ERZ-Affäre: Viele Beteiligte aus unterschiedlichen Lagern

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Der Stadtrat blockt bis auf weiteres alle Anfragen rund um den «ERZ-Skandal» ab. So etwa Fragen zum Tieflohnniveau der RecyclingFirma Rolf Bosshard AG, die zu 100 Prozent der Stadt gehört. Oder Fragen zur ERZ-Geschäftsleitung, welche ihre unlauteren Privilegien in Form von Geschäftsautos abgeben musste.

Die scheibchenweisen Enthüllungen in den Medien rund um die Verfehlungen von ERZ-Direktor Urs Pauli werden von der eigenwilligen Informationsmethode der Stadt Zürich fast noch getoppt. So verschickte das Tiefbau- und Entsorgungsdepartement am Freitag vor einer Woche die relativ bedeutungslose Medienmitteilung «Urs Pauli muss Parkplätze im Ausbildungszentrum Ara Glatt räumen». Eine Woche später folgte dann eine weitaus gewichtigere Medienmitteilung: Der Stadtrat habe beschlossen, dass bis zum Abschluss der externen Untersuchung ab sofort keine weiteren Auskünfte an Medien und Privatpersonen über mutmassliche Verfehlungen bei Entsorgung & Recycling Zürich (ERZ) erteilt werden. Grund der Infoblockade: So werde die in Auftrag gegebene externe Untersuchung nicht beeinträchtigt.
Auf Nachfrage der Lokalinfo bestätigte Pio Sulzer, Mediensprecher des Tiefbau- und Entsorgungsdepartements, dass man vorderhand tatsächlich keine Auskunft erteile, so auch nicht über die breite Fahrzeugpalette der erweiterten Geschäftsleitung von ERZ, die nun Hals über Kopf veräussert wird. In einem Kommentar schreibt die «NZZ am Sonntag», dass zu viele Player am ERZ-Schlamassel beteiligt seien und somit fast niemand ein wirkliches Interesse an einer schonungslosen Aufklärung habe.

Freihändige Auftragsvergabe
Der aktuelle FDP-Stadtrat Filippo Leutenegger hat viele der Probleme geerbt. So etwa die unschöne Tatsache, dass die für die Karton- und Papierentsorgung in Zürich zuständige Recyclingfirma Rolf Bosshard AG den Auftrag freihändig, also ohne Ausschreibung, bekam. Dies meldete die «NZZ» Anfang Juni. Wie verfahren die Situation ist, zeigt die Tatsache, dass zwar die Firma 2005 von der Stadt Zürich gekauft wurde, später aber nie wieder abgestossen oder ins städtische Abfuhrwesen integriert wurde, wie dies politisch gefordert wurde. Ein klassisches Buebetrickli, verdienen doch die Angestellten bei der Rolf Bosshard AG gemäss einer Antwort auf eine Gemeinderatsanfrage bis zu 25 Prozent weniger und sie erhalten auch keinen 13. Monatslohn. Auf solche marktwirtschaftlich orientierten Auslagerungen reagieren gerade Linke und Grüne üblicherweise allergisch. Paradebeispiel dazu ist die Privatisierung des Reinigungspersonal beim Kanton, wo die SP zetermordio schrie. Dumm nur in diesem Zusammenhang, dass eben gerade das Vorgehen der Stadt beim Kauf der Rolf Bosshard AG unter die Ägide des damaligen Stadtrats Martin Waser (SP) fiel. Waser war es auch, der Urs Pauli 2008 vom Vizedirektor zum Chef von ERZ beförderte, kurz bevor er ins Sozialdepartement wechselte. Tanzte das ERZ und seine Chefbeamten den politischen Vorgesetzten stets auf der Nase herum? Der Verdacht wird etwa dadurch erhärtet, dass sich die damals zuständigen Stadträte Waser und Genner erstaunlich lange gegen die Einführung der Bioabfall-Nutzung in Zürich wehrten. Sie stützten sich wohl zu sehr auf ERZ-Einschätzungen. Nun soll eine vom Stadtrat in Auftrag gegebene «umfassende externe Untersuchung» Licht ins Dunkel der Unregelmässigkeiten bei ERZ bringen. «Dabei sind auch die Rollen der operativ Verantwortlichen seit Mitte der 1990er-Jahre sowie der politisch Vorgesetzten, alt Stadträtin Kathrin Martelli, alt Stadtrat Martin Waser, alt Stadträtin Ruth Genner und Stadtrat Filippo Leutenegger, zu klären», heisst es in der Mitteilung.
Bleibt zu hoffen, dass die Resultate vor den Gesamterneuerungswahlen für den Stadt- und Gemeinderat am 4. März 2018 vorliegen. (ls.)

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Kasten 1: Auch die erweiterte ERZ-Geschäftsleitung musste Autoschlüssel abgeben

Der am 9. Juni fristlos entlassene ERZ-Chef Urs Pauli musste die Autoschlüssel seines auch privat genutzten BMW-Luxuswagens (ursprünglicher Wert 120 000 Franken) abgeben. Ein wenig untergegangen ist dabei, dass die Stadt Zürich auch die Schlüssel von sieben weiteren Autos der Mittelklasse eingezogen hat. Diese Mittelklassewagen wurden von den Mitgliedern der erweiterten ERZ-Geschäftsleitung genutzt – als Geschäfts- und Privatwagen ohne km-Einschränkung, was gemäss Personalrecht verboten ist. Deshalb wurden auch diese Fahrzeuge eingezogen und in den vergangenen Tagen auf der privaten Internet-Plattform Carauktion.ch veräussert. Doch die Stadt will dazu auf Anfrage keine Auskunft erteilen. Gemäss der Lokalinfo vorliegenden Unterlagen musste beispielsweise auch der aktuelle ERZ-Direktor ad interim Peter Wiederkehr seinen VW Tiguan (Kosten exkl. MwSt. Fr. 49 988.–) abgeben. Die weiteren eingezogenen Autos: ein Skoda Octavia (Kosten exkl. MwSt. Fr. 40 121.–) der Leiterin Personal + Dienste, ein VW Touran (Kosten exkl. MwSt. Fr. 43 597.–) des Leiters Kaufmännische Dienste, ein VW Tiguan (Kosten exkl. MwSt. Fr. 42 108.–) des Leiters Entsorgungslogistik, ein Opel Insigna (Kosten exkl. MwSt. Fr. 48 438.–) des Leiters Kehrichtheizkraftwerk, ein VW Touran (Kosten exkl. MwSt. Fr. 42 544.–) des Leiters Werkstattbetriebe sowie ein VW Golf (Kosten exkl. MwSt. Fr. 40 218.–) des Leiters der Fernwärme. Die Summe der nicht rechtens beschafften und genutzten Autos betrug damit rund Fr. 450 000.–. (ls.)

Kasten 2: Falschmeldung: Keine ERZ-Tennisplätze
Im Boulevard-Journalismus versuchte sich der «Tages-Anzeiger» vergangene Woche, als er eine uralte Geschichte aufwärmte: «Zürcher Entsorgungsamt leistet sich Freizeitoase». Immerhin: Neben Zitaten aus der städtischen Zeitschrift «Grünzeit» aus dem Jahr 2010 gab es auch eigene Recherchen. So etwa folgende: «Dazu kommt noch ein Gratis-Tennisplatz für ERZ-Mitarbeitende auf dem Sportplatz Hardhof». Dumm nur, dass diese Aussage gemäss Sportamt nicht stimmt. Es gibt keinerlei Vergünstigungen für ERZ-Mitarbeiter. Tatsächlich aber gibt es den Tennisclub Wasserversorgung Zürich, der vom Sportamt der Stadt Zürich zwei Tennisplätze gemietet hat auf dem Hardhof. Diese können bei Bedarf auch von Nichtklubmitgliedern via Sportamt gemietet und benutzt werden. (ls.)