Bergacker: 1000 Mieter müssen raus

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Frühestens 2026 werden die ersten Häuser der Wohnüberbauung Bergacker mit 32 Wohnblöcken abgebrochen und verdichtet neu gebaut. Für das Projekt mit geplanten 530 anstatt mit den bisherigen 400 Wohnungen spannt eine Aktiengesellschaft von Wohnbaugenossenschaften mit der Swiss Life zusammen.

Lorenz Steinmann

Die Wohnüberbauung Bergacker in Affoltern stammt aus den 50er-Jahren und soll gemäss den Bauherren aufgrund der ­veralteten Bausubstanz erneuert werden. An einer Mieterversammlung haben die Eigentümerinnen über den aktuellen Planungsstand informiert. Entstehen sollen rund 30 Prozent mehr Wohnungen für ein durchmischtes Quartier. Gemäss einem Artikel in der Zeitschrift «Mieten + Wohnen» sind gut 1000 Personen von den kommenden Kündigungen betroffen. Im Rahmen einer Testplanung wurden mögliche Bebauungen des Areals geprüft. Möglich wären rund 530 Wohnungen in Regelbauweise anstatt der heutigen 400. «Dabei bleibt der Gartenstadt-Charakter der Siedlung erhalten», versicherte Cornelia Stähli, Immobilienmanagerin der Swiss Life an einer Infoveranstaltung. Ein Gremium mit Fachleuten aus Städtebau, Landschaftsarchitektur und Soziologie, ergänzt mit Vertretern der Stadt Zürich, begleitete die Testplanung.

ABZ, ASIG, BEP, GEWOBAG

Über die Perspektiven der Mieterschaft orientierte Philip Blum von Habitat 8000, einer Aktiengesellschaft von diversen Wohnbaugenossenschaften. Doch wer ist eigentlich beteiligt an der Habitat 8000? Auf Anfrage dieser Zeitung wollte der Sprecher des Projekts die Namen erst herausrücken, wenn er im Gegenzug den geplanten Artikel zu sehen bekomme (Ausgabe vom 23. Dezember). Es sind dies also die Allgemeine Baugenossenschaft Zürich ABZ, die ASIG Wohngenossenschaft, die BEP Baugenossenschaft des eidg. Personals sowie die Gewerkschaftliche Wohnbaugenossenschaft GEWOBAG. Gründungspartnerin in den 1990er-Jahren war auch die Stadt Zürich. Diese trat später aus der Gemeinschaft aus. Gar bis vor Bundesgericht mussten die beiden Genossenschaften Eigengrund und Sunnige Hof, als sie ebenfalls austreten wollten. Es ging um Rückzahlungen von je 50 000 Franken, die sie erst nach dem Gang nach Lausanne zurückbekamen.

Doch ein Gestaltungsplan nötig?

Dass diese Zeitung den Rohtext der Medien­stelle zum Lesen gab, hatte immerhin auch sein Gutes. Die Medienstelle strich nämlich einen Passus heraus, welcher in der Medienmitteilung noch stand: «Weder eine Aufzonierung noch ein Gestaltungs­plan sind nötig.» Wie schon am 23. Dezember gemeldet, räumten ­Habitat 8000 und die Swiss Life daraufhin ein, dass «die Bauherrschaften gegenwärtig mit der Stadt verhandeln, wie die Qualitäten aus der Testplanung gesichert werden ­können. Dafür käme tatsächlich auch ein Gestaltungs­plan infrage. Ein Gestaltungsplan ist also baurechtlich nicht zwingend, aber als Instrument nicht ­ausgeschlossen». So bleibt für die betroffenen über 400 Mietparteien die Hoffnung, dass sie ein wenig länger bleiben können.

Gestaffelte Kündigungen

Dazu kommt, dass die beiden Eigentümerinnen die Neubauten in mehreren Etappen realisieren wollen. So «werden wir auch die Kündigungen gestaffelt aussprechen», sagte Philipp Blum den Mieterinnen und Mietern. Frühestens ab 2026 wolle man mit dem Rückbau beginnen.

Um die Bedürfnisse der Mieterschaft in der weiteren Erneuerungsplanung ­berücksichtigen zu können, werden die ­Eigentümer in den nächsten Monaten eine Umfrage starten. «Wir wollen einerseits erfahren, wie wir unsere Mieterinnen und Mieter bei der Suche nach einer Ersatzwohnung unterstützen können», erklärte der Habitat-8000-Geschäfts­führer, «und andererseits, wie sich die heutigen Bewohnerinnen und Bewohner den Bergacker künftig vorstellen.»

Gemäss «Mieten + Wohnen» ist die Stimmung bei den jetzigen Mieterinnen und Mietern nicht eben gut. Werden sie bleiben, wenn sie können, werden fünf Familienväter gefragt. Einer sagt: «Ich möchte gerne, aber wir wissen ja nicht, wie teuer die Wohnungen sein werden. Ein tiefer Quadratmeterpreis tönt gut, aber jetzt sind unsere Wohnungen klein. Was, wenn die neuen grösser sind?»

Nicht eine der von «Mieten + Wohnen» befragten Personen äusserte sich zuversichtlich zu einer Zukunft im Quartier. Verhalten äussern sich gegenüber dieser Zeitung auch Quartiervereinspräsidentin Pia Meier sowie Walter Angst, AL-Gemeinderat und Sprecher des Mieterverbandes (siehe separate Statements). Als Eigen­tümerinnen treten einerseits die Habitat 8000 auf. Sie soll preisgünstigen Wohnungsbau fördern und Wohnraum der Spekulation entziehen. Sie verwaltet rund 1300 Wohnungen. Der Bergacker ist für die Habitat 8000 als ein absolutes Gross­projekt. Beteiligt ist zudem die Swiss-Life-Gruppe. Mit einem Immobilienportfolio von rund 1360 Liegenschaften ist sie die grösste private Immobilienbesitzerin der Schweiz. Die Verwaltung besorgt die Tochtergesellschaft Livit AG.

Die 32 Mehrfamilienhäuser werden abgebrochen. Wer etwas Zahlbares findet, zieht jetzt schon weg.