Auktionen beaufsichtigen, Vermögen blockieren und Wohnungen räumen: Der Beruf eines Stadtammanns ist vielseitig. Am Freitag gibt Andreas Ott sein Amt ab.
Die grösste Veränderung während seiner Amtszeit habe die Einführung des Computers mit sich gebracht, sagt Andreas Ott. Als er 1989 Stadtammann im Kreis 1 geworden sei, hätten seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch auf der Schreibmaschine Hermes Baby getippt. Damals habe das Betreibungsamt, das vom Stadtammann geleitet wird, viel mehr Personal beschäftigt. «Auch die Bevölkerung hat sich seither verändert, besonders im Niederdorf», sagt Ott. Früher habe er das «Milieu» dort gekannt, sagt er – und präzisiert: «Beruflich gekannt.» Heute liefen die Kontakte unpersönlicher ab.
Nach 30 Jahren übergibt Ott sein Amt am Freitag an Remo Crestani. Dieser war bisher sein Stellvertreter. Der 30-Jährige hat schon die Lehre auf einem Betreibungsamt der Stadt abgeschlossen und arbeitet seit 2008 mit Ott an der Gessnerallee 50. Crestani lässt offen, ob er ebenfalls bis zur Pensionierung Stadtammann bleiben will. «Solange ich den Job interessant finde, werde ich bleiben», sagt er. Und lässt keinen Zweifel daran, wie sehr ihn die Arbeit reizt: weil die Geschäfte vielseitig sind und die Menschen, mit denen er zu tun hat, aus verschiedenen Schichten stammen. Weil er Personal führen darf und Recht korrekt anwenden muss.
Kleinster Kreis ganz gross
«Der Kreis 1 ist zwar der kleinste, bietet aber vielfältige Geschäfte», sagt Ott. Da sind die Kunstauktionen von Sotheby’s und Christie’s, die der Stadtammann ebenso beaufsichtigen muss wie alle öffentlichen Auktionen. Er ist zuständig für den korrekten Ablauf der Auktionen und für die Abgabe von einem Promille der Umsätze an die Stadt, was pro Jahr rund 100 000 Franken ausmacht.
Im Kreis 1 haben ausserdem viele Banken ihren Sitz mit internationalen Geschäften und Kunden und deren Rechtshändeln. Dann und wann landen diese in einer Mappe auf dem Pult des Stadtammanns. Mit seiner Unterschrift muss er dann beispielsweise hohe Beträge blockieren – unter Arrest legen – im Auftrag von Gerichten und Behörden. Und dann sind da die lokalen Betreibungen, Pfändungen, Beglaubigungen und Verbote, die den grössten Teil des Arbeitsaufkommens ausmachen.
Zu den unangenehmeren Aufgaben des Stadtammanns gehört das Ausweisen von Mietern aus ihrer Wohnung, wenn deren Räumung angeordnet wurde. In der Stadt war das zuletzt 140-mal nötig. Bei allen Geschäften des Stadtammanns gehe es darum, geltendes Recht anzuwenden und durchzusetzen, sagt Ott. Daran könne kein Stadtammann etwas ändern. Bestimmen könne dieser aber über die Art und Weise, wie er seine Arbeit erledige. «Ich habe immer Wert darauf gelegt, alle Beteiligten gleich und fair zu behandeln», sagt Ott. Ein klein wenig Spielraum gebe es meistens. In Gesprächen könnten Auswege und Lösungen aufgezeigt und Vereinbarungen angeboten werden.
Nachfolger Crestani sieht wenig Grund, an dieser Vorgehensweise etwas zu ändern. Darüber zu urteilen, wer schuld an einem Verfahren sei und wer nicht, sei nicht seine Aufgabe, sagt Crestani. «Wir behandeln Schuldner und Gläubiger gleich gut und korrekt.» Überhaupt will der neue Stadtammann wenig ändern an den Abläufen. Lediglich die Öffnungszeiten will er leicht anpassen. Statt täglich schon ab 7 Uhr soll der Schalter einmal wöchentlich auch am Abend besetzt sein. Crestani wurde in stiller Wahl gewählt, ohne Gegenkandidatin oder -kandidat. Voraussetzung für die Wahl war der vom Obergericht erteilte Wahlfähigkeitsausweis.
Schein ist nicht immer Sein
Kaum verändert habe sich während seiner Amtszeit das Recht, das er anwenden musste, sagt der scheidende Stadtammann Ott. Das Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) sei noch mehr oder weniger dasselbe. Angewendet hat es Ott gesetzeskonform. Im Zusammenhang mit seiner Arbeit für die Bevölkerung im Kreis 1 habe es jährlich bloss einige wenige Beschwerden bei den übergeordneten Gerichten gegeben, sagt er. Noch seltener seien diese Beschwerden erfolgreich gewesen.
Bei der Arbeit hat sich Ott auf Stellvertreter Crestani verlassen können. Mit diesem teilt er einige Geheimnisse, über die er sich mit sonst niemandem austauschen konnte, weil der Stadtammann ans Amtsgeheimnis gebunden ist. Dazu darum nur so viel: Schein ist nicht immer Sein, insbesondere wenn es um Geld geht.
Ab Freitag ist Remo Crestani Stadtammann. Seine neue Stellvertreterin heisst Sabrina Ott. Sie ist nicht verwandt mit Andreas Ott, dem scheidenden Stadtammann. Dieser will Kontakt halten zu seinen Berufskollegen, aber keine aktiven Einsätze mehr leisten. Stattdessen will er die Zeit mit den Enkelkindern verbringen. «Durch den Tod meiner Frau kann ich leider Verschiedenes, was ich noch so gerne mit ihr unternommen hätte, nicht mehr verwirklichen», sagt Andreas Ott. Er werde sich deshalb vor allem um seine Familie kümmern und gemeinsam mit dieser Reisen und Ferien verbringen.