Aus der Not heraus gründete eine Gruppe Zimmerleute vor 100 Jahren die Zimmereigenossenschaft Zürich. Trotz des einen oder anderen Brandes und dank strategischer Zusammenschlüsse ist die Genossenschaft noch heute im Geschäft.
Weshalb schlossen sich 1919 in der Stadt Zürich Zimmerleute zu einer Genossenschaft zusammen? «Man vermutet, dass die Zimmermeister diese Zimmerleute nicht mehr einstellen wollten, weil sie als Rädelsführer der damaligen Lohnkämpfe bekannt waren», erzählt Geschäftsführer Christian Züger. Von der Gründung bis zum ersten eigenen Zimmereistandort an der heutigen Bullingerstrasse 41 sollte es acht Jahre dauern. Dazwischen mieteten sie sich in kleine Werkstätten ein. «Die Anfänge waren schwer, die Zimmerleute mussten um jeden Auftrag kämpfen», erzählt Züger. Es gab Zeiten, da versuchte man sein Glück mit dem Bau von «Chilbibahnen».
Die Idee, sich mit anderen Firmen zu der Baugenossenschaft Zurlinden zusammenzuschliessen, entstand 1922: «So konnten die Mitglieder Bauherren, Genossenschafter und Unternehmer zur selben Zeit sein und zusammen eigene Projekte in Angriff nehmen.» Heute ist die Zimmereigenossenschaft Mitglied in vier Baugenossenschaften. Aufträge erhalten sie aus diesen Zusammenschlüssen, anderen Mietergenossenschaften, privaten Firmen und zu einem kleinen Teil von der Stadt.
Stadt drohte mit Enteignung
Bis kurz vor dem Zweiten Weltkrieg arbeiteten 200 Zimmerleute für die Genossenschaft. Danach schrumpfte die Zahl der Angestellten massiv auf zirka 15 zusammen: «Zimmerleute waren nicht mehr gefragt. Die Bauwirtschaft verlagerte sich nach dem Krieg auf den Betonbau.» Seit 1976 sind zwischen 20 bis 30 Mitarbeiter für den Betrieb tätig. Den alten Standort mit rund 9000 Quadratmetern an der Bullingerstrasse musste die Genossenschaft 1976 verlassen, da die Stadt Zürich auf dem Areal die Heizzentrale der Stadt und das Altersheim Hardau plante: «Die Stadt drohte mit Enteignung, wenn wir nicht umziehen», blickt Christian Züger zurück. Der neue Standort an der Dennlerstrasse war mit 1600 Quadratmetern knapp sechs Mal kleiner. «Der Umzug war nur möglich, indem wir sehr viel kompakter wurden und unser Holzdepot auslagerten.» Die technische Entwicklung trug ebenfalls ihren Teil dazu bei, dass auf der kleineren Fläche weiter gearbeitet werden konnte: «Früher benötigte man noch sehr viel mehr Man-Power, um beispielsweise einen Lastwagen zu beladen. Heute braucht es einen Mann und einen Kran.»
Mit der Zigarre an der Säge
Der neue Standort brachte auch Chancen mit sich: «Wir realisierten hier an der Dennlerstrasse 1980 eine Schreinerei. Das war in der alten unbeheizten Halle nicht umsetzbar.» Wie lange man damals nach einem geeigneten Ersatz gesucht hat, ist nicht bekannt. Ein Wegzug aus der Stadt kam aber nie infrage.
Das Thema Arbeitssicherheit hat in der jahrzehntelangen Geschichte der Zimmereigenossenschaft immer mehr an Bedeutung gewonnen. In den Anfangszeiten sah das anders aus: «Mitarbeiter balancierten ungesichert auf Balken, trugen bei der Arbeit Alltagskleidung ohne jegliche Schutzfunktion oder standen mit der Zigarre im Mundwinkel an der Maschine», erzählt der Geschäftsführer. Letzteres führte zum einen oder anderen Brand, welcher der Zimmereigenossenschaft beinahe die Existenz gekostet hätte.
Geheizt wird in der Dennlerstrasse stilgerecht mit Holz: «Wir haben eine sehr moderne Heizanlage, die vollautomatisch funktioniert.» Sie ist mit einem elektrischen Rauchfilter ausgestattet und stösst so besonders wenig Russ aus. Verbrannt werden nur Holzreste aus der Produktion. Eine gute CO2-Bilanz verfolgt die Firma auch mit ihrem Fokus auf einheimische Bäume und kurze Transportwege für die Produktion.
«Der Holzbau hat eine gute Zukunft», schaut Züger optimistisch nach vorne. Die Konstruktionen aus Holz hätten in den letzten 20 Jahren wieder stetig zugenommen. «Den Unterhalt für diese Häuser kann ein Baumeister nicht leisten, dafür braucht es uns Zimmerleute.» Für die Genossenschaft ist das ein Grund, an ihrem Standort in der Stadt Zürich festzuhalten. Trotz hoher Miete oder der strengen Auflagen der Stadt bezüglich des Lärmschutzes. (Christina Brändli)
Die Genossenschaft als Rechtsform
Die Rechtsform Genossenschaft ist im Obligationenrecht verankert. «Dass es nicht nur Wohngenossenschaften gibt, sondern auch Handelsgenossenschaften und Produktivgenossenschaften, ist vielen nicht bewusst», sagt Christian Züger, Geschäftsführer der Zimmereigenossenschaft Zürich. Handelsgenossenschaften seien beispielsweise Coop oder Migros, aber auch die Mobiliar oder die Raiffeisenbank. Produktionsgenossenschaften wie die Zimmereigenossenschaft Zürich seien weniger bekannt. Eine Genossenschaft unterscheidet sich von einer Aktiengesellschaft hauptsächlich darin, dass jeder Genossenschafter, ungeachtet seiner Anteile, nur eine Stimme besitzt. Die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft kam für die Zimmerleute nie infrage. Man will die Eigenständigkeit bewahren.
«Dass Genossenschaften keinen Gewinn erwirtschaften müssen, ist definitiv ein Märchen. Wir brauchen Einnahmen, um unsere Mitarbeiter zu bezahlen und unsere Infrastruktur auf dem neusten Stand zu halten», sagt Züger. Durch die Form der Genossenschaft bleibe das Kapital jedoch in der Firma und werde reinvestiert, beispielsweise in Maschinen: «Wir legen grossen Wert darauf, unseren Mitarbeitern moderne und dadurch immer sicherere Maschinen zur Verfügung zu stellen.» Anteile an der Zimmereigenossenschaft erhalten in der Regel nur Mitarbeiter ab dem 30. Lebensjahr: «Diese Altersgrenze haben wir eingeführt, da jüngere Mitarbeiter oder auch Lehrlinge öfters ihren Arbeitgeber wechseln. So können wir eine gewisse Konstanz bewahren.» Wer die Firma verlässt, muss die Mitgliedschaft abgeben. Pensionierte Mitarbeiter bleiben jedoch bis zum Lebensende Genossenschafter.
1942 gründete die Zimmereigenossenschaft mit ihrer Fürsorgestiftung den Vorläufer zur heutigen Pensionskasse, die erst 1985 eingeführt wurde: «Uns war es bereits damals wichtig, dass unsere Mitarbeiter auch nach ihrer Pension finanziell abgesichert sind.»