Aufsichtskommission empfiehlt weitreichende Änderungen bei USZ und Universität

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Fehlende Kontrollinstanzen, intransparente Interessensbindungen, eine Betriebskultur der Angst. Die Aufsichtskommission für Bildung und Gesundheit des Kantonsrates hat die besonderen Vorkommnissen an mehreren Kliniken des Universitätsspitals Zürich (USZ) untersuchen lassen. Der Bericht beinhaltet 74 Empfehlungen, welche sich an das USZ, an die Universität Zürich, den Regierungsrat und den Kantonsrat richten. Zur Umsetzung der Empfehlungen soll der Regierungsrat eine Begleitgruppe einsetzen.

Nachdem im Frühling 2020 verschiedene Medien über angebliche Missstände an den Kliniken für Gynäkologie, für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie sowie Herzchirurgie berichtet hatten, setzte die ABG im Juni 2020 eine Subkommission zur Untersuchung von besonderen Vorkommnissen ein. Die Subkommission unter dem Präsidium von FDP-Kantonsrätin Arianne Moser sollte allfälligen gesetzgeberischen Handlungsbedarf feststellen und organisatorische Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigen bezüglich Qualitätssicherung am USZ und der Verbesserung der Schnittstellen USZ intern sowie zur Universität Zürich (UZH) zum Thema der Doppelanstellungen. Zudem sollte sie den Umgang mit Interessenbindungen, Nebenbeschäftigungen und Beteiligungen sowie das Thema Whistleblowing kritisch betrachten.

Aufgrund der umfangreichen Untersuchung der Subkommission empfiehlt die ABG, unter anderem die Leitungsgremien des USZ zu stärken, die finanziellen Anreizsysteme zu optimieren, die Compliance (also die Gesetzeseinhaltung)  zu stärken und Transparenz bei Interessenbindungen zu schaffen. Doppelanstellungen sollen abgeschafft werden. Dem USZ soll mehr Mitsprache bei der Besetzung der klinischen Lehrstühle an der Universität eingeräumt werden. Ein Unternehmenskulturwandel ist einzuleiten und die Aufsicht durch Regierungsrat und Kantonsrat soll verstärkt werden.

Unklare Über- und Unterstellungsverhältnisse

Wie die Untersuchung der Subkommission gezeigt hat, führt die komplizierte Organisationsund Führungsstruktur des USZ zu unklaren Über- und Unterstellungsverhältnissen, exemplarisch dargestellt am Ärztlichen Direktor als Mitglied der Spitaldirektion und Institutsleiter. Das strategische Organ Spitalrat greift teilweise in operative Tätigkeiten ein, wodurch seine Funktion als Rekursinstanz für Entscheide der Spitaldirektion beeinträchtigt werden kann. Die Spitaldirektion wiederum hat keine umfassenden Führungs- und Weisungsbefugnisse zur effektiven Leitung des Unternehmens. Die zentralen Leistungseinheiten, nämlich die Kliniken und Institute, sind von der Führung über die Linie faktisch ausgenommen. Der Spitalrat (unter der Leitung von alt-Stadtrat Martin Waser/SP) hat diese Mängel zwar erkannt, aber nichts dagegen unternommen. Unter diesen Voraussetzungen erstaunt es nicht, dass Konflikte, wie sie zwischen den Kliniken der Herzchirurgie und der Kardiologie bestanden, nicht gelöst wurden. Die Subkommission empfiehlt deshalb, den Spitalrat in seiner strategischen Funktion zu stärken und der Spitaldirektion die nötigen Befugnisse zur effektiven Leitung des Gesamtunternehmens zu übertragen.

Mit den Klinikpools verfügen die Klinik- und Institutsdirektorinnen und -direktoren über ein unverhältnismässiges Machtinstrument, das es ihnen erlaubt, Parallelstrukturen aufzubauen, wie es im Beispiel des Konflikts zwischen den Kliniken der Herzchirurgie und der Kardiologie geschehen ist. Weil durch die Klinikpools beträchtliche Mittel der Betriebsrechnung entzogen werden, wird die finanzielle Führung des Gesamtunternehmens geschwächt. Die Subkommission empfiehlt deshalb die Aufhebung der Klinikpools (gemäss Vorlage 5637, Änderung Spitalplanungs- und -finanzierungsgesetz). Ergänzend und auch aufgrund der medizinischen und technologischen Entwicklung soll die heutige Klinikstruktur überdacht werden. Es sollen sinnvolle Einheiten gebildet werden, zum Beispiel ein Herzzentrum mit Kardiologie, Herzchirurgie und Herzanästhesie, die auch in finanzieller Hinsicht die fachliche Zusammenarbeit fördern.

Intransparente Interessenbindungen

Das USZ verfügt über verschiedene Qualitätssicherungssysteme. Diese sind aber teilweise zu wenig bekannt, zu kompliziert und werden vor allem auf Klinik- und Institutsebene nicht überall wie vorgesehen befolgt. Teilweise fehlen einfache, praktikable Führungskennzahlen auf Klinikebene. Die Corporate Compliance ist insgesamt schwach aufgestellt. Erstaunlicherweise für ein so grosses und komplexes Unternehmen fehlt eine interne Revisionsabteilung, welche die Spitaldirektion in ihren Führungs- und Entscheidungsprozessen unterstützen könnte. Die Subkommission empfiehlt deshalb den Aufbau einer internen Revisionsabteilung und unterstützt die bereits vom USZ eingeleiteten Verbesserungsmassnahmen im Bereich der Compliance und Qualitätssicherung.

Trotz mehrfacher Hinweise seitens der ABG hat die Spitalführung die potentiellen Reputationsrisiken durch Interessenbindungen, Nebenbeschäftigungen und Beteiligungen, die nicht transparent deklariert sind, verkannt. Bestehende Vorgaben sind nicht konsequent umgesetzt worden. Ausserdem sind die Vorgaben nicht umfassend genug. Die Subkommission empfiehlt, die Vorgaben zu erweitern und auch die Spitaldirektion und den Spitalrat einzuschliessen.

Beide Gremien sollen wegen ihrer Vorbildwirkung ein besonderes Augenmerk auf diese Thematik werfen. Zudem soll ein öffentlich einsehbares Register erstellt werden, das idealerweise bezüglich der Doppelanstellungen mit der Universität koordiniert ist.

Schwierigkeiten wegen Doppelanstellungen an Universität und USZ

Die Klinikleitung am USZ ist mit einem Lehrstuhl an der Universität verbunden, was eine Doppelanstellung bedeutet. Im Berufungsverfahren haben die Anforderungskriterien der Universität Vorrang vor den anders gelagerten Anforderungen des USZ. Dieses Konstrukt birgt viele Schwierigkeiten für beide Institutionen in sich. Die Subkommission empfiehlt, Lehrstuhl und Klinikleitung zu entkoppeln und künftig auf Doppelanstellungen zu verzichten. Am USZ tätige Personen sollen am USZ angestellt sein. Lehr- und Forschungstätigkeiten können vertraglich zwischen den beiden Institutionen geregelt werden.

Bei der Besetzung der Führungsfunktion der zentralen Leistungseinheiten des USZ hat dieses nur wenige Möglichkeiten zur Einflussnahme, da der Berufungsprozess über die Universität läuft. Die Subkommission empfiehlt, diesem Ungleichgewicht zu begegnen, indem dem USZ das Präsidium der Berufungskommission übertragen wird. Ausserdem soll das Berufungsverfahren professionalisiert und in zeitlicher Hinsicht deutlich verkürzt werden. Für ein am Markt agierendes Unternehmen ist ein Berufungsprozess von über zwei Jahren und bei ungeplanten Abgängen die lange Vakanz einer wichtigen Führungsposition nachteilig.

Verbreitete Angstkultur

Gewisse Vorkommnisse konnten sich entwickeln und lange bestehen bleiben, weil am USZ die Vertrauensbasis für eine offene Fehlerkultur, aus der Lehren für Verbesserungen gezogen werden können, fehlt. Wegen der starken Hierarchien in den Kliniken und der Machtfülle, die einige Klinikdirektoren ausnutzen, herrscht speziell beim medizinischen Personal eine eigentliche Angstkultur. Die Subkommission empfiehlt, einen umfassenden Kulturwandel hin zu einer positiven Feedback-Kultur in die Wege zu leiten.

Einige Empfehlungen bezwecken eine stärkere Wahrnehmung der Aufsichtsfunktion. Selbstkritisch ist festzuhalten, dass etliche Schwachpunkte und Probleme, die im Bericht der Subkommission dargelegt werden, Regierungsrat und Kantonsrat seit Jahren bekannt waren, doch es wurden keine Änderungen herbeigeführt. Die Subkommission empfiehlt deshalb, dass der Regierungsrat für die Koordination und Umsetzung der zahlreichen Empfehlungen eine Begleitgruppe einsetzt. (pd.)