Bruno Schlatter, pensionierter Berufsfotograf und Autor aus Albisrieden, überrascht von Neuem. Nach seinen Weihnachtsgeschichten erscheint Ende Monat ein neues Buch von ihm. Es heisst «Gwendolin - Die Abenteuer eines kleinen Heugümpers».
Das liebevoll fotografierte Werk überzeugt mit der abenteuerlichen Geschichte eines frisch geschlüpften Heugümpers, der auf der Reise zum Grosssein seine kleine Welt entdeckt. Gwendolin lernt unter anderem einen klugen Schmetterling kennen, ein etwas eitles Taubenschwänzchen und eine Libelle, die eine veritable Stinklaune hat. «Mit ›Gwendolin‹ ist Bruno Schlatter ein Buch gelungen, das uns mit der Wunderwelt der kleinen Wesen verzaubert", lobt der ehemalige Zürcher Zoodirektor Alex Rübel auf dem Cover. Doch wie kam es überhaupt dazu? Wie entstand das farbenprächtige Buch? Hier ein Auszug, das selbsterklärende Vorwort, das übrigens nicht wie so manche solchen Texte staubtrocken daher kommt. Nein es ist eine typische, fesselnde Schlatter-Geschichte!
Wie das Kinderbuch» Gwendolin entstand, oder "Bruno, was sitzt da auf der Blume"?
Während der letzten Sommerferien entdeckte unser Enkel Vincent, 7, im Dorf meiner Frau in Spanien ein kleines Wesen im Garten und fragte: »Bruno, was sitzt da auf der Blume?« (Vincent und seine Schwester Lou, 4, nennen mich Bruno und nicht Grossvater oder Abuelo, wie es auf Spanisch heisst.) Nie hätte ich mir vorstellen können, was aus dieser Situation entstehen würde. Ich folgte mit meinem Blick dem ausgestreckten Zeigefinger und sah – nichts. Erst als der Bub das kleine, grüne Ding, das auf dem Pfingstrosenblatt sass, anstupste, erkannte ich den winzigen Heugümper. Mit seinen grossen Augen, in denen rote Streifen zu sehen waren, schaute er keck in die Welt. Ich holte meinen Fotoapparat, lichtete ihn ab und gab ihm den Namen Fridolin. Lou, die auch hinzugekommen war, meinte allerdings, das sei ein ganz falscher Name, denn der Heugümper sei definitiv eine Heugümperin. So tauften wir Fridolin halt um, und zwar auf den Namen Gwendolin. Die beiden Kinder suchten Gwendolin in den nächsten Tagen immer wieder und fanden sie tatsächlich jedes Mal. Doch dann kam der Tag, an dem Gwendolin verschwunden war. Dafür entdeckten die Kinder einen anderen Heugümper, so klein, wie ich noch nie einen gesehen hatte. Er war nur etwa zehn Millimeter lang, und natürlich bekam ich die Aufgabe zugeteilt, auch diesen Winzling zu fotografieren.
Obwohl ich jahrelang Pressefotograf gewesen bin, war das eine echte Herausforderung. Als ich diese gemeistert hatte, mailte ich das Bild einem Fachmann, und er klärte mich auf, das sei eine soeben geschlüpfte Heuschreckennymphe. Ich bekam sie noch an zwei weiteren Tagen vor die Linse, dann war auch sie unauffindbar. Und dann kam ich auf die Idee, mit den Kindern zusammen im Garten weitere kleine Tiere zu suchen und ihnen so den Kosmos der Insekten näherzubringen. Wir fanden Schmetterlinge, Bienen, Wespen, Käfer, Gottesanbeterinnen, Libellen und viele andere fliegende Wesen. Natürlich hofften wir, nochmals eine kleine Gwendolin zu finden, aber der einzige Heugümper, den wir entdeckten, sah ganz anders aus. Wir tauften ihn auf den Namen Oliver und dachten uns aus, dass er und alle die anderen Tiere, die ich fotografierte, Freunde von Gwendolin würden, die sie beschützten und ein Stück ihres Weges mit ihr gingen.
So fingen wir an, rund um all die fleuchenden und kreuchenden Geschöpfe eine kleine Geschichte zu spinnen. Ja, und dann kam der Gedanke, aus den Bildern und den Geschichten über Gwendolin, ihren Freund Oliver, den Segelfalter Billi und alle die anderen ein Kinderbuch zu machen. Ich war mir sicher, dass unsere spanischen Verwandten und Freunde denken würden, dass »der Schweizer« jetzt definitiv spinnt. Weit gefehlt! Eines Tages kam mein Schwager Sebastian mit einem Gurkenglas vorbei, darin ein prachtvolles Heugümper mit den rot gestreiften Augen. Das perfekt Double für Gwendolin. Er kam als Fotomodell für vierundzwanzig Stunden in das grosse Terrarium, das ich von meiner Familie geschenkt bekommen hatte, die damit mein Kinderbuch-Projekt unterstützen wollte. Der Heugümper schien sich sehr wohlzufühlen in dem Terrarium, liess sich wunderbar an verschiedenen Orten platzieren und kroch mir auf den Finger. Kurz nachdem wir ihn freigelassen hatten, und zwar genau an dem Ort, an dem Sebastian ihn gefunden hatte, entdeckten wir die Gottesanbeterinnen in Marias wunderbarem Garten. Dann fiel ein kleiner Gecko in unseren Pool, den Lou unbedingt in der Geschichte haben wollte. Worauf Vincent protestierte und sagte, dann wolle er aber auch einen der kleinen Krebse aus dem nahen Fluss »in unserem Buch« haben.
Zu guter Letzt entdeckte Maria bei der Gartenarbeit zwei schöne Käfer und ich am frühen Morgen im Pool eine kleine Schlange. Ich fischte sie heraus und brachte sie ins inzwischen wieder leere Terrarium, wo sie bald zu Kräften kam. Am anderen Morgen fotografierte ich sie durch das Glas. Darüber schien sie so wenig begeistert zu sein, wie es mein Neffe Ricardo von ihr war. Als Schlangenkenner wusste er sofort Bescheid, wem ich das Leben gerettet hatte: einer giftigen Eidechsennatter, die bis zu zwei Meter lang werden kann und zu den grössten Schlangen Europas zählt. Nachdem wir versichert hatten, dass wir sie weit, weit weg aussetzen würden, durfte sie wieder in die Freiheit. Und als kleines Andenken in mein Buch. Und jetzt ist es da, das Kinderbuch »Gwendolin – Die Abenteuer eines kleinen Heugümpers«. Es soll uns Tiere näherbringen, denen der Kuschelfaktor abgeht und die wir deshalb oft übersehen. Auch sie zeigen uns die Vielfalt und die Schönheit der Natur. Und so wünsche ich denn nun viel Freude beim Eintauchen in die wundersame Welt der kleinen Wesen. (Bruno Schlatter-Gomez)
Infos und Bestellmöglichkeiten (Auslieferung ab Ende Juni 2022): https://www.woerterseh.ch/produkt/gwendolin/