Mit dem restaurierten Wehrmänner-Denkmal erstrahlt auf der Forch ein ganz besonderes Monument in alter Frische. Der Betonsockel und die vergoldeten Buchstaben sind gründlich restauriert worden.
Seit über hundert Jahren lodert die in Bronze erstarrte Flamme in den Himmel über dem Wassberg. Offiziell gilt das Wehrmänner-Denkmal als Gedenkstätte für rund 3000 Soldaten, die im Ersten Weltkrieg als Grenzschützer Aktivdienst geleistet hatten und dabei der Spanischen Grippe zum Opfer gefallen waren.
«De gfroornig Furz» auf der Forch
Das Forch-Denkmal – so heisst das Kunstwerk landläufig – berührt die Menschen in vielerlei Hinsicht. Es lässt die Herzen der Naturfreunde höherschlagen und ewiggestrige Gemüter in patriotischen Gefühlen schwelgen. Böse Lästermäuler machen sich gerne auch mal über «de gfroornig Furz» lustig. Und wer den Eingang zum Innenleben dieses Bauwerkes findet, erlebt eine Überraschung: Das Ding kann schützen.
Doch davon später ...
Auf 728 Metern markiert das Denkmal den höchsten und zugleich nördlichsten Punkt des Küsnachter Gemeindegebiets. Zwischen Zürichsee und Greifensee können Wandervögel ein Panorama überblicken, das vom Alpstein mit dem Säntis über die Glarner Alpen, die Rigi und den Pilatus bis weit hinaus ins Berner Oberland mit dem Dreigestirn Mönch, Eiger und Jungfrau reicht. Für Velosportler wird das eigenwillige Monument, wenn sie keuchend bergaufstrampeln, zum Bergpreis, bevor sie sich wieder in den Sattel schwingen und auf der rasenden Abfahrt die Hündeler erschrecken. Schulkinder wandern mit dem Cervelat im Rucksack zur Feuerstelle, die am Nationalfeiertag zum Höhenfeuer zwischen Rednerpult und Raketenstartrampe anwächst. Dann wird die Wiese unter dem Monument zum Festgelände – und immer wieder auch zum militärischen Exerzierplatz, wenn ganze Bataillone zur zeremoniellen Fahnenübergabe aufmarschieren.
105 goldene Lettern
Manchmal kann man frühmorgens, wenn hinter dem Alpstein der erste Sonnenstrahl aufglimmt und die Spitze der Bronzeflamme trifft, einer Frau begegnen, die auf der ersten Stufe der Pyramide sitzt und tief in ihre Morgenmeditation versunken ist. Fünf Meter und 23 Stufen weiter oben, zwischen Sockel und Flamme, zelebrieren zwei Yoga-Enthusiasten den Sonnengruss. Am Abend schliesslich begleitet ein Alphornbläser mit verträumt melancholischen Weisen den Sonnenuntergang.
Und noch einer sitzt da oben, zwischen Yoga und Alphorn, zwischen Sockel und Flamme, auf der obersten Stufe unter einem grünen Sonnenschirm: Linus Wettstein ist als Kunstrestaurator auf den Schutz und die Pflege archäologischer Stätten und historischer Denkmäler spezialisiert. Während der letzten zehn Wochen hat er zusammen mit einem Kollegen das Forch-Denkmal einer gründlichen Restaurierung unterzogen. Gerade macht er sich unter einem grünen Sonnenschirm mit dem Buchstaben «D» zu schaffen, einem von 105 Lettern, die, verteilt auf alle vier Himmelsrichtungen, die Botschaft der Wehrmänner verkünden: «Dies Denkmal baute das Zürcher Volk als Sinnbild seiner Opfer, die der Weltkrieg 1914–1918 zu des Vaterlands Schutz forderte.»
Nur Gold hält der Verwitterung so lange stand und die Blattgold-Folie ist extrem dünn – ein achttausendstel Millimeter!»
Linus Wettstein, Kunstrestaurator
Wird alle 30 Jahre erneuert
Es war allerdings nicht der Krieg: Ein tödliches Grippevirus ist den Soldaten zum Verhängnis geworden. Rund zehnmal so viele Zivilisten wie Wehrmänner waren in jener Zeit ebenfalls der Pandemie erlegen – aber die hatten keine Uniform getragen, als sie zu Tode kamen; ihnen gebührt folgerichtig kein Heldenstatus. «Es handelt sich tatsächlich um echtes Gold, das hier aufgetragen wird», erklärt Wettstein. «Nur Gold hält der Verwitterung so lange stand, und die Blattgold-Folie ist extrem dünn — ein achttausendstel Millimeter!»
Rund alle dreissig Jahre müsse die Gold-Inschrift erneuert werden, ergänzt Claudio Jörg, Sprecher der Zürcher Baudirektion. Diese ist für die Pflege der kantonalen Denkmäler zuständig und hat für die Instandsetzung des Wehrmänner-Denkmals rund 95 000 Franken budgetiert. «Die regelmässige Kontrolle und Instandsetzung des Betons und der Eisenarmierung muss häufiger vorgenommen werden.» Tatsächlich handle es sich bei dem Werk des Fällander Architekten Otto Zollinger um eine «ausserordentliche» Gedenkstätte: «Unter all den Kriegsdenkmälern, die nach dem Ersten Weltkrieg in Europa entstanden sind, gehört es zu den ganz wenigen abstrakten Darstellungen.»
Sehr konkret hingegen ist der Nutzen des Forch-Denkmals für die Anwohner der umliegenden Häuser auf Küsnachter und Aescher Gemeindegebiet.
Denkmal ist auch ein Blitzableiter
Linus Wettstein hebt am Fuss des Denkmalsockels einen Gitterrost und legt den Eingang zum Innenleben der Pyramide frei. Nach einer abenteuerlichen Kletterpartie gelangt man in einen Hohlraum unter dem Betonsockel. In der Mitte ragt ein starres turmartiges Gerüst in die Höhe und verschwindet im Dunkel. Auf dieser starren Eisenkonstruktion ist die Bronzeskulptur aufgesetzt worden – wie ein endogenes Skelett.
Aus dem dunklen Loch, das für einmal nach oben führt, ragen vier ziemlich massive Drähte herunter, die im Boden verankert sind. «Diese Drähte», erklärt Linus Wettstein, «müssen auch überprüft werden – sie leiten den Blitz, wenn er in die Bronzeflamme fährt, ins Erdreich ab.»
Die viele Tonnen schwere Skulptur des Wehrmänner-Denkmals ist 1922 mit einem Pferdegespann auf den Hügel transportiert und unter der Bezeichnung «Opferflamme» eingeweiht worden. Tatsächlich aber ist es viel mehr als nur eine heroisch-patriotische Gedenkstätte.
Der gefrorene Furz ist auch ein gigantischer Blitzableiter.