Die Eisheiligen sind wohl Geschichte

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Die Eisheiligen sind des Gärtners grosse Angst im Frühling: Killt der Frost zarte Pflänzchen und Blüten? Die Analyse zeigt: Die Kalte Sophie und die anderen Eisheiligen haben etwas von ihrem Schrecken verloren. Die Furcht vor Nachtfrösten im fortgeschrittenen Frühling, wenn die Vegetation bereits im Saft ist, ist gross. Über Jahrhunderte traten in Mitteleuropa immer wieder Frühjahrsfröste auf, was zur Überlieferung führte, dass Mitteleuropa Mitte Mai häufig von einem Kaltluftvorstoss erfasst wird. Daraus hat sich der Witterungsregelfall der Eisheiligen entwickelt. Als Witterungsregelfall oder Singularität wird eine an bestimmten Kalendertagen mehr oder weniger regelmässig auftretende Abweichung vom mittleren jährlichen Gang der meteorologischen Elemente bezeichnet, wie Meteo Schweiz schreibt. Einige Bauern und viele Hobby-Gärtner schwören noch heute auf die Eisheiligen und pflanzen empfindliche Kulturen erst nach Mitte Mai.

Eisheilige abwarten?
Die Eisheiligen fallen auf die Tage vom 11. bis zum 14. Mai. Es sind
die Namenstage von Mamertus, Pankratius, Servatius und Bonifatius.
Als Abschluss dieser Kaltphase wird schliesslich die Kalte Sophie vom 15. Mai genannt. Laut Überlieferung soll der Frost nach den Eisheiligen für die Landwirtschaft keine Gefahr mehr darstellen. Wird auch die gregorianische Kalenderreform berücksichtigt, beginnen die Eisheiligen sogar erst am 19. Mai und enden mit der Kalten Sophie am 23. Mai. Allerdings orientieren sich die meisten Hobby-Gärtner interessanterweise an der mittelalterlichen Überlieferung, wonach die Gefahr von Nachtfrösten nach dem 15. Mai gebannt ist.
Auch dieses Jahr stellt sich die Frage wieder, ob Bauern und Hobby-Gärtner die Eisheiligen (mit oder ohne Kalenderreform) nun wirklich abwarten sollen.
Aus meteorologischer Sicht lässt sich der Witterungsregelfall der Eisheiligen anhand der Frosthäufigkeit im Frühling in Zürich untersuchen. Anhand des Messstandorts am Zürichberg lassen sich die Nachtfröste im Frühling der Jahre 1901 bis 2018 nachzeichnen.

Stetige Abnahme der Frostgefahr
Die Analyse dieser Messreihe für die Monate April und Mai zeigt deutlich, dass Nachtfröste im langjährigen Durchschnitt der Jahre 1901 bis 1990 nur an den Tagen bis zum 21. April regelmässig auftraten. Die Tage Anfang Mai brachten im Schnitt nur alle 10 Jahre einmal Frost in Zürich. Vom 3. bis zum 24. Mai bewegt sich die Auftretenshäufigkeit von Frost nur noch im Bereich von weniger als 5 Prozent.
Die Tage der Eisheiligen zeigen weder mit noch ohne gregorianische Kalenderreform eine höhere Frostwahrscheinlichkeit. Vielmehr ist eine stetige Abnahme der Frostgefahr von Anfang bis Ende Mai feststellbar. Tatsächlich treten Fröste ab Mitte Mai äusserst selten auf. Nach dem 24. Mai gab es seit knapp 120 Jahren in Zürich nie mehr einen Frost. Alle Hobby-Gärtner, die auf Nummer sicher gehen wollen, warten daher die Eisheiligen am besten mit Kalenderreform ab, bevor sie aussähen.

«Eisheilige im April»
Allerdings geht die globale Erwärmung auch an den Eisheiligen nicht spurlos vorbei. So hat sich die Frosthäufigkeit in den letzten rund 30 Jahren deutlich verändert. In der Periode 1991 bis 2018 gab es noch nie einen Frost im Mai. Der letzte Frost datiert auf den 28. April. Zudem sind Fröste nach dem 23. April heutzutage äusserst selten. Interessanterweise fanden die Eisheiligen in den vergangenen 30 Jahren im April und nicht mehr im Mai statt: Auf eine Phase mit häufigen Frösten Anfang April folgt eine frostfreie Phase vom 10. bis 19. April. Wer bereits dann mit den Gartenaktivitäten beginnt, kann allerdings von Frösten zwischen dem 20. bis 23. April überrascht werden, welche in dieser Zeit gehäuft (rund alle
7 Jahre) auftreten. Unter Berücksichtigung der Klimaveränderung lässt sich also festhalten, dass die Eisheiligen heutzutage nicht mehr abzuwarten sind. Hobby-Gärtner und Bauern können in der Region Zürich ihre Setzlinge ohne grosses Risiko bereits nach dem 23. April ausbringen. Wer «ganz» risikofrei vorgehen will, wartet jeweils bis zum 29. April. Bis Mitte Mai muss man heutzutage aber nicht mehr warten – es wären zwei «verlorene» Vegetationswochen. Silvan Rosser