Brockiland: Wie bei einer Beerdigung

Erstellt von Beni Frenkel |
Zurück

Das grösste Brockenhaus von Zürich macht am Samstag endgültig zu. Unser Autor trauert und erinnert sich an die Verkäuferinnen und Mitarbeiter des in einer mehrstöckigen Tiefgarage eingemieteten Brockiland in Wiedikon.

Ich war 18, als ich zum ersten Mal in den Untergrund ging. Das Brockiland, in einer ehemaligen Tiefgarage, wurde zum wichtigsten Platz in meinem Leben. Seit über 25 Jahren gehe ich mindestens einmal pro Woche dorthin. So ziemlich alles, was ich besitze, stammt aus diesem Brockenhaus im Kreis 3: Möbel, Kleider, Bücher, Kugelschreiber, Bilder, Tassen, Lampen. Auch Unterhosen. Socken sowieso.

Noch zwei Tage, und dann ist Schluss. Am Samstag, 27. März, wird das grösste Brockenhaus von Zürich seinen Betrieb schliessen. Jetzt ist Schlussverkauf. Preise gibt es auch nicht mehr richtig. Ein gefüllter Einkaufskorb kostet fünf Franken.

Hamstereinkäufe gibt es nicht. Die Menschen, die hier seit Jahren oder Jahrzehnten vorbeikommen, gucken drein wie bei einer Beerdigung. Mit der Schliessung des Brockilands verlieren viele ihr Zubrot. Die Rede ist nicht von professionellen Händlern, sondern von den vielen kleinen Händlern, die am Samstag ihre Waren am Bürkliplatz weiterverkaufen.

Für mich war das Beste am Brockiland die Verkäuferin Oumie. Sie ist meine zweite Mutter. Mit ihr kann ich über alles reden. Wenn es mir schlecht geht, gehe ich zu ihr und weine mich aus. Oumie guckt mir dann tief in die Augen und sagt: «Everything gonna be alright.»

Und dann gibt es noch den Mitarbeiter Dimitri, der früher scharf auf mich war. Heute bin ich ihm zu dick, zu kahl, zu struppig. Eine andere Mitarbeiterin, die ich ebenfalls schon 25 Jahre lang kenne, ist Switha. Sie stammt – glaube ich – aus Indien. In den letzten 25 Jahren habe ich vielleicht 25 Sätze mit ihr gewechselt. Aber Switha zählt auch zu meinen wichtigsten Menschen. In zwei Tagen ist Schluss. Ich kann es kaum fassen. Einziger Trost: Das Brockiland lebt weiter, und zwar im aargauischen Zufikon. Von Sihlcity mit dem ÖV eine Dreiviertelstunde. Das geht ja noch.