Er feiert sein Comeback als Fotograf

Erstellt von Dennis Baumann |
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Abseits von den mit Filtern perfektionierten Bildern aus Werbung und Social Media konzentriert sich der Fotograf Wolf Neidhart auf das Gegenteil. In seiner Ausstellung «Beifang» präsentiert er seine Beobachtungen aus dem alltäglichen Leben und zelebriert damit seine Rückkehr zur Fotografie.

Stets aufmerksam mit Blick auf das Unauffällige bewegt sich der Fotograf Wolf Neidhart durch die Strassen Zürichs. Um den Hals keine Spiegelreflexkamera und in der Hand kein modernes Smartphone. Für seine Ausstellung «Beifang: Bilder vom Rande des Alltags» im Ortsmuseum Wollishofen fotografierte er mit einem Baustellentelefon. Dadurch erhalten seine Bilder einen bestimmten Wiedererkennungswert. Unscharfe Motive, Farbsäume und Bildfehler sind für diese Bildserie charakteristisch.

«Die schlechte Bildqualität bringt eine ganz eigene Ästhetik mit sich. Es ist das Gegenteil von all den gestellten und mit Filtern versehenen Bildern, die man aus Social Media und Werbung kennt», sagt Neidhart. Mit Darstellungen, die auf Perfektion getrimmt sind, könne er somit nicht viel anfangen. Viel eher möchte er mit seinen Bildern dagegenhalten. So gehört die Fluxusbewegung der Sechzigerjahre, die der gängigen Vorstellung von Kunst Paroli bot, zu seinen Vorbildern.
Was ihm im Augenwinkel auffällt

In Neidharts Ausstellung präsentiert er das, was ihm im Alltag vor die Linse gekommen ist. Seine Motive reichen von velofahrenden Stadtzürchern bis hin zu geparkten Autos an einem leeren Strassenrand. Dazu beobachtete er in den letzten zwei Jahren seine Umwelt genauer als sonst. Fiel ihm im Augenwinkel etwas auf, zückte er sofort sein Arbeitertelefon und drückte ab.

Dadurch erklärt sich auch der Name seiner Ausstellung: «Beifang», wie man die Meerestiere im Fischernetz bezeichnet, nach denen nicht gezielt gefischt wurde und die per Zufall im Netz gelandet sind. Das beschreibt ebenso die Entstehung von Neidharts Bildern. Er sucht nicht bewusst nach Motiven. Seine Bilder sind zu einem gewissen Grad ein Produkt des Zufalls: «Die Ausstellung zeigt Alltagssituationen, die sonst nie festgehalten worden wären. Kunst spielt sich für mich im Kleinen ab.»

Einzigartiger Bildstil gefunden

Wie Neidhart darauf gekommen ist, mit seinem Arbeitertelefon Bilder für eine Ausstellung zu machen, lässt sich fast schon erahnen. Wieder ist es der Zufall, der dahintersteckt. «Ich habe mal einen Schaden fotografiert und als ich die Bilder auf dem PC angeschaut habe, bemerkte ich, wie ungewöhnlich die Bilder aussahen», sagt Neidhart. Erinnerungen an die Zeit, wo er mit Polaroidbildern experimentierte, wurden wach. Denn bereits in den Achtzigern war Neidhart als Fotograf tätig. 1994 wechselte er zur Videoproduktion. In seinen 20 Jahren als Videomacher arbeitete er unter anderem für das Schweizer Fernsehen oder für die UBS an verschiedenen Projekten.

Aus persönlichen Gründen fand Neidhart für sich den Weg zurück zur Fotografie. Das Jahr 2018, an dem er per Zufall sein Arbeitertelefon mit integrierter Kamera zum Fotografieren rausholte, ist ausschlaggebend. «Nur per Zufall habe ich vor zwei Jahren diesen einzigartigen Bildstil gefunden», so der Fotograf. Neidharts Ausstellung ist damit auch eine Art offizielles Comeback in die Fotografie.

Aus Blumen werden Explosionen

Der Name der Ausstellung verrät es schon: Motive von Alltagssituationen stehen hier im Vordergrund. Doch neben den Bildern aus dem Alltag werden in einem separaten Raum zudem Nahaufnahmen von Blumen präsentiert. Im Bildstil bleibt er sich jedoch treu. Denn selbst die Blüten fotografierte er mit seinem Telefon.
«Diese Motive haben für mich nochmals eine ganz andere Wirkung. Von weitem erinnern die Farbmuster eher an Explosionen», so der Fotograf. Die Natur sei seine grösste Inspirationsquelle. Sowohl die Alltagsbilder als auch die Blütenaufnahmen sind nur minimal bearbeitet. So veränderte er beispielsweise lediglich Kontraste und Farbintensitäten. Von Fotomontage distanziere er sich. «Es wäre etwas widersprüchlich, wenn ich hier mit Programmen wie Photoshop gearbeitet hätte», lacht Neidhart.

«Beifang: Bilder vom Rande des Alltags» Ausstellung im Ortsmuseum Wollishofen, an Wochenenden vom 12. und 13. September und 19. und 20. September von
16–19 Uhr oder nach Vereinbarung (www.mistawoof.ch)