In der Shedhalle der Roten Fabrik entsteht momentan ein spezielles Panoramabild. Leute aus dem Quartier erzählten Familiengeschichten und Künstler stellen sie mit Fresken als Wandbilder dar.
Zurzeit entstehen in der Shedhalle der Roten Fabrik Wandbilder, die ganz alltägliche Familiengeschichten visualisieren. Dies geschieht nicht durch gewöhnliche Wandmalereien, sondern durch Fresken. Kalkechte Pigmente werden mit Wasser angerührt und direkt auf den frischen Kalkputz aufgetragen. Der Verputz wird aus Sand und Kalk – ganz ohne Chemie – hergestellt, und die aufgetragenen Farbpigmente werden vom feuchten Putz aufgesaugt. Meist findet man Fresken in alten Kirchen und historischen Gebäuden, oft übermalt oder verputzt, dann wiederhergestellt. Das Potenzial der Freskentechnik liegt darin, dass sie im Prinzip für die Ewigkeit Bestand hat. Das Shedhalle-Team Mirjam Bayerdörfer und Franz Krähenbühl, das für das Programm verantwortlich ist, hat sich für diese Technik entschieden, da diese Bilder auch nach einem Übermalen jederzeit wieder zurückgeholt werden können.
Die eigene Geschichte erzählt
Die Shedhalle unter der Leitung von Mirjam Haltiner hatte sich an Menschen aus dem Quartier gewandt und um Familiengeschichten gebeten. Leute wurden gesucht, die bereit waren, ihre eigene Geschichte dem Gegenüber zu erzählen. Anhand eines Fragebogens wurde ermittelt, was für die Erzählerin oder den Erzähler eine besondere Bedeutung hat, was ihr Leben reicher, interessanter, vielleicht auch trauriger machte. Auch wurde gefragt, wie die Familie lebt, gelebt hat und wie sie gerne leben würde. Diese Lebensgeschichten werden nun durch Kunstschaffende in den Fresken wiedergegeben. Für diese Begegnungen schuf die Künstlerin Muriel Baumgartner im Auftrag der Shedhalle ganz spezielle Sitzgelegenheiten: Stühle, die miteinander verbunden sind.
Um das 360-Grad-Familien-Panorama zu gestalten, braucht es 16 Bilder von ebenso vielen Kunstschaffenden. Bisher wurden vier fertiggestellt. Das erste Bild stammt von der Künstlerin Maria Pomiansky, die die Wünsche und Erfahrungen eines Jugendlichen interpretiert. Da sieht man, dass er sich einen Hund wünscht; eine liebe Version, denn in der Realität wurde er einmal von einem Hund gebissen. Aber der Betrachter sieht auch, dass der Jugendliche in der Vergangenheit Angst vor gewissen Tieren hatte, dargestellt durch die fauchenden Katzen.
Das zweite Bild von Pavle Mijuca, Student der Zürcher Hochschule der Künste, zeigt eine Familie mit Gesichtern aus Avocadohälften. Damit wollte er wohl die Anonymität der fünfköpfigen Familie bewahren. Die befragte Jugendliche erzählte von einer turbulenten Reise nach Italien mit einem kleinen Bus, was die Pizza auf dem Autodach und der Schiefe Turm von Pisa bezeugen.
Das dritte Bild von Paula Troxler schildert das Lebensmodell einer Frau mit einem gewissen gesellschaftlichen Standard. Ihr Leben wurde, wie es damals üblich war, durch Konventionen bestimmt. Und nun versucht sie, ihre Situation zu verstehen. Das Standard-Modell auf dem Fresko wirkt wie ein Bild zum Ausmalen, wobei die jeweilige Nummer die Farbe vorgibt. Auf der restlichen Bildfläche wird das Ausbrechen aus diesem stereotypen Leben mit durch die Luft fliegenden Dingen wie Puzzlesteinen dargestellt. Mit einem Bein steht die Frau bereits in diesem Teil. Die Öffnung zum neuen Leben ist im aufgeklappten Haus sichtbar.
Am 1. April ist das Werk fertig
Das sind die ersten Interpretationen; doch sollte es der Fantasie des Einzelnen überlassen werden, was er oder sie beim Besuch der Ausstellung in den Bildern liest. Die neuesten Schöpfungen werden dem Publikum etappenweise vorgestellt, das nächste Mal am Mittwoch, 11. März, von 17.30 bis 19.30 Uhr. Das komplette Rundumpanorama wird am 1. April zu bewundern sein. Wer gerne den Kunstschaffenden beim Malen zusehen möchte: Zwei Künstlerinnen oder Künstler sind von Mittwoch bis Sonntag vor Ort. Der Malprozess ist öffentlich und Besucher sind willkommen.
An diesen Mittwochen bietet auch Maria von Känel, Geschäftsführerin des Dachverbands Regenbogenfamilien, in der Shedhalle ab 18 Uhr Beratungsgespräche an und führt Workshops zum Thema Regenbogenfamilie und Familiengründung durch. Das Angebot richtet sich an Familien, an lesbische, schwule, bisexuelle, Trans- und queere Menschen mit Kinderwunsch sowie an interessierte Personen und gibt Antworten auf Fragen zu Co-Parenting und Co-Elternschaft. (Jeannette Gerber, Text und Foto)
www.regenbogenfamilien.ch/shedhalle