Ist Hörbehinderung sichtbar? Mit dieser Frage setzte sich der Fotograf Dieter Spörri auseinander und schuf eine Serie von Porträts mit gehörlosen, hörenden und schwerhörigen Leuten. Die Ausstellung im GZ Oerlikon dauert bis 25. September.
Im Kafi des GZ Oerlikon herrscht trotz vieler Menschen eine fast gespenstische Stille. Nur ab und zu hört man jemanden lachen. Dennoch ist die Stimmung gut – die Anwesenden unterhalten sich lebhaft in der Gebärdensprache. So, wie sich ein hörender Mensch hier ausgeschlossen fühlt, muss es für Gehörlose sein, wenn sich die Hörenden unterhalten.
Grund für das fröhliche Beisammensein ist die Vernissage einer Ausstellung, die im Rahmen des 2. «Kultur-Festival-inklusiv» von «sichtbar Gehörlose Zürich» ins Leben gerufen wurde. An den Wänden des Kafis hängen 18 Porträts von Menschen verschiedenen Alters und unterschiedlicher Herkunft. Alle strahlen sie vor schwarzem Hintergrund gut gelaunt in die Kamera von Fotograf Dieter Spörri.
Die Idee für die Ausstellung kam von Lilly Kahler, Projektleiterin des «Kultur-Festival-inklusiv», das zum Ziel hat, den Kontakt zwischen Menschen mit und ohne Hörbehinderung zu fördern. «Vor den Sommerferien bekam ich die Anfrage, ob ich die Herausforderung annehmen und diese Leute, die Lilly Kahler ausgesucht hatte, porträtieren wolle», erzählt Dieter Spörri, der selber schwerhörig ist. «Ich liebe Menschen und ich liebe das Fotografieren. Also machte ich mich gleich an die Arbeit.»
Menschen wie du und ich
Je sechs gehörlose, hörende und schwerhörige Leute posierten für ihn vor der Kamera – ungeschminkt, keine Stars oder Prominente, sondern Menschen wie du und ich. Das Ziel ist es nun, dass die GZ-Besucherinnen und GZ-Besucher sich die Fotos anschauen und raten, zu welcher der drei Gruppen die Porträtierten gehören. Die Auflösung finden sie in einem Büchlein, in dem alle vorgestellt werden. «Kaum jemand wird es schaffen, alles richtig zu raten», ist Lilly Kahler überzeugt. Denn eine Hörbehinderung ist von aussen nicht sichtbar. Dies aufzuzeigen ist das Ziel der Ausstellung, die für gegenseitigen Respekt und Toleranz steht.
Das Kultur-Festival-inklusiv fand 2019 zum ersten Mal in Oerlikon, dem Sitz des Gehörlosenzentrums Zürich, statt und wird alle zwei Jahre rund um den jährlichen internationalen Tag der Gebärdensprache am 23. September und der internationalen Woche der Gehörlosen ausgetragen. Es ist jeweils ein mehrtägiges Festival mit verschiedenen Anlässen, die explizit der kulturellen Begegnung von Menschen mit und ohne Hörbehinderung dienen. Auf dem Programm in diesem Jahr stehen noch eine Sensibilisierungskampagne bis 16. September im Gehörlosenzentrum, in der man die Wahrnehmungswelten von hörenden, schwerhörigen und gehörlosen Menschen erkunden kann, ein Bildungstag am 17. September mit Tanz- und Kochkurs und einem Forum, ein Familientag am 18. September mit Kulturhöhepunkt am Abend mit Andrew Bond und dem gehörlosen Tänzer Adamo Sayad sowie ein Abschlussfest am 19. September mit Enthüllung eines Gemeinschaftswerks. Bei allen Veranstaltungen ist die Übersetzung für Hörende und Gehörlose gewährleistet.