Der Metzgermeister und Erfinder der Wiedikerli, Urs Keller, betreibt seit Anfang Jahr die Hafenbeiz Enge. Das Ganze ist ein Familienprojekt. Geführt wird die Mischung aus Gartenbeiz, Bar und Kiosk von Urs, Denise, Laurence und Yves Keller, zusammen mit Livio Künzli, einem Freund der Familie.
Seit 1934 in Familienbesitz verkaufte Urs Keller vor drei Jahren die renommierte Metzgerei Keller am Manesseplatz samt Rezeptur für das kultige Wiediker-Würstli. Gründer der Metzgerei war sein Grossvater gewesen. Tochter Laurence Keller und Sohn Yves Keller konnten sich nicht vorstellen, die Metzgerei weiterzuführen. Laut Laurence Keller übte ihr Vater jedoch nie Druck auf sie beide aus.
Letzten Januar übernahm Metzgermeister Keller als Pächter der Stadt den Kiosk beim Hafen Enge von Hafenwirtin Eva Germann. Doch in diesem Fall ist Kiosk nicht nur Kiosk: Es ist eine Mischung aus Gartenbeiz, Bar und Kiosk und nennt sich deshalb Kiosk-Hafenbeiz Enge. Das Gastgeberteam Urs, Denise, Laurence und Yves Keller führt mit Livio Künzli, einem Freund der Familie, Kiosk «Keller’s Grill» und Catering-Betrieb als Familienprojekt.
Es gibt nicht nur Würste
Laurence Keller beendete diesen Frühling ihre Ausbildung mit dem Bachelor an der Pädagogischen Hochschule, Yves Keller studierte Wirtschaft und Livio Künzli ist Absolvent der Hotelfachschule. Alle drei waren immer schon an der Gastronomie interessiert. Laurence Keller und Livio Künzli führen gemeinsam das Geschäft. Laurence Kellers Bruder Yves Keller ist als Berater im Hintergrund eingesetzt und für Informatik und Organisation zuständig. Selbst Mutter Denise Keller steht jeweils donnerstags hinter dem Tresen.
Wer denkt, von einem Metzgermeister könne man hauptsächlich Fleisch und Würste im Angebot erwarten, liegt falsch. Urs Keller hatte zwar eigens für den Kiosk die Zwingli-Rostbratwurst, natürlich in Bioqualität, ausgetüftelt, doch nun will er auch eine vegane Wurst entwickeln. Neben allerlei Grillwaren gibt es Salate, Sandwiches, diverse Plättli sowie Süssgebäck. «Und wir freuen uns, vegetarische und vegane Gerichte anzubieten», sagt Laurence Keller. Ganz besonders beliebt sei das vegane Schnitzel aus Weizen und Erbsen, serviert in Tessiner Maggiolino-Brot, genauso wie das vegane Tatar aus Okara und Auberginen. «So können wir auch die Vegetarier und Veganer gastronomisch zufriedenstellen. Wir wollen bewusst mehrgleisig fahren und uns auf verschiedene Zielgruppen fokussieren», führt Keller aus.
Familie Keller lebt in Wollishofen, wo Laurence Keller aufgewachsen ist. Livio Künzli ist in der Enge gross geworden und zur Schule gegangen. Somit haben beide einen Bezug zum Quartier. Gefragt nach der Kundschaft, meinten sie einstimmig: «Wir haben eine treue Stammkundschaft, fast täglich im gleichen Rhythmus: morgens die üblichen Gäste zu Café und Gipfeli, mittags altbekannte zum Tagesmenu, und abends viele Habitués zum Aperitif. Büezer, Hündeler, Jogger, Banker, Böötler sind immer wiederkehrende Kunden.» Dazu kämen flanierende Touristen, die ebenfalls durch das Ambiente der Beiz angezogen würden.
Dieser Ort, an prominenter Lage, direkt neben dem Arboretum, gegenüber der Bootsvermietung, lädt zum Entspannen ein und vermittelt automatisch Ferienstimmung. Eine Oase für ganz normale Menschen, ausgestattet mit ganz normalen Gartenmöbeln und attraktiven blau-weiss gestreiften Sonnenschirmen, ganz ohne Werbebeschriftung. Hier wurde eine wohltuend schlichte Gartenbeiz-Atmosphäre geschaffen.
Stadt will Seeufer aufwerten
Allerdings ist die Zeit für diese Idylle beschränkt. Das städtische Seeufer-Bauprojekt «Porto Stretto» wird voraussichtlich ab 2026 realisiert werden. In diesem Projekt ist ein Kioskneubau auf dem jetzigen Parkplatz-Areal geplant, was den heutigen Kiosk überflüssig machen wird.
Für die Kioskbetreiber Laurence Keller und Livio Künzli ist klar: «Wir machen uns heute noch nicht gross Gedanken. Zur gegebenen Zeit, wenn der geplante Kiosk von der Stadt zur Pacht ausgeschrieben wird, können wir uns ja bewerben.» Erfreulich sei jedenfalls, dass die Parkplätze aufgehoben und in das Parkhaus des Neubaus der Swiss Re verlagert würden, und dass dadurch ein begrünter Freiraum entstehen werde.