Dem «Krokodil» einen Kalender widmen

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Es war ein historischer und lange geplanter Schritt: Mitte Jahr kehrte die Lokomotive Krokodil zurück an ihren Geburtsort. Der Ortsgeschichtliche Verein Oerlikon hat sich dem Thema angenommen und einen «Krokodil-Kalender» für 2021 veröffentlicht.

Nicht nur die Lachse wandern am Ende ihres Lebens wieder zu ihrem Geburtsbach, auch ein «Krokodil» kann nach
langem Leben wieder zum Ort seiner Entstehung hingezogen werden. Die Gotthard-Lokomotive Ce 6/8 mit der Nummer 14270, ein sogenanntes «Krokodil», war 1920 von der Maschinenfabrik Oerlikon an die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) ausgeliefert worden, um Güterzüge über die Gotthardstrecke zu schleppen. Hundert Jahre später im Juni 2020 bezog dieselbe Lok die neu gebaute «Lokhalle» in Oerlikon.

Im Jahr 2006, der Ortsgeschichtliche Verein Oerlikon (OVO) gab seinen ersten «Oerlikon»-Kalender heraus, und der Verein Oerlikoner Industriegeschichten fasste den Entschluss, eine Krokodillok an den Ort ihrer Entstehung zurückzuholen. Es sollte sichtbar werden, was in dem neu gebauten Wohn- und Geschäftsquartier mit den vielen Parks früher fabriziert worden war.

Ein Blick in die Vergangenheit

Siebzehn Kalender später blickt «Oerlikon Krokodil» zurück in die Zeit, als
Antriebsenergie immer weniger ab Wasserrad oder Dampfmaschine, über rotierende Wellen und Keilriemen in Werkstätten geleitet wurde, weil immer mehr Maschinen von den neu gebauten Elektromotoren angetrieben wurden. Auch beim Schienenverkehr von Tram und Bahn waren Pferdekraft und Dampfbetrieb durch elektromechanischen Antrieb ersetzt worden. In der Schweiz und im umliegenden Ausland existieren noch zirka sieben nicht verschrottete Krokodil-Lokomotiven, davon drei oder vier selbstfahrende. Die No.14270 in Oerlikon gehört nicht dazu. Da sie als ausgemusterte Lok den «Kolleginnen» im Dienst als Ersatzteillager für Reparaturen diente, fehlt ein Grossteil ihrer Innereien. Immerhin erwies sie sich noch als rollfähig und konnte auf der Anreise geschoben und gezogen werden. Nach vierzig Jahren im Wind und Wetter stehend, hat sie durch die Rostsanierung 2017 wieder einiges ihrer ursprünglichen Ausstrahlung zurückgewonnen. An der Lokhalle, bei der Kreuzung Birch- und Binzmühlestrasse, öffnet ein Schiebetor in der Längswand den Zugang für angemeldete Besuchsgruppen auf einem Drittel der Länge. Besucherinnen und Besucher und damit sind Kinder, Jugendliche, Schüler, Lehrlinge und Studentinnen mitgemeint, sollen in der digitalisierten Welt die Möglichkeit behalten, von Hand gebaute Industrieprodukte anzufassen, Form und Material zu erspüren und sich Gedanken über Funktionen zu machen. Die Lok war nicht nur 1920 von Hand gebaut worden, sondern auch 2017 im SBB-Werk Biel sorgfältig von Hand demontiert und nach der Oberflächensanierung wieder zusammengebaut worden. Erfreulich fürs Projekt ist auch die Tatsache, dass Lokhalle und Umgebung von den verschiedenen Zulieferfirmen ebenfalls in Handarbeit erstellt wurden, abgesehen von mechanischer Hilfe bei Erdbewegungen, beim Abladen und Anheben von Bauteilen und der Benutzung von Scherenliften im Innenraum.

Kalender-Serie nun abgeschlossen

Der «Krokodil-Kalender» von 2021 beschliesst die Serie der «OVO-Oerlikon»-­Kalender. Während siebzehn Jahren konnten verschiedenste Einblicke in Geschichte und Veränderung von Oerlikon aufgezeigt werden. Mit der Zeit wurde es schwieriger, ein unbekanntes Thema zu finden und mit interessanten Bildern zu begleiten.

Ein grosser Teil historischer Fotografien sind via ETH-Archiv übers Internet dem Publikum frei zugänglich geworden, sie werden in Fotoausstellungen gezeigt oder in sozialen Medien «zu Tode geteilt». Die Macher hinter dem Kalender bedanken sich fürs Interesse und gratulieren allen, die ihre Kalender von Anfang zur Seite legten und heute über eine interessante Oerlikon-Sammlung verfügen.

Da die Corona-Krise den Weihnachtsmarkt und die OVO-Stubete verhindert hat, wird der Kalender 2021 nur in Ladengeschäften verkauft: Nievergelt Buchhandlung sowie Papeterie, Atelier Hohl und Fahrradbau Stolz. Christian Altorfer