben, müssen auch wir den Betrieb einstellen », hält Gergey fest. Damit die Curler nicht auf ihren Sport verzichten müssen, hat der Club die Möglichkeit, die Halle von Baden Regio zu nutzen. Dieser hat mit über zehn Monaten eine aussergewöhnlich lange «Eiszeit».
Die Steinspielmaschine erfunden
Die Bahnen werden im Curling noch von Hand präpariert: «Der Eismeister spritzt vor dem Spiel mit einem Schlauch einen Wassernebel auf die Eisschicht. Die Wassertröpfchen gefrieren zu kleinen Tropfen. Anschliessend werden diese Tröpfchen zur Hälfte abgeschnitten. Über diese Tropfen gleitet dann der Stein. So wird seine Bahn kontrollierbarer», erklärt Sieg. Von der angeblichen Wasserschicht, die sich beim schnellen Übers-Eis-Wischen vor dem Stein bildet, will er nichts wissen: «In einem Experiment für die Sendung Einstein hat man die Temperatur des Eises gemessen. Sie lag bei minus 3,6 Grad. Dann wischte man zwölfmal über dieselbe Stelle und mass erneut. Die Temperatur lag nun bei minus 3,2 Grad. Somit immer noch unter dem Gefrierpunkt. Kommt dazu, dass wir beim Spielen nur einmal und nicht zwölfmal über dieselbe Stelle wischen.» Seine Theorie: Beim Wischen werden die Tropfen abgerieben und der Stein hat somit weniger Widerstand.
In der Sendung des Schweizer Fernsehens ging es ausserdem darum, nachzuweisen, wie sehr das Wischen die Länge des Curlingsteins beeinflusst. Den Versuch möglich machte erst eine Erfindung aus Roli Siegs Feder. Die erste Steinspielmaschine dieser Art überhaupt: «Ich wollte eine Möglichkeit schaffen, alle Steine immer gleich schnell abzuspielen. Mit der Maschine beträgt die Abweichung ein paar Tausendstel», sagt er. Damit lassen sich nicht nur die Eigenheiten jedes Steins bestimmen, sondern auch testen, welchen effektiven Einfluss das Wischen auf die Länge und die Laufbahn eines Steins haben. Der Versuch hat gezeigt, dass mit dem Wischen die Bahn des Steins um etwas über drei Meter verlängert werden kann. Dass die über 10 000 Franken teure Steinspielmaschine nun im Museum der Dolder Curlinghalle steht, scheint fast ein wenig traurig, doch für Sieg hat sich seine Erfindung gelohnt: «In der Curlingszene sagen zu können, eine Steinspielmaschine erfunden zu haben,