Ein erfülltes Leben als Kinderarzt

Erstellt von Jeannette Gerber |
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Vor über 50 Jahren hatte Willy Krauthammer in der Enge eine Kinderarztpraxis gegründet. Als ältester praktizierender Kinderarzt der Schweiz hörte er 2011 auf, arbeitete jedoch bis Ende 2019 weiter als Kinderneurologe. Nun blickt er als 90-Jähriger zufrieden zurück.

In Zürich 1930 geboren, in Herisau aufgewachsen, in St. Gallen das Gymnasium absolviert, in Zürich studiert, in Basel, London und Paris ausgebildet, gründete Willy Krauthammer vor über 50 Jahren seine Kinderarztpraxis in der Enge. Er war Kinderarzt, jedoch auch Spezialist für Kinderneurologie, und er war einer der ersten Ärzte der Schweiz, die in einer Privatpraxis über einen Elektroenzephalografie-Apparat zur Messung der Hirnaktivitäten verfügte. Dieses Gerät zeichnet mithilfe von Elektroden grafisch die Aktivitäten der Hirnzellen auf. Somit konnte schon damals Kindern mit Epilepsie geholfen und auch solchen mit anderen Hirnschäden die Chance auf ein gutes Leben eingeräumt werden. Und er war 1988 Mitbegründer der Schweizerischen Gesellschaft für Neuropädiatrie.

Ein Leben für den Beruf

Neben seiner Tätigkeit in der Praxis war er an zwei Kliniken in Zürich engagiert, und am Wochenende versah er öfters den Notfalldienst. Zur Zeit der Drogenszene in Zürich wurde er häufig an die Riviera gerufen. «Als dies das erste Mal der Fall war, glaubte ich, ich müsse an die französische Riviera reisen», erzählte er schmunzelnd im Interview, da ihm dieser Begriff nicht geläufig war.

Krauthammer gehört wohl zur aussterbenden Spezies von Ärzten, die ihr Leben dem Beruf und den kleinen und grösseren Patientinnen und Patienten opferten. Für ihn bedeutete es jedoch kein Opfer, denn er liebte seinen Beruf. Seine Frau Doris hat ihn all die Jahre in jeder Hinsicht unterstützt. Nachdem sie ihre drei Kinder – eine Tochter und zwei Söhne – grossgezogen hatte, führte sie bis vor kurzem eine Buchhandlung in Thalwil. Inzwischen sind sie Grosseltern von sieben Enkelkindern. Schon Vater Krauthammer war Arzt, und seitdem gab es in jeder der bisher vier Generationen der Familie mindestens einen Mediziner.

Heuer feierte Krauthammer seinen 90. Geburtstag. 2011 gab er als ältester noch praktizierender Kinderarzt der Schweiz seine Tätigkeit auf, arbeitete jedoch bis November 2019 auf seinem Spezialgebiet als Kinderneurologe weiter. Zu dieser Zeit fand er am Kinderspital eine würdige Nachfolgerin in Dr. Tamar Stricker, die seine Praxis an der Seestrasse seit 2011 als Kinderärztin mit dem Spezialgebiet Gynäkologie für Mädchen in der Pubertät weiterführt. Mit Stricker arbeitete er fast acht Jahre lang im gegenseitigen Austausch erfolgreich zusammen.

Seinen verdienten Ruhestand kann er zusammen mit seiner Frau Doris in guter Gesundheit geniessen. Sie widmen nun ihre Zeit gemeinsam ihren Kindern und Grosskindern völlig unbeschwert, von sämtlichen Verpflichtungen entlastet.

Klavierstunden als 90-Jähriger

«Ich habe bereits in der Jugend Klavier gespielt und das jetzt wieder aufgenommen, und ich nehme Stunden bei einem Klavierlehrer. Denn das Hirn und die Finger beweglich zu erhalten, hilft gegen Verkalkung.» Es fällt auf, dass er immer ein Lächeln auf seinem freundlichen Gesicht hat, ebenso wie seine Frau Doris. «Und wir beide freuen uns, dass bis heute Briefe von dankbaren Patientinnen und Patienten eintreffen», erwähnte das Ehepaar.

Eines seiner Hobbys als junger Arzt war das Filmen. Damals drehte er einen Film für das Basler Kinderspital mit dem Titel «Ein Tag am Kinderspital», der anlässlich des 150-Jahr-Jubiläums des Spitals vorgeführt wurde. Darin werden sämtliche Abläufe in diesem Spital während 24 Stunden gezeigt. Auch der Pharmakonzern Sandoz offerierte ihm als Jugendlichem, die Filmabteilung des Unternehmens zu übernehmen. Doch verzichtete er, denn er wollte sich ganz der Medizin widmen, was er über 50 Jahre lang erfolgreich tat. Jetzt hat Willy Krauthammer auch wieder Zeit für dieses Hobby.