Donald und die Primzahlen

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Mathematiker Christoph Luchsinger von der Universität Zürich analysiert kurz vor den Präsidentenwahlen in den USA Donald Trumps Primzahlkenntnisse.

Der Mann, der sich noch Präsident der USA nennt, weiss über alles Bescheid. Rassenunruhen? Linke Unruhestifter sind schuld. Niedergang der Industrie? Strafzölle gegen China. Coronavirus? Stellt euch unters UV-Licht und injiziert Desinfektionsmittel. Nur zu mathematischen Fragen hat er sich noch nicht geäussert. Eigentlich schade, denn das sähe so aus:

Zuerst die irrelevanten Fakten: Primzahlen sind natürliche Zahlen grösser 1, welche nur durch sich selber und 1 teilbar sind. Für welche Zahlen gilt das nun? Was allen Forschern am MTI, oder war es das MIT – egal –, entgangen ist: Donald hat es herausgefunden und getwittert: alle ungeraden Zahlen sind Primzahlen: 3, 5, 7, 9, 11, 13 und so weiter. Donald wird im Weissen Haus bei einer Pressekonferenz zu einer lästigen Nebensache (Corona, Russland, China, Arbeitslosigkeit) auch darauf angesprochen. Die ekelhafte Journaille wagt es tatsächlich: «Mr President, Sie sagen 9 sei eine Primzahl, aber 9 ist doch 3 × 3 und damit durch 3 teilbar!»

Donald: «Fake-News. Glauben Sie mir: 9 ist eine grossartige Primzahl. Man kann Primzahlen sicher auch anders definieren! Ich habe nur gesagt, dass alle ungeraden Zahlen Primzahlen sind. Ich glaube, wir brauchen mehr Primzahlen, und wenn alle ungeraden Zahlen Primzahlen sind, ist das besser für Amerika. Ich werde es zu einer zentralen Aufgabe meiner Administration machen, dass jeder Amerikaner eine Primzahl bekommt. Wir brauchen mehr und bessere Primzahlen als Russland, China und Indien zusammen. Wir werden Millionen und Billionen von Primzahlen schaffen.» Journaille: «Aber Forscher am MIT behaupten, dass es sowieso unendlich viele Primzahlen gibt. Was Sie, Mr President, hier präsentieren, ist eine Lösung auf der Suche nach dem Problem. Zudem haben Sie ja gerade selber gesagt, dass alle ungeraden Zahlen Primzahlen sind – was wollen Sie mehr?»

Donald: «Viele Leute sagen, dass auch alle geraden Zahlen Primzahlen sind; ich habe gehört, sogar 2 sei eine Primzahl – ich glaube, alle Zahlen sind Primzahlen.»
Debriefing mit seinem Chefmathematiker, ein hervorragender Mann: «Mr President: Das haben Sie sehr gut gemacht, aber nur ganz kurz: 2 ist die einzige gerade Primzahl – weil 4, 6, 8 und so weiter alle durch sich selber, durch 1 aber eben auch durch 2 teilbar sind (deshalb nennt man sie «gerade»). Nicht alle ungeraden Zahlen sind zwingend Primzahlen, es gibt aber unendlich viele Primzahlen – das zeigt man am Anfang jedes Mathematikstudiums. Sprechen Sie doch besser von Primzahlzwillingen – das sind zwei Primzahlen im Abstand von 2 wie 11 und 13. Ob es unendlich viele Primzahlzwillinge gibt, weiss man nämlich nicht – nicht mal diese sogenannten Wissenschafter vom MIT. Da können Sie dann sagen, was Sie wollen.» – «You’re fired!»

Christoph Luchsinger ist Mathematikdozent an der Universität Zürich und Kleinunternehmer. In seiner regelmässig auch im «Schweizer Monat» (schweizer-monat.ch) erscheinenden Kolumne kommt er alltäglichen mathematischen Geheimnissen auf die Spur. Luchsinger wohnt in Zürich-Wollishofen. Die englische Version dieser «Trump»-Kolumne ist zu finden auf www.acad.jobs/trump