ERZ-Chef Daniel Aebli: «Separieren statt verbrennen»

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Daniel Aebli will die gemeinderätliche Vorgabe für eine flächendeckende Sammlung von Bioabfall umsetzen, den restlichen Haushaltmüll besser trennen und auch den Kunststoff nicht einfach verbrennen wie bisher.

Daniel Aebli, Sie kamen von der Stahl Gerlafingen zu Entsorgung + Recycling Zürich ERZ. Welches sind die grössten Unterschiede als Arbeitgeber?
Mir kommen zuerst die Ähnlichkeiten in den Sinn. Beides sind Industriebetriebe, und die Kreislaufwirtschaft ist sehr wichtig. Bei der Stahl Gerlafingen war ich zehn Jahre. Der Existenzdruck war täglich spürbar. Bei ERZ ist die Planungssicherheit viel höher, dafür sind die Aufgaben komplexer. Die hohe Arbeitsplatzsicherheit kann auch ein wenig veränderungs- und innovationshemmend sein. Man ist weniger beweglich.
Wünschen Sie sich denn mehr Beweglichkeit?
Ich habe einen Grundsatzentscheid gefällt. Ich akzeptiere die Rahmenbedingungen, welche bei der Stadt Zürich herrschen. Das hat auch Vorteile. Sie bietet sehr viel Rechtssicherheit. Die Aufgaben sind toll, und unsere Themen sind im Volk positiv besetzt.
Ihr Abgang in Gerlafingen erfolgte aber abrupt. Wollen Sie über die Gründe reden?
Wir haben Stillschweigen vereinbart. Ich habe immer noch Kontakt mit den Spezialisten, wenn es um fachliche Themen wie Stoffkreisläufe oder Abgasreinigungen geht. Im industriellen Umfeld tauscht man sich häufig aus, wie im kommunalen Sektor auch.
Wie haben Sie sich bei ERZ eingelebt?
Sehr gut. Ich fühle mich sehr wohl. Ich bin gerne nach Zürich zurückgekehrt, nachdem ich hier schon meine Lehre als Betriebsdisponent der SBB gemacht habe, unter anderem in Zürich-Seebach. Später habe ich 20 Jahre bei den SBB bei der Betriebsführung «Knoten» Zürich-Altstetten gearbeitet.
Sie mussten bisher bei ERZ als Aufräumer agieren. Wo gibt es noch Baustellen?
Ich habe es bei ERZ mit 20 Jahren Vergangenheitsbewältigung zu tun. Gleichzeitig geht es um die Planung der nächsten 20 Jahre, etwa die Fernwärme oder ein neues Logistikzentrum. Um nicht dauernd über die Altlasten zu reden, haben wir diese organisatorisch in ein separates Gefäss genommen. Ziel ist es, dass nicht immer wieder das «Vergangenheitszeug» hochkommt.
Hat das Gefäss einen Namen?
Nein. Dies gehört unter das Traktandum «Reflexion». Dort geht es um alle Themen, die der Bericht von Rechtsprofessor Tomas Poledna aufgezeigt hat.
Was steht noch an?
Wir müssen die Organisation sicherer machen. Sprich, es darf keinen Chef mehr geben, der gleichzeitig sagen darf, was der Controller und Einkäufer zu tun hat. (Siehe Kasten, die Red.) Das ist aufgegleist, und es wird spannend sein, zu schauen, wie das funktioniert.
Und bei der Kommunikation?
Auf der Dialogebene haben wir schon viel gemacht, um den kulturellen Wandel bei ERZ voranzutreiben. Es gibt einen Blog, wo alle Angestellten direkt mit mir kommunizieren können.
Haben denn die Müllmänner Zugriff auf einen Computer?
Alle Mitarbeitenden haben einen Zugang auf Intranet. Zudem sind wir momentan dran, dass auch die Mitarbeitenden der Kehrichtabfuhr Zugang zum Blog haben. Das müssen wir auch aus Datenschutzgründen, jeder Mitarbeitende muss einen eigenen Anschluss haben.
Gibt es da eine Moderation, sprich eine Selektion vor dem Freischalten?
Nein, es geht direkt scharf. Das ist eine Frage des Vertrauens. Mir ist egal, wenn Mitarbeitende mich kritisieren, es darf aber auf keinen Fall eine Schuldzuweisung untereinander geben.
Ist das Museum mit den historischen ERZ-Abfallfahrzeugen noch ein Thema?
Nein. Wir haben Lösungen eruiert, aber schlussendlich fehlt der Platz und die Kosten sind zu hoch (siehe auch Kasten, die Red.)
Der Entscheid, den Abfallhai-Kübel zu ersetzen, hat hohe Wellen geschlagen. Bereuen Sie den Entscheid?
Das Medien-Bashing war gross. Dabei fiel der Entscheid für ein neues Produkt weit vor meinem Amtsantritt. Seit 2011 beschaffte man Abfallkübel freihändig und widerrechtlich ohne Submissionsausschreibung.
Dann gibts bald eine Ausschreibung für den neuen «Züri-Chübel 110 Liter»?
Ja, und der Hersteller des «Abfallhai» kann sich ebenfalls wieder bewerben, um den neuen Abfallkübel zu produzieren.
Was unternimmt ERZ gegen die illegale Müllentsorgung?
Im internationalen Städtevergleich im deutschsprachigen Raum sind wir bei der Sauberkeit sehr gut. Wir haben einen Kontrolldienst, der versucht, Abfallsünder durch Hinweise im Abfall zu eruieren.
Also mehr Repression?
Das gehört dazu. Auch die Polizei ist da involviert. Es braucht aber auch Verbesserungen bei der Infrastruktur. Denn die Urbanisierung nimmt immer mehr zu, es hat immer mehr Pendler. Dazu kommt der Trend zur 24-Stunden-Gesellschaft zum Beispiel mit dem Biertrinker, der seine leere Büchse fallen lässt. Der Gegentrend sind die Leute, die unglaublich ökologisch sind und nur einen Züri-Sack pro Quartal brauchen. Das ist eine Herausforderung, und darum müssen wir die Entsorgungsstrategie weiterentwickeln und auf solche Trends abstimmen. Künftig können wir nicht mehr mit einer Strategie alle Menschen abholen.
Sie waren mit Ihrem Vorgesetzten Stadtrat Richard Wolff in Ljubljana. Was haben Sie gelernt von den Slowenen?
Fakt ist, dass wir in vielem besser sind als Ljubljana. Aber: Die dortige Recyclingquote für Bioabfall liegt fast bei 100 Prozent. Darum ist der Restabfall nicht feucht und «gruusig». Er wird in einer riesigen Halle mit Magneten und Zentrifugen separiert. So gelangen viel mehr Wertstoffe in den Stoffkreislauf zurück. Der Trend ist auch für Zürich klar: Dort, wo man sich aufhält, soll man auch schon trennen können. So kann man das System vereinfachen. Das steht übrigens auch im Umweltschutzgesetz. Möglichst viel trennen und möglichst wenig verbrennen.
Dann hat Verbrennen nicht mehr Priorität?
Das eine tun und das andere nicht lassen. In Ljubljana hat das Abfalltrennen einen triftigen Grund: Slowenien hat keine Abfallverbrennungsanlagen. Der übriggebliebene Abfall muss deponiert oder exportiert werden. Darum separiert man dort so sorgfältig.
Wenn Zürich mehr Bioabfälle sammeln würde, wäre die Biogasanlage im Werdhölzli doch zu klein oder?
Aus Zürich stammt momentan nur die Hälfte der Bioabfälle, also 12 000 Tonnen jährlich. Der Rest stammt von Gemeinden ausserhalb Zürichs. Die Kapazitäten müssten ausgebaut werden.
Aber bisher ist es doch so, dass viele Vermieter nicht mitmachen wollen.
Ein politischer Vorstoss im Gemeinderat verlangt, dass wir die Biosammlung flächendeckend einführen müssen, analog dem Hauskehricht via Grundgebühren. Das hat der Gemeinderat so überwiesen. Nun sind wir daran, ein Umsetzungskonzept zu erarbeiten. Bisher konnte man als Mieter nicht selber bestimmen, ob man mitmachen will oder nicht.
Ist auch die separate Kunststoffsammlung ein Thema?
Wir planen einen grösseren Versuch. Ein Test verlief erfolgreich, in dem es darum ging, zu untersuchen, welche Kunststoffabfälle es überhaupt gibt. Wir möchten in der bestehenden Entsorgungsstruktur einen Kunststoffkanal eröffnen. Aber vor allem bei Verbundkunststoffen ist das Recycling sehr anspruchsvoll. Man spricht hier von «Downcycling», weil das recycelte Material oft eine geringere Qualität hat als das Ursprungsmaterial. Es braucht also möglichst Produkte, die man auch auftrennen kann. Das Problem ist nicht das Sammeln, sondern dass die externen Partner den Kunststoff nicht einfach als Ersatzbrennstoff einsetzen. Sonst wäre das Verbrennen hier im Hagenholz definitiv besser.
Tauschen statt wegschmeissen. Warum sucht ERZ nicht neue Wege, anstatt Sperrgut generell zu entsorgen? Beispiele wie in Zollikon sind ja vorhanden.
(Lacht). Genau diese Fragestellung war Thema bei meinem Bewerbungsgespräch bei der Stadt. Tauschen ist tatsächlich eine gute Idee. In unserem Recyclinghof im Hagenholz fehlt aber der Platz dafür. Mittelfristig möchten wir einen neuen Standort suchen für den Recyclingshof. Damit könnten wir auch das Risiko entschärfen, das durch Privatpersonen auf dem Areal des Hagenholz mit den offenen Abfallbunkern entsteht.
Teilweise frei wird ja das Areal der KVA Josefstrasse. Wäre das ein Standort?
Nein.

Interview: Thomas Hoffmann, Lorenz Steinmann

 

Das schwere Erbe von Ex-ERZ-Direktor Urs Pauli

Direktor Daniel Aebli hat nach seinem Amtsantritt bei Entsorgung+Recycling Zürich am 1. Juli 2018 ein eigenes Projekt zum Thema ERZ-Altlasten gestartet. «Sonst würde diese Sache den Alltag blockieren», so Aebli.

Ein Museum und die Emus
Sicher ist für Daniel Aebli, dass das ERZ-Museum mit den historischen Abfallfahrzeugen aufgelöst wird. Entscheiden müsse schliesslich aber Stadtrat Richard Wolff. «Der Antrag auf Auflösung ist erfolgt», so Aebli. Der Unterhalt der Fahrzeuge koste auch Geld, gehöre aber nicht ins Kerngeschäft von ERZ. Ziel sei, die wertvollen Fahrzeuge an Sammler zu verkaufen. «Verschenkt wird nichts», so Aebli. Von den fünf verbliebenen und vielzitierten Emus – flugunfähige, bis 1,8 Meter grossen Laufvögel – will man sich auch trennen. «Allein das Futter kostet 500 Franken pro Monat», so Aebli. Ein Tier übernahm der Zoo, es musste aber «ausgetauscht» werden, weil unter den Tieren im Zoo Streit ausbrach. Die Suche nach einem Plätzli dauert auch darum noch an, weil die Vorschriften für die Haltung von Wildtieren sehr hoch sind.
Ein weiteres heiss diskutiertes Thema waren die Spezialgeschenke für die Mitarbeitenden, die unter Urs Pauli die Regel waren: Chlaussäckli und Osternestli für alle Angestellten. Für Aebli ist klar: Für jeden Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin sieht das städtische Personalrecht 100 Franken pro Jahr vor. «Solche Geschenke würden das Budget für die Weihnachtsfeier schmälern, also bin ich dagegen.» Man sei aber daran, eine MA-Umfrage zu starten, ob und wie die Weihnachtsfeiern künftig gestaltet werden sollen. Letztes und dieses Jahr werde in den Bereichen gefeiert. Allenfalls gibts künftig auch eine gemeinsame Feier für alle.

Controlling und Einkauf
Der Vorgänger von Daniel Aebli, Urs Pauli, führte das ERZ jahrelang nach eigenem Gusto. 2017 wurde Pauli wegen Verdachts auf ungetreue Amtsführung freigestellt. Er soll sich im Jahr 2012 widerrechtlich ein teures Dienstfahrzeug angeschafft und dieses auch privat genutzt haben. Stadtrat Filippo Leutenegger, der 2017 für ERZ zuständig war, reichte Strafanzeige ein. Sie ist noch immer hängig. Kurz darauf wurde in einem Bürogebäude von ERZ eine schwarze Kasse entdeckt: Ein Safe mit rund 215 000 Franken Bargeld, das in der offiziellen Rechnung des Amtes nicht auftauchte.
Dieser Fund brachte das Fass zum Überlaufen: Auf Antrag von Leutenegger entliess der Stadtrat den bereits freigestellten ERZ-Direktor fristlos. Mittlerweile ist der Entscheid rechtsgültig, weil Pauli einen Entscheid des Bezirksrats akzeptierte. Nach wie vor wohnt Urs Pauli in einer städtischen Liegenschaft in Zürich. Es gilt die Unschuldsvermutung. (ls.)