Geschichten und Schicksale zahlreicher Schweizerinnen und Schweizer, die auf Glückssuche in die Fremde zogen, stehen im Landesmuseum im Zentrum der Sonderausstellung «Weg aus der Schweiz – Auswanderungsgeschichten seit 1848».
Der Traum vom Auswandern geistert bis heute in den Köpfen vieler Schweize-rinnen und Schweizer herum. Bis ins frühe 20. Jahrhundert galt die Schweiz sogar als Auswanderungsland. Viele Landsleute emigrieren aus wirtschaftlicher Not und bekommen Arbeit in Afrika, Asien und Ozeanien, andere finden in den USA, in Kanada oder in Israel eine neue Heimat. Rund elf Prozent Schweizer Bürgerinnen und Bürger leben heute in Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien und Grossbritannien. Geschichten wie die von Simon Guggenheim, der 1847 in Philadelphia ein Handelsunternehmen aufbaut und zu Wohlstand kommt, animiert Männer und Frauen, ihr Glück im Ausland zu suchen. Aber nicht immer verlaufen die Schicksale der Auswanderer erfolgreich. Viele schaffen den Sprung in ein besseres Leben nicht. Sie kehren arm und enttäuscht in die Heimat zurück.
Schweizer rund um den Globus
Mit der Auswanderungswelle der 1880er-Jahre nach Übersee und in europäische Länder beginnt der Bund, die Auswanderung zu steuern. Um die Verbindung der Schweizer zur Heimat und untereinander zu stärken, gründet die Neue Helvetische Gesellschaft im Jahr 1916 die Auslandschweizer-Organisation (ASO). Sie gilt als «Sprachrohr der fünften Schweiz». 1935 kommt mit dem Schweizerischen Kurzwellendienst ein weiteres Kommunikationsmittel hinzu.
Exponate, Fotos, Briefe, Hörstationen und präzise Raumtexte dokumentieren Schicksale von Schweizer/-innen fern der Heimat. Als Besucher tritt man in ihre Fussstapfen und bekommt eine Ahnung von ihrer Begeisterung, ihrer Angst und Unsicherheit. Man erlebt den Abschied und die Hindernisse, aber auch das Abenteuer, die Entdeckungen und die Hoffnung auf ein neues Leben. So etwa Jakob Müller (1857–1922) aus Luzern. Im 19. Jahrhundert macht er als Generaldirektor der Orientbahnen in Istanbul Karriere, oder César Ritz (1850–1918), der Pariser Hotelkönig aus dem Wallis, der nach Paris auswandert und dort neue Massstäbe in der Luxushotellerie setzt.
Reich zurückgekommen
Zu den Porträtierten gehören unter anderen der Bauingenieur Othmar H. Ammann (1879–1965) aus Feuerthalen. Nach seinem Ingenieurstudium am Polytechnikum in Zürich wandert er in die USA aus. Als Chefingenieur von New York prägt Ammann massgeblich die städtebauliche Entwicklung der Stadt. Der Appenzeller Karl Krüsi (1855–1925) reist 1874 nach Sumatra, um dort als Tabakpflanzer zu arbeiten. Bald kann er günstig Land kaufen und baut eine eigene Plantage auf. Nach 19 Jahren verkauft er seinen Besitz und kehrt als reicher Mann in die Schweiz zurück. Der Zürcher Carl Fürchtegott Grob (1830–1894) beginnt ebenfalls in Sumatra als einfacher Tabakpflanzer. 1879 kommt er als einer der reichsten Männer seiner Zeit nach Zürich zurück. An der Zollikerstrasse lässt er 1883 die prachtvolle Villa Patumbah errichten.
Es folgt eine spannende Biografie der nächsten: z. B. Olympe Rittener (geboren 1862, Todesjahr unbekannt). Sie reist 1883 von Payerne aus nach Sibirien, um dort als Gouvernante bei der Familie eines Goldminenbesitzers zu arbeiten. Adèle d’Affry (1836–1879) macht sich in Paris als Künstlerin unter dem Pseudonym Marcello einen Namen oder Beat Richner (1947–2018), bekannt als Beatocello. Richner baut in Phnom Penh, Kambodscha, vier Kinderspitäler auf, in denen Kinder kostenlos medizinische Versorgung erhalten. Bruno Manser (1954–2005), Ursula Andress (geboren 1936), Bruno Ganz (1941–2019), Lotti Latrous (geboren 1953) und andere bringen ihre Zeit zum Sprechen. Fazit nach einer Privatführung für diese Zeitung: Eine umsichtig kuratierte Ausstellung, die man nicht verpassen sollte.
Dauer der Ausstellung bis 24.4. 2022; Öffnungszeiten: Di–Sa, 10.00–17.00 Uhr; Do, 10.00–19.00 Uhr; Eintritt: Fr. 10.–, reduziert Fr. 8.–; Jugendliche bis 16 Jahre haben freien Eintritt; www.landesmuseum.ch