Am 18. Dezember ist das Bahnhofreisebüro Wipkingen zum letzten Mal geöffnet. Viele Bahn- und Reisefans werden es wegen der Beratung vermissen. Doch die SBB verlängern ihren Vertrag mit den Drittverkaufsstellen nach 2017 nicht nochmals.
«Wir haben gekämpft», betont Regula Fischer. Sie hat seit knapp 10 Jahren das Bahnhofreisebüro Wipkingen geleitet. Doch mit einem bereits verlängerten Vertrag der SBB hatte sie keine Verhandlungsbasis mehr. Die SBB hatten den Vertrag mit ihren Drittverkaufsstellen vor drei Jahren auf Druck des Bundesparlaments bis Dezember 2020 verlängert. Doch nun ist definitiv Ende. Die Drittverkaufsstellen sind in Bern kein Thema mehr. «Das Problem des Bahnhofreisebüros Wipkingen ist, dass wir im gleichen Pot sind wie andere Drittverkaufsstellen von Migrolino, Post, Avec und andere. Deren Kerngeschäft ist nicht der Billettverkauf», sagt Fischer.
Sympathiebeiträge der Kunden
«Eine Ära geht zu Ende. Schweren Herzens schliessen wir Schalter und Reisegeschäft, denn ohne die Unterstützung der SBB können wir unsere Kosten nicht decken», schrieben Fischer und ihre Mitarbeiterin Edna Bohnert auf einen Zettel an der Tür zum Bahnhofreisebüro. «Wir brauchen den Sockelbetrag der SBB, denn die Provision alleine genügt nicht, um zum Beispiel Löhne zu bezahlen», erklärt Fischer. Das Bahnhofreisebüro sei aber gut gelaufen. Davon zeugen auch die zahlreichen Sympathiebeiträge von Kundinnen und Kunden neben dem Schalter. Vor allem mit den internationalen Bahnbilletten habe man ein Nischengeschäft entdeckt, so Fischer. Diese seien nicht so einfach online zu lösen.
Von 2014 bis 2017 arbeitete der Wipkinger Dienstleistungsbetrieb zusammen mit der Deutschen Bahn. Seit 2019 ist das Bahnhofreisebüro eine Agentur der Österreichischen Bundesbahnen ÖBB. Weitere Beratungsschwerpunkte waren Velotransport, Autozug, Mitnahme von Hunden und anderes. «Vieles ist nicht selbsterklärend in der digitalisierten Welt und es braucht Beratung», ist Fischer überzeugt.
So hätten die SBB bei internationalen Bahnreisen mit Velomitnahme sogar Kunden vom HB nach Wipkingen geschickt. Aber natürlich hat das Bahnhofreisebüro Wipkingen auch Monatsabos und andere Billette für das Zürcher Netz mit Charme und Fachkompetenz verkauft. «Wir verkaufen am Schalter die ganze Billettpalette. Bei uns erhält man alles aus einer Hand: Bahnfahrt, Unterkunft, Fähren und Mietwagen.» Vieles sei oft nicht ganz einfach zu buchen und erfordere viel Zeit und Fachwissen.
Bewusste Unterstützung
Es kamen viele Menschen an den Schalter, die sich in der digitalisierten Welt nicht zurechtfinden und zum Beispiel ihr Monatsabo nicht per Mausklick lösen können. Das Bahnhofreisebüro Wipkingen hatte aber auch Kundinnen und Kunden, die von weither anreisten, weil sie ganz bewusst so ein Geschäft unterstützen wollten oder weil ihnen der persönliche Kontakt wichtig war. Unter ihnen waren auch Junge, die keine Probleme mit der Digitalisierung haben. «Nach dem Lockdown im Frühling kamen viele Kunden mit Freude wieder an den Schalter», bemerkt Fischer. «Es hat viel Spass gemacht, das Bahnhofreisebüro Wipkingen zu leiten.»
Lokal soll nicht leer stehen
Immer wieder fanden im Wartsaal des Bahnhofreisebüros Wipkingen kulturelle Veranstaltungen wie Konzerte und Ausstellungen statt. Beliebt ist der Büchertausch vor dem Bahnhofreisebüro. Immerhin: Das Lokal wird dem Quartier erhalten bleiben. Im Rahmen des durchgeführten Pilotprojekts Quartieridee fürs Quartierbudget Zürich-Wipkingen wurde eine entsprechende Eingabe gemacht. Der Raum soll wandelbar bleiben: Kultur, Vereinstätigkeiten, Nutzung durch verschiedene Gruppen. Jedenfalls wird das Lokal nicht leer stehen. «Ein belebter Bahnhof verhindert auch Littering und Vandalismus in der Umgebung», ist Fischer überzeugt. Was sie künftig persönlich macht, ist aber noch unklar.