Mit dem neuen Gefängnis mit dem Namen «Zürich West» auf dem Areal des Polizei- und Justizzentrums will die Justizdirektion das Image der umstrittenen Untersuchungshaft aufmöbeln.
Die Untersuchungshaft im Kanton Zürich gilt nach wie vor als die härteste der Schweiz. Die Regel: 23 Stunden täglich allein oder zu zweit eingeschlossen, Duschen nur zweimal wöchentlich, Sport fast nie. Dabei gelten Menschen in Untersuchungshaft juristisch als unschuldig. Trotzdem ist die U-Haft die härteste Haftform, die es gibt. Oft werden die strengen Haftbedingungen mit Kollusionsgefahr begründet. Kollusion bedeutet, dass der Verdächtige Beweismittel vernichten oder Zeugen beeinflussen könnte.
Insbesondere der Kanton Zürich wurde wegen seines strengen Haftregimes jahrelang kritisiert. Kritik gab es etwa von der nationalen Kommission zur Verhütung von Folter – wegen der langen Einschlusszeiten. Oder auch von Anwaltsverbänden – wegen der restriktiven Kontaktmöglichkeiten nach aussen.
Unter den Amtsvorgängern von Jacqueline Fehr, etwa Moritz Leuenberger und Markus Notter (beide SP), änderte sich nichts Nennenswertes am harten Gefängnisregime. Doch Jacqueline Fehr (SP) will nun die U-Haft im Kanton Zürich reformieren, wie sie vergangene Woche an einem Mediengespräch betonte. Dabei ist das Projekt schon recht weit gediehen. Im Gefängnis Pfäffikon sind die Zellentüren neu bis zu neuneinhalb Stunden geöffnet, wie es in einem SRF-Bericht heisst. Seit kurzem können Häftlinge in dortiger U-Haft zudem tagsüber arbeiten und zeitweise auch Sport treiben.
Verhaftung als riesige Dramatik
Ähnliches soll auch im neuen Gefängnis Zürich West gelten, wie der Leiter Marc Eiermann bekräftigte. «Alte, enge und dunkle Gefängnisse färben auf die Stimmung ab», sagt der gelernte Pflegefachmann. Seine Erfahrungen aus der Notfallstation am Universitätsspital will er in den Gefängnisalltag einbringen. Wie bei einem Notfall im Spital sei der Schock enorm gross. Bei der U-Haft wird der Bezug zur Aussenwelt abgeschnitten. Das Handy wird einem weggenommen, Angehörige darf man nicht benachrichtigen. Die Dramatik ist riesig, die Ängste sind immens. Dabei ist es das erklärte Ziel von Eiermann, quasi schon bei der Verhaftung mit der Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu beginnen. Man wolle die Menschen auf ein deliktfreies Leben vorbereiten.
Für mildere Haftbedingungen
Diesem Ziel pflichtet auch Roland Zurkirchen, Direktor Untersuchungsgefängnisse Kanton Zürich, bei. Für ihn ist wichtig, bei Häftlingen, die keine Beweismittel vernichten oder Zeugen beeinflussen, die Haftbedingungen zu mildern. Was aber bleiben wird, sind Trennscheiben bei Besuchen von Angehörigen. «Isolieren nach aussen, öffnen nach innen», lautet sein Credo. Sprich, ohne Trennscheiben wären die Körperkontrollen zu kompliziert. Dafür sollen Häftlinge neu zusammen oder allein essen dürfen, es soll zudem eine Bibliothek geben. «Bildung im Strafvollzug ist uns wichtig», betont Zurkirchen.
Kleine Musterzelle
Bei der Besichtigung einer Musterzelle (im noch stehenden Teil des alten Güterbahnhofs) wird eines klar: trotz der skizzierten Reformen bleibt die U-Haft eine zumindest räumlich enge Angelegenheit. Zwei Betten in einem engen Schlauch. Immerhin ist das WC mit einer Schiebetüre abgetrennt. Auffällig: Der Fensterrahmen zeigt Spuren eines versuchten Ausbruchs. Gefängnisleiter Marc Eiermann lacht und sagt: «Die Rahmen müssen noch stabiler werden. Wir haben bemerkt, dass die Fenster zwar bruchsicher sind, dafür hapert es bei den Rahmen.» Bis zur Eröffnung des Gefängnisses bleibt noch ein wenig Zeit, um das in Ordnung zu bringen. Total können ab April 2022 auf dem Areal des neuen Polizei- und Justizzentrums 281 Häftlinge untergebracht werden. Das sind 66 Prozent der kantonsweit 423 U-Haft-Plätze. Das Gefängnis Zürich West kommt punkto Gefängnisplätze also nahe an die Kantonalzürcher Nummer 1, das Gefängnis Pöschwies in Regensdorf mit 374 Plätzen, heran.
Kasernengefängnis kommt weg
Mit der Eröffnung des Gefängnisses Zürich West wird das langjährige Provisorium bei der Kaserne aufgehoben. Bestehen bleibt aber das Gefängnis beim Bezirksgebäude. Jenes Gefängnis Zürich bietet 153 Plätze. «Gibt es denn künftig mit dem neuen Gefängnis nicht ein Überangebot? Roland Zurkirchen winkt ab. Jetzt seien die U-Haft-Gefängnisse immer zu 100 Prozent belegt. Da sei eine Entspannung angezeigt. Immerhin dürfen etwa 50 Prozent der Untersuchungshäftlinge nach spätestens einem Monat die Gefängnisse wieder in die Freiheit verlassen. Vor der Eröffnung im April 2022 will der Kanton Zürich sein neues Gefängnis Zürich West testen. Freiwillige, die erfahren möchten, wie sich eine Untersuchungshaft anfühlt, können sich bald melden. Dabei soll der Gefängnisbetrieb möglichst realitätsnah simuliert werden. Das heisst: kein Handy, keine Bücher, keine Kontakte zu Angehörigen. «Nur auf die Leibesvisitation wird verzichtet», so Marc Eiermann. Zudem werde ein Passwort vereinbart werden, mit dem die Freiwilligen anzeigen können, dass der Versuch abgebrochen werden soll.
Kein Tag der offenen Türe?
Noch nicht klar ist, ob und wie die lokale Bevölkerung das neue Gefängnis von innen anschauen kann. Der Kanton hat noch nicht entschieden, ob es einen Tag der offenen Tür geben wird. Erschwerend ist, dass das Polizei- und Justizzentrum, wie es der Name schon sagt, von zwei Kantonalen Direktionen betrieben werden wird. Es ist die Justizdirektion mit dem Justizvollzug und der Wiedereingliederung sowie der Staatsanwaltschaft. Dazu kommt die Sicherheitsdirektion mit der Kantonspolizei und dem Migrationsamt.
Jacqueline Fehr, Roland Zurkirchen und Marc Eiermann lassen am Medienanlass durchblicken, dass bei der Zusammenarbeit mit der Sicherheitsdirektion noch Luft nach oben besteht.
«Es sind getrennte Direktionen mit eigenen Vorgaben und verschiedenen Kulturen, etwa bei der Polizei und bei den Staatsanwälten», sagt Marc Eiermann.
Immerhin befinden sich die Abteilungen nun im gleichen Gebäude, so sind schon mal die Fusswege kurz.
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Die aufwendige Suche nach dem geeigneten Gefängnispersonal
Das neue Gefängnis Zürich West im Polizei-und Justizzentrum Zürich (PJZ) wird voraussichtlich im April 2022 den Betrieb aufnehmen. Im Oktober 2020 hat der Kanton die Stelleninserate für 100 Mitarbeitende ausgeschrieben. 808 Bewerbungen sind dafür eingegangen. Nun sind laut Gefängnisleiter Marc Eiermann 70 Prozent der Stellen besetzt. Das Medianalter liegt bei 37 Jahren, das Geschlechterverhältnis ist ausgewogen. Darum muss sich der Kanton noch etwas einfallen lassen, denn geplant wurden spürbar mehr WCs und Garderoben für Männer als für Frauen. Für die zweite Rekrutierungswelle, die bald starten soll, wünscht sich der Kanton mehr Leute, die bereits Erfahrung im Justizvollzug mitbringen, sprich, es sollen Leute angesprochen werden, die jetzt schon in einem Gefängnis arbeiten. Laut Marc Eiermann kommt erschwerend hinzu, dass es beim PJZ keine Parkplätze für das Gefängnispersonal hat. Momentan arbeiten schon 37 Leute fürs Gefängnis Zürich West. Eiermann betont, dass man im Team für den Kanton untypisch per Du sei. (ls.)