«Das Grün in die Stadt nehmen»

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In der Nähe des Altstetter Friedhofs wurde ein Hermelin gesichtet. Esther Dähler ist Mitglied des Natur- und Vogelschutzvereins Altstetten und appelliert für mehr Natur in der Stadt.

Esther Dähler, sagt es etwas über die Qualität der Natur in der Stadt aus, dass in der Umgebung des Altstetter Friedhofes ein Hermelin gesichtet wurde?
Es sagt etwas aus über die Natur genau an diesem Ort, nicht generell über die Natur in der Stadt. Es ist toll, haben der Bauer und die Stadt Zürich den Ort so gestaltet, dass er dem Hermelin eine passende Umgebung bietet. Wichtig ist auch, dass der Ort wenig frequentiert ist. Hermeline vertragen sich schlecht mit ständigem Publikumsverkehr und gar nicht mit Hunden.

Es gilt also, den Blick für die Natur in der Urbanität zu schärfen?

Ja, denn es gibt neben den vielen für Tiere und Pflanzen unwirtlichen Orten weitere Gebiete mit Platz für die einheimische Natur. Diese sind oft wenig spektakulär und werden gerne übersehen. Dabei haben auch unscheinbare Pflanzen hübsche Blüten; es gilt ein Auge dafür zu entwickeln. In Frankreich schreiben einige pflanzenbegeisterte Menschen die aus dem Asphalt spriessenden Pflanzen mit deren Namen an und machen damit auf sie aufmerksam. Mir gefällt diese Idee.

Sie wirken im Natur- und Vogelschutzverein Altstetten im Interesse der ökologischen Nachhaltigkeit. Schrebergärten werden beispielsweise einer Schule geopfert. Sind das Tendenzen, die Sie stören, oder gäbe es andere Themen, die angegangen werden müssten?

Wo Kinder leben, brauchen wir Schulen. Freie Flächen gibt es kaum. Natürlich tut es mir weh, wenn diese verschwinden und die betroffenen Gärtnerinnen und Gärtner haben mein Mitgefühl. Sich gegen diese Zwänge aufzulehnen, bringt jedoch nichts.

Stattdessen?

Ich möchte den Fokus auf die vielen ungenutzten Ecken legen: sterile, baum- und strauchlose Rasen oder gar Steinwüsten. Wenn all diese naturnah gestaltet und gepflegt würden, wäre schon viel erreicht. Viele Leute zieht es ins Grüne. Warum bringen wir das Grün nicht in die Stadt, an den Ort, wo wir uns täglich aufhalten? Ich sehe an meinem eigenen Garten, welche Tiere sich ansiedeln können ...

... die da wären?

Erdkröten, Blindschleichen, Feuersalamander, Bergmolche, Haussperlinge. Von den vielen Pflanzen gar nicht zu reden. Ich habe angefangen, sie aufzulisten, 140 habe ich schon identifiziert. Keine Raritäten, einfach eine natürliche Vielfalt.

Wie gross sind die Chancen, dieses Hermelin als Spaziergänger zu entdecken? Gibt es einen Trick?

Im weissen Winterkleid ist das Hermelin leicht zu entdecken. Ab April zeigt es sich hingegen im Sommerkleid mit braunem Rücken und hellem Bauch. Damit wird das Entdecken schwieriger. Und ja, es gibt einen Trick: die Umgebung aufmerksam beobachten und vor allem, sich leise bewegen. Sobald das Hermelin sich gestört fühlt, verschwindet es im Bau. Es gehört auch eine grosse Portion Glück dazu, ist das Hermelin doch nur kurze Zeit aktiv, den grösseren Teil des Tages verbringt es im Bau.

Warum raten Sie, Mitglied in Ihrem Naturschutzverein zu werden?

Es macht Spass, zusammen in der Natur unterwegs zu sein. Auf unseren Exkursionen beobachten wir die Natur, neben den Vögeln auch Pflanzen, den Biber oder das Eichhörnchen. Genau das, was sich eben zeigt. Das ist die persönliche Ebene. Daneben gibt es auch eine politische. Die Natur braucht Fürsprecher. Jedes Mitglied erhöht das Gewicht der Stimme von BirdLife zugunsten der Natur. Der dadurch erwirkte natürliche Lebensraum kommt auch den Menschen zugute. (Interview: Urs Heinz Aerni, Foto: Andreas Ducry)

Eleganter Mäusejäger

Das Hermelin (Mustela erminea) hat einen lang gestreckten Körperbau mit kurzen Beinen und gehört der Familie der Marder an. Im Sommer hat es ein kastanien- bis zimtbraunes Feld, im Winter färbt es sich weiss, aber die Schwanzspitze ist immer schwarz. Der elegante Mäusejäger wurde von Pro Natura 2018 zum Tier des Jahres ernannt.