Die Kultur lebt – trotz Corona-Krise

Erstellt von Christina Brändli |
Zurück

Ende März feierte die Livestreaming-Plattform «MusicStage.ch» Premiere. Es war die Idee von Astrid Leutwyler, klassische Konzerte aus Küsnacht weltweit live in die Wohnzimmer zu übertragen.

Ende März feierte die Livestreaming-Plattform «MusicStage.ch» Premiere. Es war die Idee von Astrid Leutwyler, klassische Konzerte aus Küsnacht weltweit live in die Wohnzimmer zu übertragen.

«Die Idee zu den Streaming-Konzerten kam mir bei einem Spaziergang. Dafür habe ich im Moment viel Zeit, da alle meine Konzerte bis im Herbst abgesagt wurden», erzählt die in Küsnacht wohnhafte Geigerin Astrid Leutwyler. «Wir befinden uns in einer aussergewöhnlichen Situation. Ich möchte den Menschen während der Corona-Krise eine positive Ablenkung in ihre Wohnzimmer bringen.»
Innerhalb von zwei Wochen waren die Vorbereitungen für das erste live gestreamte Konzert aus Küsnacht abgeschlossen. Dabei kamen ihr die guten Kontakte zu der Eventfirma «effekte.ch» zu Gute: «Sie waren sofort einverstanden, die nötige Technik bereitzustellen.» Auch auf die Zusagen der anderen Musikerinnen und Musiker wartete Leutwyler nicht lange: «Alle freuten sich, endlich wieder ein Konzert spielen zu können.»

Aufgeregter als sonst
«Ein Konzert in einem leeren Saal zu geben, war für uns alle eine ganz neue, ungewohnte Situation», erzählt Leutwyler. «Als Musiker leben wir von der Interaktion mit dem Publikum. Wir wussten nicht, was auf uns zukommt.» Die Aufregung war dementsprechend grösser als sonst, auch bei Leutwyler selbst: «Natürlich möchte man dieselbe Leistung bringen, wie wenn das Publikum anwesend ist. Ich wusste nicht, ob mir das gelingt.»
Die durchweg positiven Rückmeldungen der insgesamt etwas über 2000 Zuschauer zeigen, dass sowohl Leutwyler als auch die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Liebe zur Musik auch via Bildschirm zu ihrem Publikum transportieren konnten: «Viele der Zuschauer haben sich bei uns für das schöne Erlebnis bedankt. Das bedeutet uns sehr viel», freut sich die Küsnachter Geigerin.
Die Organisation habe problemlos funktioniert: «Am schwierigsten war es aufzuzeigen, wie wir die Weisungen des Bundes einhalten werden», berichtet Leutwyler. «Zum Beispiel sollten nie mehr als fünf Personen im selben Raum sein.» Dazu setzte die Organisatorin vermehrt auf Einzelauftritte. Von den drei Kameras im Raum war nur eine von einem Kameramann bedient, die anderen beiden sowie der Ton wurden von einem Mischpult im Nebenraum gesteuert.

Keine Einnahmen Der finanzielle Druck, der auf der Branche lastet, sei gross, so Leutwyler: «Viele arbeiten als freischaffende Musiker. Ohne Aufträge haben sie keine Einnahmen.» Ihr war es deshalb ein grosses Anliegen, dass die Künstlerinnen und Künstler sowie die Techniker für ihren Einsatz eine symbolische Gage erhalten. Bei der Finanzierung wird Leutwyler sowohl von der Gemeinde Küsnacht als auch von Gönnerinnen und Gönnern unterstützt. Wie lange Leutwyler das Portal betreut, steht noch offen: «Ganz bestimmt bis der Bund seine Anweisungen bezüglich Veranstaltungen lockert oder sogar aufhebt.» Gespräche für weitere Konzerte sind bereits im Gange, weitere Auftritte sind schon erfolgt (siehe Box). «Da die Organisation sehr kurzfristig möglich ist, sind wir sehr flexibel.» Dass nach der momentanen Ausnahmesituation noch ein Bedürfnis nach der Liveübertragung von Konzerten besteht, zweifelt Leutwyler an: «Es ist möglich, dass Liveübertragungen zusätzlich angeboten werden. Doch dass ein gestreamtes Konzert ein richtiges ersetzt, kann ich mir nicht vorstellen.» Und wie geht es der Musikerin Astrid Leutwyler persönlich während dieser Corona-Krise – Leutwyler, die Preisträgerin des Küsnachter Kulturpreises ist, die zusammen mit ihrer Schwester Sonja nicht nur diesen Preis gewonnen hat, sondern auch Mitorganisatorin des Küsnachter Klassikfestivals ist? «Mein Alltag hat sich trotz Corona-Virus nicht sonderlich verändert», sagt sie. «Ich bin es gewohnt, tagelang allein zu sein und zu üben. Natürlich fehlen mir die Konzerte und der Austausch.» Finanziell hat Leutwyler Glück: «Ich habe mehrere Standbeine. Aber ich hoffe für uns alle, dass sich die Situation bald entspannt.»