Eine Kirchenwand, «warm wie ein Mantel»

Zurück

Der reformierte «Monolith» im Sihlfeld ist die Lieblingskirche des Katholiken Giuseppe Buzzi. Der nüchterne Innenraum und das Licht darin inspirieren den Künstler immer wieder zu spielerischen Farbinterventionen. Am Sonntag ist einmal mehr Vernissage angesagt.

Der reformierte «Monolith» im Sihlfeld ist die Lieblingskirche des Katholiken Giuseppe Buzzi. Der nüchterne Innenraum und das Licht darin inspirieren den Künstler immer wieder zu spielerischen Farbinterventionen. Am Sonntag ist einmal mehr Vernissage angesagt.

Lisa Maire

Umnutzungen von Kirchen, wie sie heute angesichts von schwindenden Kirchgänger-Zahlen und Sparzwängen in reformierten Kirchgemeinden zur Diskussion stehen, macht in den Augen von Giuseppe Buzzi keinen Sinn. Den Kirchenraum temporär mit Kunst zu bespielen, scheint ihm hingegen eine gute Möglichkeit, kirchlicher Vielfalt und Offenheit ein Gesicht zu geben. «Kunst war schon immer in der Kirche drin», sagt Buzzi im Gespräch. Gerade bereitet er seine vierte Intervention für die Sihlfelder Andreaskirche vor: drei riesige Attrappenfenster, bestehend aus je fünf übereinander angeordneten, grossformatigen Bildern. Das oberste wird auf neun Metern Höhe an der Wand hängen.

Der «Monolith» als Kunstbühne

2006 hatte der Künstler, der im Quartier zu Hause ist, erstmals mit einer Bilderausstellung Farbe in den als «Monolith» bekannten kubischen Kirchenbau gebracht. Sechs Jahre später liess er seine Bilder, zu grossen Kreuzen zusammengefügt, in luftiger Höhe frei schweben. Und 2014 steuerte er zum 50-jährigen Jubiläum der Kirche ein grosses, aus 28 Bildtafeln geformtes Kreuz bei, das die Geschichte Jesu erzählt und seither dem nüchternen Raum ein neues Gesicht verleiht.

Auch bei seiner aktuellen Intervention interessiert Buzzi das bestehende schöne Spiel zwischen Raum und Licht in dieser Kirche. Er ergänzt es nun mit Farbe. «Die anderen Wände im Raum sind nüchtern und leer, «meine Wand ist warm wie ein Mantel», fasst der Künstler seine Arbeit zusammen. Seine bunte, leicht und fröhlich anmutende Malerei, die er selbst neo-romantisch-expressionistisch nennt, könne auch als Trost verstanden werden. In den Ohren der Journalistin klingt das schon fast pastoral. Buzzi lacht herzlich. «Pastoral? Als Kind wollte ich tatsächlich mal Pfarrer werden.» So gut gefiel es dem Buben damals in katholischen Kirchenräumen, in denen er jeweils die üppige Kirchenkunst bestaunte.

Die eigene Kindheit im Bild

In der Tat hatte der 1949 in Varese geborene und in Bern aufgewachsene Künstler schon als Kind einen Narren gefressen an der Malerei grosser alter Meister. So studierte er abends im Bett jeweils dicke Kunstbücher. Und tagsüber – während andere Buben seines Alters draussen spielten – sass er lieber allein zu Hause und malte Sujets seiner Idole Raffael oder Da Vinci nach. Durchaus talentiert, wie ein in seiner Wohnung aufgehängtes Porträt aus dieser Zeit zeigt.

Seit der künstlerische Autodidakt nach einer Laufbahn als Lektor, Redaktor, Korrektor bei Verlagen und Druckereien in den 90er-Jahren nach Zürich kam, arbeitet er als freischaffender Künstler. Das Kopieren alter Meister ist indes längst Vergangenheit. Wenn der Maler heute an der Staffelei steht, zelebriert er seinen eigenen, speziellen Stil. Die symbolhaften Motive, die seine Arbeiten durchs Band weg bestimmen, bleiben jedoch keine mystischen oder intellektuellen Rätsel. Buzzi kann sie allesamt erklären. Denn viele dieser Symbole sind malerisch übersetzte Stationen seiner eigenen Kindheit. «Die Leiter da», so weist er mit der Hand auf den unteren Rand eines Bildes, stehe zum Beispiel für ein Abenteuer auf dem Weg zu einem Schloss im Bernbiet. Der kleine Giuseppe und seine Kameraden fielen damals herumalbernd von einem Steg in den darunter liegenden Bach – offensichtlich ein bleibendes Erlebnis.

Licht, Farbe, Harmonie

Der Künstler, selbst Vater dreier heute erwachsener Kinder, hat an seine eigene Kindheit vorwiegend schöne Erinnerungen. Entsprechend unbekümmert kommt denn auch seine Malerei daher. Die 15 grossen, auf Vlies und anderem leichtem Material gemalten Bilder, die er nun in der Andreaskirche zeigt, erscheinen auf unaufdringlich-harmonische Weise bunt. Auf dem Farbkanon Grün, Blau und Orange aufgebaut, bringen die symbolischen Kirchenfenster kindlich-heiteres Leben in den ansonsten puritanisch wirkenden Kirchenraum. «Meine Fensterattrappen lassen zwar kein Licht durch», sagt Buzzi, «sie sollen dafür das Licht im Inneren der Malerei zum Ausdruck bringen.»

Vernissage im Beisein des Künstlers: Sonntag, 28. Oktober, 11 Uhr, Andreaskirche, Brahmsstrasse 106. Ausstellung bis 7. Januar 2019, täglich geöffnet.