Die Migros zieht sich überraschend zurück

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Etwas unerwartet, aber definitiv: Die Migros will den geplanten Neubau auf dem Küsnachter Parkplatz nicht realisieren.

«Mit dem Kopf durch die Wand» wollte die Migros in Küsnacht von Anfang an nicht. Die Vorsicht ist berechtigt. Bereits die Gemeinde hat sich auf dem Areal hinter dem Bahnhof für sehr viel Geld die Zähne mit zwei gescheiterten Überbauungsvorlagen ausgebissen. Nun steht fest: Der Grossverteiler begräbt seine Pläne, dort eine grössere Filiale zu bauen. In einer aktuellen Pressemitteilung heisst es, man habe «eine Neueinschätzung der Entwicklungsrisiken» vorgenommen und das Projekt «aufgrund dessen Geschichte und dem bereits im Vorfeld laufenden politischen Diskurs» eingestellt. Ob die aktuelle Corona-Krise das Ihrige zum Entscheid beigetragen hat, beantwortet die Migros-Sprecherin Annabel Ott ausweichend. Hauptgrund scheint das Risiko zu sein, an der Urne nicht auf den Goodwill der Bevölkerung zählen zu können. Die Abgabe des gemeindeeigenen Landes im Baurecht hätte an der Urne legitimiert werden müssen.

«Schade, wir schaffen es nicht»

Bedauernde Worte findet Küsnachts Gemeindepräsident Markus Ernst (FDP): «Ich finde es schade, dass wir es nicht schaffen, diesen für unser Dorf zentralen Ort sinnvoll zu entwickeln und zu nutzen.» Dass die Umfrage – auch wenn nicht repräsentativ – ein anderes Resultat zeigte, nämlich dass die Bevölkerung den neuen und grösseren Migros will, hält Ernst «nur für einen von vielen Faktoren in den Überlegungen der Migros». Die Migros selbst hatte die Ladenfläche ihrer bestehenden Filiale in Küsnacht an der Ecke Zürich-/Oberwachtstrasse mit 1000 Quadratmetern, gemessen an der Bevölkerungszahl, für zu klein befunden. Die neue Filiale hätte einen Drittel mehr Fläche geboten. Für Ernst wäre es zudem wünschenswert gewesen, eine «möglichst attraktive Einkaufsmöglichkeit im Zentrum» zu haben. Man sehe die Probleme bei den Nachbargemeinden, wenn grosse Detaillisten an die Peripherie ziehen.

Lieber ein lebendiges Zentrum

Anders sieht dies Urs Esposito, Architekt in Küsnacht, der es schon bei der damaligen Infoveranstaltung zu den Plänen der Migros als «Armutszeugnis» der Gemeinde wertete, dass sie die Zentrumsplanung aus der Hand geben will. «Ich begrüsse deshalb den aktuellen Entscheid.» Gerade die Corona-Krise habe gezeigt, wie wichtig die Nutzung der Erdgeschosse für ein lebendiges Zentrum sei: «Alterscafé, Repaircafé, Blumenladen, Spitexstation – solche Nutzungen können das Zentrum durch Verzicht auf maximale Rendite lebendig halten.» Es müsse auch nicht sofort alles überbaut werden, meint er weiter, «eine gewisse Raumreserve braucht auch die nächste Generation».

Hermann Gericke, Initiant der Parkdeck-Initiatve, die damals die Überbauungspläne der Gemeinde für das Areal konkurrenzierte, hätte das Migros-Projekt für «optimal» gehalten und bedauert den Rückzug. «Das Projekt erfüllt die kurz- und langfristigen Bedürfnisse aller Beteiligten und hätte auch die notwendige Vergrösserung der Anzahl Parplätze gebracht.» Auch Kantonsrat Hans-Peter Amrein (SVP) bedauert den Entscheid, schliesslich sei schon viel Vorbereitungsarbeit getätigt worden. Allerdings räumt er ein, dass das Projekt von Anfang an unter einem schlechten Stern gestanden hätte. «Die Migros ging resolut vor, die Gemeinde zog mit und seitens der Gemeinde gab es keine öffentliche Ausschreibung oder einen erneuten Ideenwettbewerb.»

Fest steht: Für die nächsten Jahre gibt es keine weiteren Pläne für das Areal. (Manuela Moser)