Entzückende Puppen werfen sich in Pose

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«Lasst die Puppen tanzen» und «Sigurd Leeder – Spuren des Tanzes» sind die Titel von zwei Ausstellungen im Museum für Gestaltung. Es lässt seine Marionetten tanzen und geht den Spuren des Ausdrucktanzes nach. 

Sie sind stumm, aus Holz, Pappe, Textil oder Gips – und doch voller Leben. Aus dem grossen Fundus ihrer faszinierenden Marionetten und Requisiten hat das Museum eine bezaubernde Schau zusammengestellt. Die Besucher begegnen einer Welt im Kleinen und sind überrascht, wie viel «Spiel» in ihnen selber steckt.

Puppenspieler zogen durchs Land

«Gliederpuppen» sind seit der Antike bekannt. Schon im alten Griechenland und Ägypten erfreuten sich die beweglichen Figuren an Schnüren grosser Beliebtheit. Seit hundert Jahren sammelt das Museum für Gestaltung diese kleinen Künstlerinnen und Künstler, die dem Publikum einen Spiegel vors Gesicht halten, Typen entlarven oder sie rücksichtlos lächerlich machen, Schadenfreude und Gelächter auslösen.

Im 18. Jahrhundert ist die Schweiz ein begehrtes Ziel für Puppenspieler aus ganz Europa. Die Wanderkomödianten stellen ihre Marionetten, Schattenfiguren, Hand- und Stabpuppen auf Jahrmärkten und in den Zunfthäusern zur Schau. Sie imitieren das «grosse Theater» und begeistern ihr Publikum mit aufregenden Geschichten. 1914 wird in Zürich das erste Schweizerische Marionettentheater ins Leben gerufen.

Dem Zeitgeist angepasst

Das Entwerfen einer Marionette fasziniert Künstler wie Puppenspieler. Ihre Figuren verkörpern ganz bestimmte Rollen und passen sich ihnen an. Zum Beispiel die liebliche Ballerina aus «Der Spuk im Kunsthaus», der Wahrsager Colas zu Mozarts «Bastien und Bastienne» oder die Figur des «Hansjoggel», der stets zwischen Stück und Zuschauer vermittelt. Die in der Ausstellung gezeigten Puppen wurden unter anderen von Max Tobler, Alexandra Exter, Pierre Gauchat, Ernst Georg Rüegg und in erster Linie von Sophie-Taeuber Arp und Otto Morach entworfen.

Für Carlo Gozzis «König Hirsch», eine Persiflage auf die Psychoanalyse von Sigmund Freud, kreiert die vielseitig begabte Sophie Taeuber-Arp Marionetten aus gedrechselten Rotationselementen mit maskenhaften Gesichtern. Und Otto Morach schuf die Figuren für Debussys Kinderballett «La Boîte à joujoux». Beide Aufführungen sind mit abstrakten Figuren als Erste in die Kunstgeschichte eingegangen. Die Puppen wurden vom Bildhauer Carl Fischer geschnitzt. In der Eingangshalle werden die Gäste von drei lebensgrossen Sophie-Taeuber-Arp-Marionetten empfangen. Sie wurden von Karl Lagerfeld für die Luxusmarke Fendi in Auftrag gegeben. Der Rundgang durch die Räume führt vorbei an entzückenden Originalpuppen, die sich in Pose werfen, an Versammlungen von frechen und witzigen, kuriosen und bizarren Figurengruppen sowie an kleinen und grösseren Bühnen hinter Glas mit Szenen aus «Das Eulenschloss», «Zirkus Juhu», «Doktor Faust» oder «Der Spuk im Kunsthaus». Der Besucher erlebt die Welt der kleinen Figuren, die scheinbar die Gesetze der Schwerkraft ausser Kraft setzen und wie Feen und Elfen dahinschweben. Hinzu kommen Stab- und Handpuppen, Entwurfszeichnungen, Poster, Fotografien, Hörstationen sowie Filmausschnitte von der Augsburger Puppenkiste bis zu surrealen Filmen. Der Kuratorin Sabine Flaschberger und ihrem Team ist eine brillant inszeniert Schau gelungen, von der eine unwiderstehliche Anziehungskraft ausgeht.

Protagonist des Ausdruckstanzes

Zum 70. Jahrestag der Gründung der Sigurd Leeder School of Dance in London und später in Herisau werden in einem weiteren Raum des Museums Fotos, Filme, Tanzpartituren sowie Kostüme zu Leeders Kunst und Pädagogik gezeigt. Sigurd Leeder (1902–1981) war ein Protagonist des Ausdruckstanzes. Seine Schule hat einen internationalen Namen und zieht Studierende aus dem In- und Ausland an. Der brillante Tänzer und Lehrer war Spezialist der Bewegungsanalyse. Sinnhaftigkeit, Ausdruck, Ehrlichkeit und Choreografie sowie die tänzerischen Qualitäten seiner Arbeit werden aus der heutigen Perspektive beleuchtet. (eb. / Foto: zvg.)

«Lasst die Puppen tanzen» bis 10. September. «Sigurd Leeder» bis 30. Juli.
Museum für Gestaltung, Toni-Areal, Pfingstweidstrasse 96. Öffnungszeiten: Di–So, 10–17 Uhr, Mi, 10–20 Uhr. www.museum-gestaltung.ch