Das Denkmal und die vergessenen WCs

Erstellt von Daniel J. Schüz |
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Seit der Bundesfeier dümpelten vier MobiToil-Kabäuschen auf der Wiese unter dem Forch-Denkmal – 25 Tage lang. Ohne die Recherchen des «Küsnachters» würden sie wohl heute noch dort liegen. Das Protokoll einer Sommerflauten-Story.

Rund ums Wehrmännerdenkmal auf der Forch sind alle gleich – die Rechtsbraunen, die das hohe Lied auf die gefallenen Aktivdienstler singen, ebenso wie die Linksgrünen, die den Schutz der bedrohten Natur predigen, die Alten und die Jungen, Hündeler, Sonntagsausflügler und Velofahrerinnen: Alle pilgern zur bronzenen Flamme auf dem Wassberg, geniessen die gute Luft und die atemberaubende Aussicht.

Auch die vier Blechkisten sind gleich: Wie knallblaue Metallsärge liegen sie am Wegrand unterm Sockel des Monuments und erinnern an den Nationalfeiertag vor vier Wochen.

Dienstag, 1. August

Sie erinnern an Raketen, die in den Himmel geschossen wurden, an Reden, die geschwungen, Lieder, die gesungen, Bratwürste, die verschlungen werden. Und an das Bier, das in Strömen fliesst – oben rein und unten wieder raus.

Genau dafür sind die blauen Kästen heraufgekarrt, aufgestellt, später hingelegt – und alsbald einfach liegen gelassen worden.

Es folgen die heissen Augustwochen. Sommerflaute. Eine entlaufene Löwin, die durch Berlin streifen soll und sich schliesslich als Wildschwein entpuppt, und Orcas, die vor Portugals Küsten ins Ruder von Segeljachten beissen, füllen die Spalten der Zeitungen. Für die vier WC-Häuschen, die Woche für Woche auf der grünen Wiese vor sich hin stinken, interessiert sich kein Mensch.

Doch die Denkmal-Besucher, die in der Gluthitze schnaufend und schwitzend das bronzene Mahnmal erreichen, wundern sich von Tag zu Tag mehr. Ob die Dinger wohl noch geleert worden seien, bevor man sie da hingelegt hat, fragt sich eine Hundefreundin, nachdem sie die Hinterlassenschaft ihrer Labradorhündin aufgelesen hat. Ein eifriger Strampler ist vom Velo gestiegen und bedauert, dass man die Dinger nicht richtig hingestellt hat. So im Liegen machen sie wenig Sinn, da kann man sie ja gar nicht benutzen. Eine fertige Sauerei sei das, findet ein älterer Herr – und das ausgerechnet hier ... «Man kann die ja fragen», meint eine Joggerin, die bei der Gruppe stehen geblieben ist. «Die Telefonnummer steht ja gross drauf!»

0800 88 00 30: «Willkommen bei der Condecta AG. Sie rufen ausserhalb der Bürozeiten an ...»

Freitag, 25. August, 10.15 Uhr

Christian Mathys kommt mit seinem Traktor angerumpelt. Der Jungbauer bewirtschaftet das Nachbarfeld auf der anderen Seite des Weges. Und er ist Mitglied des Turnvereins Forch, der für den Betrieb der Festwirtschaft zuständig war. Am Morgen nach der Veranstaltung habe der Condecta-Chauffeur die Dinger abtransportieren wollen. «Aber der Boden war so durchnässt, dass er mit seinem Liefer­wagen nicht durchgekommen und unverrichteter Dinge wieder abgefahren ist. Da habe ich meinen Traktor geholt und die mobilen Toiletten neben den Weg gelegt – so, dass ein Gewittersturm sie nicht umblasen kann.»

Pascal Krebs, ebenfalls Jungbauer und ebenfalls im Turnverein, hat das Land unter dem Denkmal von der Gemeinde gepachtet, den Boden, auf dem die blauen Kisten seit Wochen liegen. Doch das hat er erst gemerkt, als er vorletzte Woche aus den Ferien zurückkehrte. Er habe sich schon sehr gewundert, erzählt er, als er merkte, dass seine Wiese von diesen Miniatur-Bedürfnisanstalten sozusagen belegt worden seien. «Ich konnte die Wiese nicht einmal richtig mähen – und ich wüsste auch ganz gern, was das für eine blaue Flüssigkeit ist, die aus den Dingern in den Boden geflossen ist.»

Und dann geht plötzlich alles sehr schnell ...

11.15 Uhr

Telefonische Anfrage bei der Gemeindeverwaltung Küsnacht. Man wisse nichts von diesen WC-Kabinen, das sei Sache des Turnvereins, damit könne der Gemeinderat jetzt nicht behelligt werden, zudem gebe es doch gewiss interessantere und wichtigere Themen für eine Lokalzeitung.

14 Uhr

Der freundliche Sachbearbeiter von der Condecta möchte seinen Namen «lieber nicht» in der Zeitung lesen, beteuert aber, dass «diese blaue Flüssigkeit, die da angeblich ausgelaufen sein soll, vollkommen harmlos sei: «Das neutralisiert den Gestank.» Was ist das denn für eine Chemikalie? «Keine Ahnung, da müssen Sie den Hersteller fragen, wir vermieten und liefern nur.» Und warum liegen die Toiletten nach 25 Tagen immer noch auf der Forch. «Ja – die haben wir wohl vergessen!»

16.20 Uhr

Mail von der Kommunikationsabteilung der Gemeinde Küsnacht: «Dass die mobilen WCs noch einige Zeit auf der Wiese beim Wehrmännerdenkmal gestanden sind, liegt einem Kommunikationsmissverständnis zwischen dem Turnverein Forch als Organisator und der Transportfirma zugrunde.»

18.05 Uhr

Verwundert steht Landwirt Pascal Krebs auf seiner Wiese. Die MobiToil-Kabäus­chen sind verschwunden – allerdings nicht spurlos: An ihrer Stelle trauern vier verdorrte Grasnarben – als hätten die blauen Särge braune Gräber hinterlassen. «Ich werde den Boden noch genauer untersuchen lassen», sagt der Bauer – und fragt sich, «wie lange die Dinger da wohl noch gelegen hätten, wenn ...»