«Bei Bauprojekten bringen wir das Thema Biodiversität früh in die Planung ein»

Erstellt von Lorenz Steinmann |
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Die Stadtpräsidentin über ihren persönlichen Bezug zu Wildbienen, was sich seit ihrem Job als Ustermer Umweltbeauftragte alles verbessert hat und wie die Stadt die Hitze mindern will.

 

Corine Mauch, welches ist Ihre früheste Erinnerung an die Natur?

Ich bin auf dem Land, im aargauischen Reusstal aufgewachsen. Als Kinder haben wir die meiste Zeit mit Freundinnen und Freunden draussen verbracht, in der Natur. Diese Erlebnisse und dieses Lebensgefühl sind mir unvergesslich und haben in mir eine grosse Naturliebe entfacht.

 

Wo finden Sie im Hier und Jetzt Ihr persönliches Naturabenteuer?

Das Tolle an Zürich ist ja, dass es hier so unterschiedliche Möglichkeiten gibt, Natur zu erleben. Je nach Lust und Laune finde ich Ruhe am Fluss oder See, geniesse den Duft von ­blühenden Bäumen und seltenen Pflanzen in einer der unzähligen Parkanlagen oder lüfte den Kopf beim Joggen im Stadtwald.

 

Eines der Kernthemen von Abenteuer Stadtnatur 2022 sind die Wildbienen in der Stadt. Haben Sie auch Nistplätze eingerichtet zu Hause und allenfalls spezielle Bienenpflanzen?

Mein Grossvater hatte selber Bienen, darum sind sie mir vertraut und lieb. Wildbienen – es gibt ja mehrere hundert Arten – sind wirklich interessant. Ich achte auf bienenfreundliche Balkonpflanzen. Toll finde ich, dass Private vermehrt Wiesen mit vielen Blumen anlegen. Solche blütenreiche Gärten sind nicht nur schön, sondern für Wildbienen essenziell. Auch die Stadt macht viel für die Artenvielfalt: Ich komme täglich an Orten vorbei, wo Wildblumen vermehrt spriessen. Der blaublütige Wiesensalbei sticht einem ins Auge!

 

Im vom Volk angenommenen kommunalen Richtplan für Zürich sind auch miteinander vernetzte Lebensräume für Pflanzen und Tiere vorgesehen. Gibt es da schon praktische Beispiele, die in Planung sind?

Jährlich wird alleine bei Grün Stadt Zürich etwa 1 Hektare, also 10 000 Quadratmeter Grünfläche, ökologisch aufgewertet, beispielsweise mit Staudenpflanzungen und dem Einbringen von Kleinstrukturen wie Totholz, Asthaufen, Sandlinsen oder Steinhaufen. Bei Bauprojekten bringen wir das Thema Biodiversität früh in die Planung ein: Beim Fernwärmeschacht beim Milchbuck werden beispielsweise wieder Bäume gepflanzt und Blumen­wiesen eingesät. Das Resultat kann man nach zwei bis drei Jahren bestaunen.

 

Stichwort Hitzeminderung: Wie sehr macht Ihnen der Klimawandel und die Auswirkungen auf Zürich Sorgen?

Die Klimaerwärmung ist eine der grössten Herausforderungen unserer Zeit. Zürich ist – wie alle Städte weltweit – direkt und besonders betroffen vom Klimawandel und dessen Folgen, zum Beispiel durch die zunehmende Hitze. Städte sind deshalb auch Pionierinnen im Klimaschutz. So hat die Zürcher Stimmbevölkerung schon 2008 Ja gesagt zur 2000-Watt-Gesellschaft.

 

Sie waren von 1989 bis 1993 Umweltbeauftragte von Uster. Es ging um Recycling und Abfalltrennen. Sind wir heute eigentlich spürbar weiter oder haben wir den internationalen Anschluss nicht etwas verpasst?

1993 führte Zürich die Kehrichtsackgebühr und damit das Verursacherprinzip und die Abfalltrennung ein. Das war ein Riesenschritt. Seither haben wir das Entsorgungs- und Recyclingsystem laufend verbessert und weiterentwickelt. Es kommen heute noch neue Recyclingwege hinzu, etwa für Styropor oder Kunststoffe. Jetzt stehen wir – hoffentlich und endlich! – vor dem nächsten fundamentalen Wandel: weg von der «Wegwerfgesellschaft» hin zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft, in der Güter und Stoffe so lange wie möglich in Gebrauch und im Kreislauf gehalten werden. Dieses einleuchtende Konzept gab es übrigens bereits zu meiner Zeit in Uster, doch seine Realisierung dauert offenbar sehr lange. Mit der neuen Verordnung für die Abfallbewirtschaftung, die voraussichtlich nächstes Jahr in Kraft tritt, geht die Stadt Zürich heute pionierhaft voran.