«Ein bisschen Moralin, heiter verpackt»

Erstellt von Urs Heinz Aerni |
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Mit einem «real-surrealen» Roman mit Katzen als Hauptfiguren debütiert der Feuilletonist und Literaturvermittler Heiko Strech aus Albisrieden. Im Gespräch erläutert er die Hintergründe und sein Verhältnis zu diesen Tieren.

Heiko Strech, das Setting Ihres Buches überrascht: Eine Zürcher Familie namens Frisch wird durch Katzen erweitert, die denken und sprechen. Es scheint Ihnen ein Anliegen zu sein, dass Katzen halt doch mehr sind, als wir bisher erahnen. Wie kam es zu dieser Ausgangslage?

Heiko Strech: Als ich einmal von einer schweren Autoimmunkrankheit befallen war, setzte sich unser Kater Nico immer lange vor mein Bett, legte den Kopf schief und betrachtete mich sozusagen wie ein Arzt. Dann sprang er aufs Bett, leckte mich, schnüffelte mich wie mit einem Stethoskop ab und kuschelte. Seinen gewohnten Schlafplatz verlegte er in mein Zimmer. Als ich unserem Tierarzt einmal fast verlegen sagte, Katzen hätten doch wohl so eine Art Seele, zog der die Augenbrauen hoch und sagte: «Das ist doch klar!»

Sie geben Katzen Namen wie Kartini, Nico, Rossini, Pfnüsi oder Pasok. Nach welchen Kriterien wählten Sie diese ­Namen?

Einen Kriterien-Namenskatalog für unsere Katzen hatten wir nicht. Aber Anstösse für die Namen gab es. Der musizierende Kater Nico hatte zum Vorbild einen Schulkameraden, der toll Cello spielte. Kartini im Roman nannten wir nach einer indonesischen Prinzessin, einer Früh-Emanzipierten. Der lebhafte Kater Rossini hiess wegen seines rotgetigerten Pelzes so. Und wegen dem Tempokomponisten Rossini.

Und «Pfnüsi»…

… war ein Kater auf Lanzarote mit einer Lungenentzündung, den ein Veterinario heilte. In Griechenland tauften wir einen Kater «Pasok», weil damals gerade die Sozialistenpartei «Pasok» am Ruder war.

In einer Ihrer amüsanten Geschichten nehmen die beiden Kinder Anna und ­Andreas ihre Katzen zu einem Besuch bei ihrer Mutter am Arbeitsplatz mit; sie ist Redaktorin bei einer Zeitung. Die Katzen lösen auf der Redaktion eine Themenverlagerung von Krieg und Flucht zu Elefanten und Zirkus aus. Wie kam diese Story zustande?

Durch einen Zusammenschnitt von Redaktionssitzungen, die ich immer als ebenso faszinierendes wie chaotisches Themen-Potpourri vom Menschenkrieg bis Tierzoo empfand.

Es ist ihr erstes Buch. Bisher haben Sie Buchbesprechungen geschrieben und sind mit literarischen Bühneninszenierungen zu Dickens, Böll, Twain, Fontane oder auch Karl May aufgetreten. Ein lang gehegter Wunsch zum Rollenwechsel?

Nein, überhaupt nicht. Ich habe die «reine Kunst» nie beweihräuchert. Journalismus kann durchaus «Gebrauchs- Schreibkunst» sein. An meinen Rezensionen habe ich stets lange gefeilt, um den Schriftstellern und Dichterinnen formal ein bisschen gerecht zu werden. Der Katzenroman entstand aus einem Katzen-Tagebuch. Meine Frau hat mich dann mal zum Roman ermuntert.

Wir stossen bei der Lektüre auf den Oberkatzen-Engel im Himmel. Tod und Abschied sind also auch Themen im Buch. Es hat Witz und Ironie , doch beim Lesen entsteht auch Melancholie. Gewollt?

Ja, sehr gewollt. Abschied, Leid und Tod gehören zu Mensch und Tier. Das wollte ich nicht ausklammern. Es war jedoch kein blosser Vorsatz. Natürlich haben uns die Krankheiten, die Klagen und das Einschläfern-Müssen unserer Katzen sehr mitgenommen. Das musste ich doch irgendwie verarbeiten.

Hatten Sie ein literarisches Vorbild in Stil und Form?

Nicht direkt. Aber ich wollte – mit gehörigem Genie-Abstand – ähnlich wie Theodor Fontane Schweres mit Leichtem verknüpfen.

Wie hat Ihre Beschäftigung mit klassischer Weltliteratur für die Bühnenprojekte das eigene Schreiben beeinflusst?

Beim Lesen einer meiner Buch-Rezensionen habe ich fast zufällig entdeckt, dass ich manchmal in den Stil des betreffenden Autors hineingerutscht bin. Rhythmik und Melos lagern sich wohl im Unbewussten eines Lesers ab, der wie ich auch schreibt.

Als geborener Berliner leben Sie mit Ihrer Frau seit 1964 in Zürich, mit prächtiger Aussicht auf die Stadt. Was geht ihnen so durch den Kopf, wenn Sie diese heute betrachten?

In Berlin und später in Düsseldorf habe ich gerne gelebt. Auch Zürich finde ich eine sehr lebenswerte Stadt. Ich liebe Orte mit Wasser. Fluss oder See – alle drei Städte «liefern» das. Von unserer Dachterrasse aus habe ich stets fasziniert die Veränderungen des Zürcher Stadtbildes beobachtet …

Aber?

Ich habe nichts gegen moderne Architektur – es gibt grossartige Beispiele dafür. Aber bei vielen uniformen Hochhäusern fehlt mir etwas Spezielles, «Schweizerisches, Zürcherisches». Mit ein bisschen Farbe oder Fenster-Rhythmik wäre schon viel erreicht. Ein schön-nostalgischer Lichtblick ist der alte Ortskern von Albisrieden.

Ihr Buch ist während des Lockdowns erschienen, mit geschlossenen Buchhandlungen und Produktionsstaus bei Verlagen. Wie gehen Sie damit um?

Es trifft auch mich hart. Aber Literatur setze ich ja nicht absolut. Ich klage nicht. Wie viele Millionen Menschen sind in Beruf und Privatleben existenziell durch die böse Fee Corona bedroht!

In einer Passage Ihres Buches lesen wir, dass im Himmel die Mäuse gleich gross wie die Katzen sind und es deshalb nur noch «Spass-Jagen» und «Spiel-Fliehen» gibt. Eine humorige Appellation an mehr Gerechtigkeit?

Aber ja! Ich bin vom hohen Wert persönlicher Moral überzeugt. Deshalb habe ich in meinem Katzenbuch hier und da auch ein bisschen Moralin verspritzt – aber heiter verpackt wie im Katzen-Mäuse-Himmel-Beispiel.

Sie haben sich bisher der Kultur, den Theaterbühnen und der Literaturvermittlung gewidmet – mit einer Art «Krönung» durch das eigene Buch. Was steht noch an?

So Corona will, möchte ich mit meinen Dialog-Lesungen mit Sprech- und Musik- Partnerinnen wieder anfangen. Ich mache das seit 2006. Geplant ist zunächst ein Hommage-Abend über Heinrich Mann, später über Dostojewski. Ein düsterer Roman um einen gut maskierten menschenfeindlichen Psychopathen spukt in meinem Kopf herum. Und da wuseln auch wieder ein paar Katzen.

Das Buch: «Kartini, Nico und Rossini – ein real-surrealer Katzenroman» von Heiko Strech, 112 Seiten, Bucher Verlag, 2021, ISBN 978-3-99018-565-0.
www.heiko-strech.com

 

Heiko Strech

Heiko Strech, geboren 1940 in Berlin. Eltern bildende Künstler. Theaterausbildung in Essen. Germanistik- Studium in Köln und Zürich. Dissertation über Theodor Fontane. Lebt seit 1964 in Zürich, verheiratet mit Journalistin Marlies Strech-Widmer. Der Autor arbeitete als Gymnasiallehrer, Journalist und Dozent für Sprechausbildung an Schulen und Hochschulen. Theater mit Laien und Profis. Seit 2006 Autoren-Dialog-Lesungen samt Kommentar mit Sprechpartnerin und Musikerin. Als deutsch- schweizerischer Doppelstaatsbürger sucht der Autor die Macken beider Völker zu verstehen, nicht nur jene der Katzen. (uae.)