Er baute die erste Lernendenfiliale auf

Erstellt von Jeannette Gerber |
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Nach 47 Jahren bei der Post ist Schluss: Urs Schanz geht in Pension. Bekanntheit erlangte er mit seinem Pionierprojekt, der ersten Lernendenfiliale der Schweiz in Wollishofen. In den letzten Monaten vor dem Ruhestand organisierte der 65-Jährige noch den Umzug in die Enge.

Während 47 Jahren stand Urs Schanz (65) in den Diensten der Post. Ende Oktober hiess es für ihn Abschied zu nehmen. Und dies nicht nur von seiner letzten Dienststelle in der Enge, sondern von seinen ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Postfilialen Wollishofen, Adliswil und Wiedikon. Als Berater wurde er von vielen Kundinnen und Kunden am letzten Arbeitstag mit Bedauern persönlich verabschiedet. Trotzdem nahm er sich die Zeit für ein Gespräch.
Urs Schanz ist verheiratet und Vater von drei erwachsenen Kindern: zwei Töchter und ein Sohn. Er ist in Wollishofen aufgewachsen und lebt heute mit seiner Ehefrau in Adliswil. Schon als Jugendlicher füllte sein Hobby, die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, seine Freizeit aus. In der Jungwacht entdeckte er vor allem als Scharleiter, wie gut Jugendliche mit Verantwortung umgehen können.

Nach der Lehre in Zürich, arbeitete Schanz als Betriebssekretär in diversen Poststellen. Später amtete er als Ausbilder im neu eröffneten Lehrpostamt in Küsnacht und durfte während dieser Zeit diverse Lehrlingslager führen. Danach leitete vier Jahre lang die Briefausgabe in Wollishofen mit 25 Mitarbeitern in der Zustellung. Es folgten vier weitere Jahre als Verkaufstrainer in der Marketing­abteilung der Kreispostdirektion.

Personal das Verkaufen beibringen

Die Veränderung des Marktes, der Rückgang der Briefpost, erforderte Sparmassnahmen. Die kleineren Filialen mussten zusätzliche Einnahmen durch Verkauf von Drittprodukten generieren. Um das Personal am Schalter neben der Beratung im Verkauf zu schulen, waren in der Schweiz 13 Verkaufstrainer eingesetzt worden. «Es war eine Herausforderung, dem Postpersonal das Verkaufen in zahlreichen Kursen und Schulungen näherzubringen. Ein Umdenken war gefragt. Es gab gröbere Diskussionen über Outfit und Verhalten am Schalter. Kernpunkt der Schulung war das chinesische Sprichwort: «Wer nicht lächeln kann, sollte kein Geschäft eröffnen», und das gelte heute noch so, erzählte Schanz.

Darauf folgten zwei Jahre als Kundenberater KMU in der Region Horgen, dann fast drei Jahre als Leiter der Poststelle Adliswil. Während weiteren sechs Jahren wurde er als Verkaufsförderer im Marketing in der Region Nord-Ost im Westpark eingesetzt. Anschliessend war er Poststellenleiter in Aussersihl.

Ab 2008, wieder zurück in Wollishofen, baute er die erste Lernendenfiliale in der Schweiz auf. Im August zog diese mit ihm in die Enge. Seine postalische Karriere war geprägt durch den Einsatz bei der Ausbildung und Begleitung von jungen Menschen sowie durch seine Leidenschaft für Marketing und Verkauf. Er ist stolz, dass das Pilotprojekt Lernenden­filiale innerhalb der Post inzwischen Standard ist. Auf das erfolgreiche Projekt angesprochen, meinte er: «Mir bedeutet das Pionierprojekt sehr viel – es ist ein Aushängeschild für zeitgemässe Ausbildung. Beim Begleiten der Jugendlichen und beim Berufsabschluss zu erleben, wie sie die übertragene Verantwortung meistern, gab mir jedes Jahr wieder die Energie, um diese sinnvolle Arbeit fortzusetzen», so Schanz. Sei am Anfang die Idee gestanden, dass die Lernenden möglichst alles, von der Schalterannahme bis zur Organisation und Führung erlernten, setze die Post heute auf teamorientierte und nicht mehr hierarchische Strukturen. «Ich schätze diese Art von Zusammenarbeit, da beide Seiten voneinander lernen können: Hier das Fachwissen und die Erfahrung, da die schnelle, digitale Umsetzung von Aufgaben und Ideen. Eindrücklich ist für mich auch die direkte Umgangssprache der Jugendlichen.»

Ein neues Standbein als Fotograf

Auf die Frage, wie es für ihn war, mit dem jungen Team in die Poststelle Enge umzuziehen, und das drei Monate vor der Pensionierung, gestand er: «Es war für mich nicht einfach, Wollishofen nach zwölf Jahren zu verlassen. So sehr habe ich mich an die verständnisvolle Kundschaft in unserem Gebiet gewöhnt und viele Kunden persönlich gekannt.» Und diese Filiale für die kurze Zeitspanne zu verlassen, um in der Enge die gleichen Prozesse, Strukturen und Einrichtungen einzuführen, hätte er sich gerne erspart. «Der Vorteil war: Es blieb mir kaum Zeit, den Abschied nach 47 Jahren vorzubereiten beziehungsweise zu feiern – nicht nur Corona-bedingt», sagte Schanz.

Somit trifft auf ihn die Redewendung «mit einem lachenden und einem weinenden Auge Abschied zu nehmen» sicher zu. Nach seinem Nachfolger gefragt, meinte Schanz: «Kujtim Asani ist ein aufgestellter, junger, motivierter Ausbildner aus dem eigenen Nachwuchs. Er arbeitete zuvor als stellvertretender Teamleiter in Wollishofen.»

Schanz wird als Pensionierter keine Langeweile kennen. Er wird sich verstärkt der Familie und dem Reisen widmen und seinen Weinberg in Adliswil pflegen. Nebenbei hat er sich ein neues Standbein aufgebaut. Bis jetzt frönte er dem Fotografieren als Hobby, fortan kann er für Feste und Anlässe als Fotograf engagiert werden.