Die 3700 Höhenmeter des Alpenbrevets als Härtetest

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Am Vorbereitungsrennen zum Alpenbrevet von Ende August erlebten zwei Lokalinfo Redaktoren Himmel und Hölle – mit positivem Ausgang.

Die Redaktionskollegen Thomas Hoffmann und Lorenz Steinmann redeten schon einige Jahre davon. Zusammen das Alpenbrevet bestreiten. Die klassische Silbertour: drei Pässe, 120  km, 3675 m Steigung. Mit einem Mausklick meldeten sie sich an für den Start am 25. August um 6.45 Uhr in Andermatt. Der eine Teilnehmer – Thomas Hoffmann – kann einen 2013 erzielten Ironman-Titel (Zeit: 15h40) als Trophäe vorweisen. Beim anderen Teilnehmer – Lorenz Steinmann – Iiegen die sportlichen Aktivitäten schon länger zurück. Dafür ist er in Sporttheorie (Resultate und Tabellen) auf der Höhe. Ein wenig Training musste also sein.

Den Besenwagen im Nacken
Als Vorbereitungsrennen suchten sich die beiden nichts weniger als den «Engadiner Radmarathon» heraus – immerhin «nur» die kurze Variante mit etwa 1300 Höhenmetern. Doch leider suchte das Veloduo schon kurz nach dem Start die berühmt-berüchtigte Defekthexe heim. Nicolo Bass, der als Reporter von der «Engadiner Post» das Drama aus dem Besenwagen heraus verfolgte, schreibt dazu: «In den Galerien kurz vor Livigno stehen die beiden Zürcher Redaktoren Lorenz Steinmann und Thomas Hoffmann am Strassenrand und versuchen, ein defektes Rad zu reparieren. Mit dem Schaumspray will die Reparatur nicht wirklich gelingen, schlussendlich bleibt nur ein Pneuwechsel als Option. Mit Handzeichen fordern sie Nino Domenig aus Ftan auf, einfach weiterzufahren. Doch er bleibt ruhig: ‹Heute bin ich der Letzte›, sagt Domenig. Mit Hemd und Krawatte fährt er den Postbus mit Anhänger im Schritttempo am Schluss des Teilnehmerfeldes. Wer von ihm überholt wird, muss den Transponder abgeben und ist ausgeschieden.»
Immerhin: In den nächsten vier Stunden wehrten sich die beiden Zürcher erfolgreich vor dem Überholen – und fuhren kurz vor Kontrollschluss über die Ziellinie in Zernez. Dazu trug sicher auch die moralische Unterstützung durch Nicolo Bass bei. Der stv. Redaktionsleiter der «Engadiner Post» liess es sich nicht nehmen, bei jedem der vielen Verschnaufpausen – als Fotohalt deklariert – einige aufmunternde Worte an die Schlusslichter zu richten. Ob es am 25. August ohne diese Unterstützung auch reichen wird? Lesen Sie dazu die beiden folgenden Kommentare:

Thomas Hoffmann: Warum ich bergauf der Schnellere bin

Als Jogger hatte ich mir bei Wettläufen drei Ziele gesetzt: 1. Ins Ziel kommen. 2. Es soll unterwegs Spass machen. 3. Nicht Letzter werden. Später, bei Triathlon-Anlässen, hat es mit diesen Zielen ebenfalls geklappt. Aber dann kam diese Idee – und ich bin überzeugt, sie kam von meinem Redaktionskollegen Lorenz Steinmann und nicht von mir –, an einem Radrennen teilzunehmen.
Als Läufer kann man mit kurzen Distanzen beginnen und sich steigern, im Triathlon ebenso. Im Radfahren scheint es nur eine Kategorie zu geben: für Fast-Profis. Das kürzeste (!) Radrennen, das wir als Training fürs Alpenbrevet finden, ist die Kurzstrecke am Engadiner Radmarathon mit 1300 Höhenmetern.
Lorenz Steinmann, der in jungen Jahren bei Radrennen auch schon vorne dabei war, bleibt gelassen. Der Härtetest für ihn sind nicht die Höhenmeter, sondern der Platten fast zu Beginn des Rennens – und der Besenwagen, der von nun an unser Begleiter ist. Aber so wie Roger Federer einen 1:5-Rückstand wegsteckt und siegt, lässt es Steinmann auf den Passabfahrten so richtig sausen und holt auf. Ich mit meiner Höhenangst blicke rechts in die Tiefe – und bremse. Das hat den Vorteil, dass ich die wunderbare Aussicht geniessen kann. Um den Anschluss nicht zu verlieren, muss ich jedoch bergauf schneller fahren als Velokollege Steinmann. So treiben wir uns gegenseitig vorwärts und überqueren die Ziellinie gemeinsam – und nicht als Letzte. Das lässt Hoffnung aufkommen fürs Alpenbrevet.

Lorenz Steinmann: Warum ich bergab der Schnellere bin

Meine Rollerqualitäten als Hobbyvelofahrer sind legendär. Einmal in Schwung gekommen, sind meine 100 Kilo Kampfgewicht schnell wie eine Rakete. Dumm nur, dass mir dies bei Bergrennen wenig nützt, zumindest bergauf nicht. Ich kann nur darauf hoffen, dass mein Redaktions- und Velokollege Thomas Hoffmann vorsichtig den Susten-, Grimsel- und den Furkapass hinunterfährt. So kann ich meine verlorenen Minuten, wenn nicht gar Stunden, wieder aufholen. Doch stop! Hier tue ich Thomas Hoffmann unrecht. Denn beim Vorbereitungsrennen «Engadiner Radmarathon» stand er mir treu zur Seite wie der beste Edeldomestik seinem Captain. Nach meinem Platten in den dunklen Galerien des Livignotales war ich nervlich am Ende. Weil ich so langsam mit Pumpe und Ersatzschlauch hantierte, befanden wir uns plötzlich am Ende des Fahrerfeldes. Während Stunden verfolgte uns nun der Besenwagen. Fast minütlich halluzinierte ich einen Essenshalt herbei, eine Liege im Schatten oder zumindest ein kühles Bier in einer Bergbeiz. Doch Hoffmann, ganz uneigennütziger Helfer, motivierte mich immer wieder zum Weitermachen, zum Beissen und Kämpfen. Die Folge: Dank seinen Motivationskünsten schafften wir den Radmarathon vor Kontrollschluss. Ob wir das Ziel beim Alpenbrevet auch erreichen? Wenn Hoffmans Worte nichts nützen, habe ich noch einen Trumpf im Trikot: den Höhenunterschied. Denn es geht nicht nur 3700 Meter hinauf, sondern auch hinunter . . .  und da bin ich schnell, sehr schnell sogar.