Fragen und Antworten zur Hardturm-Vorlage

Erstellt von Lorenz Steinmann |
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Die Diskussionen um ein neues Fussballstadion und Wohnbauten auf dem Hardturmareal gehen in eine neue Runde. In gut vier Wochen kommt der Gestaltungsplan der aktuellen Vorlage vors Volk.

Worum geht’s bei der Abstimmung?
Auf dem Areal des ehemaligen Hardturmstadions in Zürich-West sind ein Fussballstadion für 18 000 Zuschauer, eine Genossenschaftssiedlung mit 174 Wohnungen und zwei Hochhäuser mit 570 Wohnungen im sich für die Credit Suisse lohnenden Preissegment geplant. Das Projekt mit Gesamtkosten von 570 Millionen Franken wird von privaten Investoren finanziert. Die Stadt stellt ihnen sehr günstige Baurechte zur Verfügung.

Warum muss das Volk nochmals an die Urne?
Im November 2018 wurde das Projekt «Ensemble» mit 53,8 Prozent Ja-Stimmen-Anteil angenommen. Die zweite Abstimmung ist nötig, weil die IG Freiräume Zürich-West das Referendum gegen den Gestaltungsplan ergriffen hat. Die Stadionbefürworter reden von einer reinen Zwängerei, für die Gegner ist das ein normaler demokratischer Prozess, der die seit 2018 geänderte globale und lokale Klimasituation berücksichtigt.

Welche Parteien sind dafür, welche dagegen?
Parolenspiegel zur Hardturm-Vorlage:
JA sagen folgende Parteien: FDP, SVP, GLP, BDP, CVP, EVP
NEIN sagen folgende Parteien: AL, GP, SP

Was sind die Argumente der Befürworter?
Die Befürworter halten das Projekt mit dem Namen «Ensemble» für ein sorgfältig austariertes Bauvorhaben, mit dem die Zürcher Fussballklubs FCZ und GC nach Jahren endlich zu einem echten Stadion kommen. Sie streichen aber auch die rund 800 Wohnungen für 1500 Bewohnerinnen und Bewohner hervor, die entstehen sollen. Davon ist ein Teil für genossenschaftliches Wohnen (ABZ-Genossenschaft) reserviert. Die beiden Hochhäuser bezeichnen die Promotoren als «neues Stadttor für Zürich». Die Türme könnten laut den Befürwortern zu einem «neuen Wahrzeichen Zürichs» werden.

Was sind die Argumente der Gegner?
Zürich-West wurde in der Vergangenheit bekannterweise sehr dicht überbaut und unbestrittenerweise «zu Tode» entwickelt. Das würde mit dem Ensemble-Projekt noch maximiert und wertvoller Grünraum zerstört. Und: Die bestehenden Hochhaus-Richtlinien der Stadt Zürich sehen eine Maximalhöhe von 80 m für Gebäude vor. Die zwei Türme im Gestaltungsplan brechen mit 137 m Höhe die zulässige Höhe um 57 m. Am Dienstag lancierten die Gegner zudem die Idee, dass die Stadt das Areal von der CS zurückkaufen soll. Sodann soll «ein durchgrüntes Quartier mit 100 Prozent gemeinnützigen Wohnungen» entstehen.

Wer sind die Befürworter, wer die Gegner?
Dafür sind neben den bürgerlichen Parteien und dem Stadtrat der Dachverband der 400 Stadtzürcher Sportvereine, der Zürcher Stadtverband für Sport. Zudem hat sich wie bereits bei der Abstimmung 2018 ein linkes Pro-Komitee formiert. Zu den Prominenten der «linken Flügel» zählen etwa Esther Guyer, Fraktionschefin der Grünen im Kantonsrat, oder der AL-Kantonsrat Markus Bischoff.
Federführend bei den Gegnern ist die IG Freiräume. Sie hat sich im Frühling 2017 konstituiert. Mit dabei sind Menschen aus den Bereichen Architektur, Stadtplanung, Kunst, Journalismus, Soziale Arbeit, Politik und vielem mehr. Einer der Exponenten nach aussen ist Markus Knauss, Gemeinderat der Grünen. Er hat vergangenen Herbst die umstrittene Abstimmung über den Rosengartentunnel gewonnen.

Wo steht der Stadtrat?
Der Zürcher Stadtrat unterstützt das Projekt und damit das Vorhaben der privaten Investoren von HRS (Baufirma), Anlagestiftungen der CS sowie der Allgemeinen Baugenossenschaft Zürich (ABZ). Speziell ist, dass sich der linksgrüne Stadtrat gegen den Willen der Mutterparteien SP und Grüne für das Projekt einsetzt, jedoch nicht sehr aktiv.

Was sagen die Fans?
Offiziell ist die Mehrheit für ein neues Stadion, weil es wegen der fehlenden Leichtathletikbahn wie im Letzigrundstadion eher für laute Stimmung sorgen könnte. Der wahre FCZ-Fan hingegen würde nie einen Fuss über die Gleise ins ehemalige GC-Stadion setzen. Für GC-Fans wäre das Stadion hingegen eine Befreiung, weil man endlich wieder eine richtige Heimstätte hätte.

Ist die Kritik wegen der zubetonierten Stadt berechtigt?
Da gehen die Meinungen je nach Blickwinkel natürlich auseinander. So oder so hat der Stadtrat viel Handlungsbedarf gegen Hitzeinseln und gegen die Bodenversiegelung geortet. Da ist das jetzige Bauprojekt tatsächlich nicht ideal. Zur Erinnerung: Die Bodenbesitzerin Credit Suisse (CS) als private Investorin hatte sich nach einem zermürbenden Rechtsstreit nach der gewonnenen Abstimmung zum Pentagonprojekt im Jahr 2003 zurückgezogen. Ob das wieder passiert?

Was tun die Stadionbauer für den Naturschutz?
«Die beiden 137 Meter hohen Wohntürme sorgen für Luftzirkulation und zwangsläufig für Aufwinde», sind die Architekten überzeugt. Das sei besser als herkömmliche Blockrandbebauungen. Die Architekten sehen die Brache heute lediglich als «Transitraum». «In Zukunft soll das Gebiet Parkcharakter bekommen.» Dafür sollen Betonplatten anstatt Asphaltflächen beitragen. Das sei lebendiger und freundlicher. Versprechungen, die bei den Gegner schlecht ankommen. Das Projekt «Ensemble» zerstöre eine der schönsten Grünanlagen von Zürich (die Stadionbrache) und biete keinen gleichwertigen Ersatz an. So würden Hunderte von Bäume ersatzlos gefällt. Wegen Überschwemmungsgefahr nicht möglich sein wird die Offenlegung des Letzibachs, der unter dem Areal hindurchfliesst. Dieser hätte zu einer gewissen Abkühlung beigetragen.

Wer baut das Stadion eigentlich?
Es ist die Firma HRS, eine inhabergeführte Schweizer Immobiliendienstleisterin, die es seit 50 Jahren gibt. Ihr Sitz ist in Frauenfeld. Momentan baut HRS in Zürich beispielsweise das Stadion der ZSC Lions in Zürich-Altstetten. Zudem baut(e) HRS auch für die ABZ, die Allgemeine Baugenossenschaft, einige Überbauungen. Daher kommt das Agreement HRS-ABZ.

Wie steht es um die Sicherheit im Quartier?
Die Fussballclubs und die Stadtpolizei Zürich betonen, dass man die Fanströme am neuen Ort ähnlich gut unter Kontrolle habe wie beim Letzigrundstadion. Dagegen spricht aber eine Expertise der Stadtpolizei, welche bei den Fanströmen Zoff voraussagt. Ob eine spezielle Passerelle über die Pfingstweidstrasse nützt, ist unklar. Kritiker warnen zudem vor dem totalen Verkehrschaos an Spieltagen, weil Pfingstweid- wie auch Bernerstrasse wegen der Fans gesperrt werden müssten. Aus Sicherheitsgründen wird es auf dem ganzen Areal zudem keine Gebüsche und Hecken geben. So kann sich niemand verstecken. Die Bäume müssen hochstämmig sein. Zudem sind vandalensichere Eingänge im ganzen Quartier nötig.

Welchen Einfluss hat Corona?
Kurzfristig schlägt das Coronavirus ohne Zweifel auf die Stimmung der Gesellschaft. Fussballspiele dürften noch längere Zeit zumindest nur mit Maskenpflicht fürs Publikum stattfinden. Es gibt sogar Experten, die glauben, dass der Fussball eher aus dem Fokus der Gesellschaft verschwinden könnte. So schwarz sehen das die Befürworter natürlich nicht. Gerade der Champions-League-Final habe gezeigt, dass der Fussball lebt. Mit oder ohne Corona-Krise. Und auch in Zürich. Ob nun die Zürcher Klubs vorne mitspielen oder nicht.

Wie geht es weiter nach einem Ja?
Das gemeinsame neue Stadion sollte gemäss Plänen schon 2023 fertig sein. Der erste Ball könnte in der Saison 2023/24 rollen. Fraglich ist höchstens, ob die neuen chinesischen Beisitzer des Grasshopper-Klubs so lange Geduld haben. Die Hochhäuser und der gemeinnützige Wohnungsbau werden etappiert ab 2024 fertiggestellt.

Wie geht es weiter nach einem Nein?
Am 27. September wäre Zürich wohl wieder einmal die Lachnummer der Schweiz, zumindest bei den Fussballfans. Tenor: Die bekommen’s einfach nicht auf die Reihe. Im links/grünen Fundilager wäre der Applaus hoch. Offen bleibt, ob die Credit Suisse bald ein Projekt ohne Stadion, aber mit einem Drittel Genossenschaftswohnungen aus dem Hut zaubern könnte.

Offizielle Abstimmungszeitung im Internet unter: www.stadt-zuerich.ch Stichwort «Abstimmungszeitung 27. September»
Website Pro-Komitee: www.stadion-ja.ch
Website Gegner: neinzumhardturm.ch