Das Theater Stadelhofen will mutig sein

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Das Theater Stadelhofen startet in die neue Saison. Die Theaterleitung um Françoise Blancpain und Benno Muheim will den in ihrer Premierensaison begonnenen Weg weiterführen. «Theater der Dinge», diesen Untertitel gaben Françoise Blancpain und Benno Muheim dem Theater Stadelhofen vor ihrer ersten Saison als Theaterleiter im vergangenen Jahr. Dieser Zusatz sagt aus, was im Theater Stadelhofen unter ihrer Leitung gezeigt wird: Figuren-, Material- und Objekttheater. «Bei uns dreht sich alles um die dingliche Welt, unsere Beziehungen dazu und die Frage nach der Beseelung der Dinge. Wie kommt Leben in ein Ding? Ist es unser Glaube daran, welcher ein Objekt leben lässt, oder reicht es bereits, wenn wir nur so tun, als würde es leben? Mit diesen Fragen setzen wir uns im Theater Stadelhofen auseinander», erklärt Muheim. Dieses Konzept sei in der letzten Saison auf viel positive Resonanz gestossen, weshalb sie bis auf weiteres daran festhalten und den begonnenen Weg weiterführen werden.
Ein Motto für die Produktionen im Theater Stadelhofen gibt es trotz diesem Konzept nicht: «Durch eine übergeordnete inhaltliche Themensetzung würden wir uns bei der Auswahl der Gastspiele unnötig einschränken und könnten viele gute Produktionen nicht einladen», begründet Blancpain. Natürlich tauchten gewisse Themen wie Migration, Heimat und Familie immer wieder in verschiedenen Stücken auf, weil sie einfach viele Menschen beschäftigten. Dies geschehe aber, ohne dass sie aktiv darauf hinzielten. Muheim fügt hinzu: «Wir wollen berührendes, witziges und virtuoses Theater, das auch eine gewisse Wucht auf die Zuschauer ausübt, zeigen. Die Themen einer Produktion sind also teilweise nur ein Teilaspekt unserer Auswahl.»

Hausproduktion als Chance
Wie im letzten Jahr kommt auch in dieser Saison wieder eine Hausproduktion im Theater Stadelhofen zur Aufführung. In «Pinocchio» erhält die Frage nach dem «Leben in allen Dingen» eine zentrale Rolle, so wie das im «Theater der Dinge» nach der Vorstellung von Blancpain und Muheim eben sein soll. Die Hausproduktion stellt für die Theaterleitenden eine Chance dar, zu zeigen, wie das «Theater der Dinge» nach ihren Vorstellungen aussehen könnte. «Als Theater haben wir auch einen Forschungsauftrag. Wir suchen nach neuen Richtungen, die das Theater einschlagen könnte. Dafür ist unsere Hausproduktion gut geeignet», meint Muheim. Mut und Risiko, das sind zwei wichtige Begriffe in der Theaterauffassung von ihm und Blancpain. So betonen sie immer wieder, dass sie «lieber grandios scheitern als langweilig reüssieren». Dieser Mut zu neuen Ideen kommt auch in ihrer Hausproduktion zum Zuge: «Unsere Szenografin hat sich unseren Theaterraum auf eine Art so gedacht, wie ihn vor ihr noch niemand gedacht hat», so Muheim. Die besondere Nutzung des Raums sei ein Experiment. Mehr dazu verraten will er aber nicht.

«Wichtig für das Gemeinwesen»
«Pinocchio» scheint eine für ein Familientheater wie das Theater Stadelhofen typische Produktion zu sein, schliesslich handelt es sich um eine Adaption eines Kinderbuch-Klassikers. Das Image des Kindertheaters, welches das Theater Stadelhofen trotz vielen Stücken für Erwachsene immer noch hat, ist in den Augen von Blancpain und Muheim Fluch und Segen zugleich. «Auf der einen Seite haben viele Personen das Gefühl, wir seien ein Theater, das ausschliesslich Stücke für Kinder spielt. Das ärgert uns, schliesslich haben wir auch ein Abendprogramm mit hervorragenden Produktionen für Erwachsene, und auch das Kinderprogramm wird Erwachsene nicht langweilen», sagt Blancpain.
Der Ruf, ein Kindertheaterhaus zu sein, habe aber auch seine Vorteile. Muheim weist darauf hin, dass sie nach wie vor einen guten Bekanntheitsgrad in den Schulen genossen und viele Schulklassen ins Theater Stadelhofen kommen: «Hier geschieht häufig die erste Theatererfahrung für Kinder. Wir müssen das Theater den Kindern also schmackhaft machen. Diese Verantwortung übernehmen wir gerne, weil wir an die Wichtigkeit des Theaters gerade für Kinder glauben.»
Der elitäre Ruf, den sich das Theater und die Kultur im Allgemeinen angeeignet habe, bringe problematische Folgen mit sich: Das Theater werde durch ihn in der breiten Bevölkerung nicht mehr besucht. Diesem Trend wolle das Theater Stadelhofen entgegenwirken. Für Muheim ist das Theater als kulturelle, ästhetische Bildung für alle Menschen unabdingbar, gerade in der heutigen Zeit, in der die Menschen die Fähigkeit, zuzuhören, zu verlieren scheinen. Somit spiele das Theater für unsere Demokratie und unser Zusammenleben eine grosse Rolle. «Letztlich zeigt das Theater neue Perspektiven auf und bringt Menschen miteinander in Gespräch», fügt Muheim an. Gian-Andri Baumgartner

Saisoneröffnung im Theater Stadelhofen am Samstag, 27. Oktober: «Ganz weit weg», 17 Uhr an der Stadelhoferstrasse 12. Ganzer Spielplan bis Februar unter www.theater-stadelhofen.ch