Kürzlich fand ein historischer Spaziergang durch Oberleimbach statt. Veranstalter und Anwohner erzählten Geschichten aus dem letzten Jahrhundert.
Am Samstag vor einer Woche, dem wohl letzten warmen Sommertag des Jahres, begrüsst Christian Sieber, Präsident des Adliswiler Geschichtsvereins, Interessierte in Oberleimbach. Knapp 80, meist ältere Personen versammelten sich, um bei einem Rundgang die Vergangenheit von Oberleimbach kennenzulernen. Der Spaziergang führte von der SZU-Station Sood-Oberleimbach über die August-Müller- und Leimbachstrasse, bis hin in den alten Dorfkern des Quartiers. Der Rundgang mit Stationen zu historischen Themen wurde vom Geschichtsverein Adliswil zusammen mit dem Quartierverein Oberleimbach organisiert. Christian Sieber und Fritz Luck, Bewohner Oberleimbachs, führten die grosse Gruppe durch das Quartier.
Der «Weissfahrer» von Leimbach
«Die Geschichte von unserem Quartier reicht weit in die Vergangenheit zurück», sagt Christian Sieber. Im Mittelalter gehörte Oberleimbach zur Gemeinde Wollishofen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts, bei der Eingemeindung der Stadt Zürich, wurde das Quartier Adliswil zugeteilt. Sieber erklärt weiter: «Während Adliswil dank den Textilfabriken zu einem stolzen Industriedorf heranwuchs, blieb es in Oberleimbach eher ruhig.» Das Quartier zählte in jener Zeit gerade mal 100 Einwohner, verteilt auf 17 Wohnhäuser. Wer den Boom nach Oberleimbach brachte, weiss Sieber auch ganz genau: «In den 1920er Jahren kam der Generalunternehmer August Müller und krempelte Oberleimbach um.» Mit einem einheitlichen Bebauungsplan inklusive Strassennetz von August Müller vervierfachte sich die Einwohnerzahl binnen weniger Jahre. Die kleinen Einfamilienhäuser mit grosszügigen Gärten für die damalige Selbstversorgung prägen bis heute das Ortsbild von Oberleimbach.
Beim Rundgang trifft die Gruppe auf Gebäude, welche spannende Geschichten haben. So zum Beispiel bei der Jägerhofstrasse. Die Spaziergänger blicken auf ein weisses Haus mit einem gepflegten Garten: Hier wuchs einst Peter Johannes Kraska, besser bekannt als «Pjotr, der Behördenkritiker», auf. Der Schweizer Aktionskünstler und Schriftsteller war bekannt für seinen erbitterten, aber erfolglosen Kampf in den 70ern gegen die VBZ. Er fuhr einige Jahre lang ohne Ticket herum und hielt die Behörden auf Trab. Dabei bezeichnete er sich stets als «Weissfahrer», anstatt Schwarzfahrer. Anwohner beim Spaziergang erinnern sich gut an die zwiespältige Persönlichkeit: «Er war ganz ein freundlicher und cleverer junger Bub.»
Inzwischen steht die Gruppe vor der steilen Baldernstrasse. Ein kleines Haus sticht ins Auge. Auch zu diesem gibt es eine kleine Geschichte. «Hier wurde früher die Milch produziert und für die Bewohner bereitgestellt», erzählt Sieber und fährt weiter: «Der damalige Lehrling war Walter Steiner, der spätere Skispringweltmeister und Olympiasieger.» Angekommen beim Alten Dorfkern übernimmt der Oberleimbacher Fritz Luck, der seit seiner Geburt dort lebt: «Im Gebäude neben der Musik-
Schüür wurden Schnäpse produziert, und hinter diesem stand die Feuerwehrzentrale.» Bei einem Brand im Quartier gingen die Feuerwehrmänner zu Fuss zum Einsatzort.
Am Ende des Rundgangs gab es für die Spaziergänger einen Apéro im Treffpunkt «Rellsten-Zopf-Oberleimbach». Die Leimbacher und Leimbacherinnen erzählten sich auch dort eifrig weiter Geschichten aus den alten Zeiten. (Tobias Stepinski)